Zum Schutz vor Wildschweinen: Dänemark zäunt sich ein
Das Land will einen siebzig Kilometer langen Zaun an der Grenze zu Deutschland errichten – als Schutz gegen die Schweinepest. „Schwachsinn“ kritisiert der BUND
Die Gefahr immerhin, die Dänemark mit dem Zaun abwehren will, ist höchst real: Die Afrikanische Schweinepest, ASP, bedroht aktuell Landwirte in ganz Europa. Die Krankheit, die für Menschen nicht gefährlich ist, aber Haus- wie Wildschweine tötet, breitet sich seit einigen Jahren aus. Erst starben Tiere im Baltikum, in Russland und der Ukraine, 2017 wurde der Erreger an Wildschweinen in Tschechien und Rumänien nachgewiesen. Im Mai kam es in Ungarn zu einem Ausbruch. Und früher oder später könnte auch Deutschland betroffen sein.
Schleswig-Holsteins Umwelt- und Landwirtschaftsministerium hat jüngst mit Jägerschaft und mehreren Fachbehörden in einer Großübung die Maßnahmen nach dem Fund eines mit ASP infizierten Wildschweins durchgespielt. „Wenn es ausbricht, ist das eine Katastrophe“, sagt Wolfgang Stapelfeld, Landwirt und Kreisvorsitzender des Bauernverbands im Bereich Südtondern in Nordfriesland. Peter Boysen, Landesvorsitzender des Anbauverbands Bioland, stimmt zu: „Alle Betriebe wären massiv betroffen, ob bio oder konventionell.“
Wird nur ein Schwein mit dem Pesterreger gefunden, muss der ganze Bestand sterben. „Für Landwirte mit Herz und Seele ist das hart, wenn die Schweine sinnlos getötet werden wegen so einem blöden Virus“, sagt Boysen. Bio-BäuerInnen tragen eine Zusatzlast: Denn sie müssen ihren Tieren Auslauf unter freiem Himmel bieten. Auf 47 Höfen – von landesweit 2.000 Schweinebetrieben – leben die Sauen und Eber laut Umweltministerium ausschließlich im Freiland. Bei langer Zwangs-Aufstallung könnten die Höfe ihr Bio-Logo verlieren.
Schwimmende Schweine
Die Afrikanische Schweinepest (ASP) ist eine Tierseuche, die Haus- und Wildschweine betrifft. In den afrikanischen Ursprungsländern übertragen Lederzecken das Virus, in Mitteleuropa erfolgt die Übertragung durch direkten Kontakt mit infizierten Tieren. ASP ist für Tiere tödlich, für Menschen ungefährlich.
Zwischen dem 1.1. und dem 31.7.2018 wurde ASP laut der Europäischen Kommission bei Wildschweinen in neun EU-Ländern nachgewiesen und bei Hausschweinen in sieben Ländern.
Die meisten infizierten Hausschweine gab es in Rumänien, die meisten Wildschweine in Polen.
Bulgarien hat, um sich zu schützen, mit Vorarbeiten zur Errichtung eines 133 Kilometer langen Zaunes an der Grenze zu Rumänien begonnen.
Polens Landwirtschaftsminister kündigte an, den geplanten 1.000 Kilometer langen Wildschweinschutzzaun an der Grenze zur Ukraine nun doch nicht zu bauen.
Der Zaun allerdings, den Dänemarks Parlament als Maßnahme gegen die Pest beschloss, lässt Bauernvertreter, PolitikerInnen und NaturschützerInnen mit den Köpfen schütteln. „Reine Symbolpolitik“, sagt Stapelfeld. Landesumweltminister und Grünen-Bundesvorsitzender Robert Habeck sprach von einer „überzogenen Maßnahme“. Und für Tobias Langguth, Sprecher der Naturschutzorganisation BUND, ist der geplante Zaun „Schwachsinn“ und überdies schädlich, weil er zwar keine Schweine aufhält, wohl aber Rotwild, das auf das Suche nach Futter in Herden zwischen den Staaten hin- und herwechselt. „Schon heute lassen sich die Folgen von Inzucht nachweisen“, sagt Langguth.
