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Zum Tod des Philosophen John SearleMit Worten etwas tun

Ihm war an der politischen Dimension von Sprache gelegen: Nachruf auf den US-amerikanischen Philosophen John Searle, der die Sprechakte bekannt machte.

John Searle (1932–2025) Foto: Sipa Press/action press

„Clara und Rosa sind verheiratet“, „Wenn Clara und Rosa doch endlich heiraten würden!“, „Hiermit erkläre ich Sie, Clara und Rosa, zu Frau und Frau“. Diese drei Sätze könnten die Grundlage einer Geschichte über das gemeinsame Leben zweier Frauen bilden. Unabhängig davon stellen sie drei verschiedene Typen von Äußerungen dar. Mit dem ersten Satz wird eine Tatsache behauptet, mit dem zweiten ein Wunsch ausgedrückt und mit dem dritten eine Trauung vollzogen.

Der 1932 in Denver geborene Philosoph John Searle war Experte für diese Weisen, mit Worten etwas zu tun. „Sprechakte“ nannte er diese Aktivitäten, „Speech Acts“ war auch der Titel seines ersten, 1969 erschienenen Buchs. Danach gehört der Satz „Clara und Rosa sind verheiratet“ zu den „Assertiva“, die rein deskriptive Funktion haben. „Wenn Clara und Rosa doch endlich heiraten würden!“ ist ein Beispiel für „Expressiva“. Mit solchen Sätzen teilt man eine Einstellung über eine mögliche Änderung der Welt mit. Sätze wie „Hiermit erkläre ich Sie, Clara und Rosa, zu Frau und Frau“ schließlich sind „Deklarativa“. Durch Äußerungen dieser Art schafft man eine neue Wirklichkeit, und zwar genau die, die im Satz beschrieben ist.

Sprechen und soziale Wirklichkeit

Searle war darüber hinaus an der politischen Dimension von Sprache gelegen. Er unterstützte die Studentenproteste der Free Speech Movement und konzentrierte sich in späteren Werken darauf, wie Sprechakte und soziale Wirklichkeit zusammenhängen. Auch Fragen der Künstlichen Intelligenz beschäftigten ihn, sein Gedankenexperiment „Chinese Room“ sollte demonstrieren, dass Computer zwar Regeln befolgen können, ihnen aber das fehlt, was menschliches Denken charakterisiert: Intentionalität, die Fähigkeit, sich geistig auf bestimmte Sachverhalte zu beziehen.

Neben seinen Verdiensten fiel Searle auch wegen sexualisierter Gewalt in der Öffentlichkeit auf. So wurde ihm 2017 vorgeworfen, er habe an der UC Berkeley sexuelle Beziehungen mit Studentinnen im Tausch gegen finanzielle und akademische Vorteile gehabt. 2019 entzog ihm die Universität die Mitgliedschaft und seinen Status als emeritierter Professor. Am 17. September ist John Searle im Alter von 93 Jahren gestorben.

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