Zum Tod von Regisseur Carl Reiner: Er war Vorbild im Hintergrund
Trumps Niederlage wollte er unbedingt noch erleben. Jetzt ist der US-amerikanische Regisseur Carl Reiner, Schöpfer zahlreicher Komödien, gestorben.
Die Rückschau gehört zu den Erfordernissen des Genres Nachruf; fast könnte man von einem zwingenden Zusammenhang sprechen. Aber Carl Reiner, am 29. Juni im Alter von 98 gestorben, bringt diese Konvention an ihre Grenzen. Nicht nur, weil seine großen Erfolge so lange zurückliegen.
Obwohl das auch ein Faktor ist: Heute von der Zeit zu erzählen, als man Gleichgesinnte daran erkannte, dass sie Dialogzeilen aus „Tote tragen keine Karos“ zitieren konnten, lässt einen uralt aussehen. „Reinemachefrau!“ (Lacht da wer?) Oder, weniger insiderhaft: „Offiziell gilt sie als Hypochonder, der Arzt denkt aber, sie simuliert.“ Oder auch: „Was tun Sie denn da?“ – „Ich richte Ihnen die Brüste. Ihnen wurde schlecht und sie sind dabei ganz verrutscht.“
Ach, es waren andere, unschuldigere Zeiten! Der Film, eine Film-noir-Parodie, bei der Reiner Regie führte, deren Drehbuch er schrieb und die Steve Martins Filmkarriere begründete, ist von 1982. Da war der größte Erfolg Carl Reiners, das Werk, auf das er am stolzesten war, 20 Jahre her: 1962 hatte die Ausstrahlung der Sitcom „The Dick Van Dyke Show“ begonnen.
Hierzulande ist die Serie eher unbekannt. Aber es gibt keinen aktiven amerikanischen Comedian, der sie nicht als wesentlichen Einfluss nennt, allen voran Jerry Seinfeld, der für seine Webserie vor einigen Jahren mal Carl Reiner und Mel Brooks bei deren gemeinsamen TV-Abenden besuchte und daraus ein wunderbares Kurzporträt schnitt.
Er hielt die Werte von Vernunft und Toleranz hoch
Wenn man es wie gehabt Revue passieren lässt, wirkt das Werk Carl Reiners also schnell antiquiert, weder die übrigen Steve-Martin-Vehikel („Der Mann mit den zwei Gehirnen“, „Solo für 2“) noch ein Spätwerk wie „Noch einmal mit Gefühl“ von 1997 mit Bette Midler haben in der Filmgeschichte tiefe Spuren hinterlassen. Aber die hochemotionale Messages-Flut, die Twitter überrollte, nachdem Carls Sohn Rob die Nachricht vom Tod seines Vaters postete, spricht eine eigene Sprache: Carl Reiner wirkte hinter den Kulissen, nicht als Strippenzieher, sondern als Vorbild und Mentor.
Die „Straight-Man“-Präsenz, die den Charme seines Comedian-Auftritts begründete und ihn zum idealen Gegenüber von so quirligen Gag-Talenten wie Mel Brooks machte, nutzte er, um als Elder Statesman of Entertainment die Werte von Vernunft und Toleranz hochzuhalten. In seinen Anti-Trump-Tweets offenbarte er bis zuletzt einen Ernst und Ärger, der ihn als wachen Staatsbürger auswies.
Trumps Niederlage wollte er unbedingt noch erleben. Dass ihm das nicht vergönnt war, stimmt genauso traurig wie die Tatsache, dass Mel Brooks (94), mit dem ihn eine 70-jährige tiefe Freundschaft verband, fürderhin allein zu Abend essen muss.
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