Anders als Rehwild seien Schweine in der Lage, die Hürde zu umgehen, sagt Stapelfeld. Straßen und Wasserflächen ließen sich nicht sperren, „und das haben Wildschweine schnell spitz, die sind ja nicht blöd“. Im April entstand im Ort Maasholm an der Schlei ein Video, das eine Truppe Wildschweine beim Schwimmen zeigt.
Allerdings gibt es im Norden Schleswig-Holsteins so gut wie keine Wildschweine: „Der Nord-Ostsee-Kanal ist eine Hürde, über die sie nicht so leicht rüberkommen“, sagt Boysen. Und Stapelfeld weiß: „Hier oben ist zu wenig Wald, da fühlen sie sich nicht wohl.“ Die Zahlen zeigen das: Während in den südöstlichen Kreisen Schleswig-Holsteins die JägerInnen jährlich Tausende Wildschweine abschießen, sind es in Nordfriesland nur ein Dutzend.
Mit Stimmen der Rechtspopulisten
Aber für Dänemarks Umweltminister Jakob Ellemann-Jensen von der rechts-liberalen Venstre-Partei ist der Plan ein „wichtiger Beschluss“. Die Minderheitsregierung gewann für den Zaun-Bau, der rund zehn Millionen Euro kosten soll, im dänischen Parlament auch die Stimmen der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei und der oppositionellen Sozialdemokraten. Denn für Dänemark hängen „Arbeitsplätze und unser Wohlfahrtsstaat“ von den Schweinen ab, so der Umweltminister laut der Nachrichtenagentur dpa.
Das Land exportiert jährlich Schweinefleisch im Gegenwert von rund vier Milliarden Euro. Diese Ausfuhr wäre bedroht, käme die Pest ins Königreich. Dänemarks Wirtschaft hängt weit stärker von der Landwirtschaft und eben der Schweinezucht ab als etwa Deutschland. Das skandinavische Land exportiert nicht nur in zahlreiche europäische Länder, sondern auch nach Asien. Das soll so bleiben, hofft Stapelfeld: „Wenn dänisches Fleisch nur noch in der EU verkauft wird, käme es zu einem gewaltigen Preisverfall.“ Also muss der Zaun her, als sichtbarer Beleg, dass Dänen alles Menschenmögliche für den Schutz ihrer Ferkel tun.
Der Zaun soll durch eine Region führen, die zurzeit eine echte grüne Grenze ist. Mal verläuft sie in einem Graben neben einer Schafweide, dann markiert ein niedriger Knick, wo die Staaten enden. Wer auf den Straßen im Grenzland unterwegs ist, fährt unbemerkt von hüben nach drüben.
„Böse Zungen behaupten ja, der Zaun solle Flüchtlinge abhalten“, sagt Boysen. Das glaube er selbst aber nicht, fügt der Bioland-Vorsitzende hinzu. Ohnehin: Ein Mensch, der halbwegs gut zu Fuß ist, könnte einen eineinhalb-Meter-Draht vermutlich locker überklettern. Dennoch klingen die Gerüchte irgendwie stimmig. Schließlich vermitteln Grenzkontrollen an den Autobahnen oder ein Zaun im Nichts dieselbe Botschaft: „Fremde, bleibt draußen.“
Seuchenfaktor Mensch
Dabei ließe sich mit den zehn Millionen Euro, die Dänemark für den Zaun ausgeben will, durchaus etwas Sinnvolles gegen ASP tun, meint Wolfgang Stapelfeld: „Nicht hier, sondern in Osteuropa.“ Etwa für mobile Absperrungen, mit denen sich Gebiete um den Fundort eines toten Wildschweins abriegeln ließen. Sinnvoll seien auch Schulungen und Hygienemaßnahmen in den kleinen Ställen, in denen Schweine im Nebenerwerb gehalten werden.
Denn von dort braucht es keine Wildschweine, um den extrem beständigen ASP-Erreger weiter zu transportieren: Er überlebt wochenlang an Schuhsohlen, in den Rillen von Lastwagenreifen oder im viel zitierten weggeworfenen Wurstbrot. Merke: Der größte Seuchefaktor ist der Mensch, nicht das Schwein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin