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Zukunft der WasserversorgungEuropaweit gegen Privatisierung

Erstmals ist eine EU-Bürgerinitiative erfolgreich: In acht Staaten hat die Forderung nach einer öffentlichen Wasserversorgung das Quorum erreicht.

Wohin das Wasser fließt, ist offensichtlich. Wohin die Gewinne fließen, weniger. Bild: dpa

BERLIN taz | Der Jubel bei den Initiatoren ist groß: „In nur neun Monaten wurde erreicht, was bisher noch keiner europäischen Organisation gelungen ist“, heißt es auf der Webseite von „Wasser ist ein Menschenrecht“. Grund für die Freude: Als erste europäische Bürgerinitiative haben die Streiter für eine öffentliche, preiswerte Wasserversorgung das notwendige Quorum erreicht.

Die Hürden für einen solchen Erfolg sind hoch: Innerhalb von einem Jahr müssen mehr als eine Million Menschen online oder auf Papier die Forderung unterzeichnen. Zusätzlich muss in mindestens sieben EU-Mitgliedstaaten eine Quote erreicht werden, die je nach Land zwischen 0,09 und 0,33 Prozent der Einwohnerzahl beträgt.

Die notwendige Gesamtzahl an Unterstützern hatte die Wasser-Initiative schon länger erreicht; aktuell liegt sie bei über 1,5 Millionen. In dieser Woche wurde dann auch die Länderzahl geknackt: Mit Deutschland, Österreich, Belgien, Slowenien, der Slowakei, Luxemburg, Litauen und Finnland ist in acht Staaten die Qoute erfüllt.

Eine Übersicht über über die Unterschriften in den einzlnen Mitgliedsstaten zeigt gewaltige Unterschiede: Mehr als vier Fünftel der europaweiten Unterstützer stammen aus Deutschland, wo es eine breite Berichterstattung über die Petition gab. Frankreich, wo viele Kommunen bereits schlechte Erfahrungen mit privatisierten Wasserwerken gemacht haben, stellt hingegen nicht mal ein Prozent der Unterschriften und ist weit vom Quorum entfernt.

EU-Kommission muss sich damit beschäftigen

Weniger ausgeprägt als die formalen Anforderungen an eine Europäische Bürgerinitiative sind die realen Konsequenzen, die ein Erfolg hat. Vorgeschrieben ist lediglich, dass sich die EU-Kommission mit der Forderung beschäftigen muss und es eine Anhörung im Europäischen Parlament gibt.

Ob sich die Politik real ändert, ist hingegen offen. Allerdings dürfte der Druck auf EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier zunehmen. Er plant derzeit eine neue Richtlinie, die europäische Kommunen in vielen Fällen zur Ausschreibung der Wasserversorgung zwingen könnte. Als Reaktion auf die europaweite Kritik hat er bereits eine Überarbeitung angekündigt, die den Privatisierungsgegnern jedoch nicht weit genug geht.

Auch die nun erfolgreiche Bürgerinitiative fordert, dass die Versorgung mit Trinkwasser „nicht den Binnenmarktregeln unterworfen werden“ darf. Um den Druck zu verstärken, wollen die Initiatoren trotz der bereits erreichten Quorums zunächst weiter Unterschriften sammeln.

Die Bundesregierung hat die EU-Pläne – auch gegen parteiinterne Kritik – bisher unterstützt. Die kommunalpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, hofft nun auf ein Umdenken. „Der tolle Erfolg der Bürgerinitiative muss Schwarz-Gelb Anlass zur Mahnung sein“, sagte sie. „Kanzlerin Angela Merkel muss jetzt endlich Wirtschaftsminister Rösler zurückpfeifen und dafür sorgen, dass die Wasserliberalisierung auf EU-Ebene rückgängig gemacht wird.“

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5 Kommentare

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  • HK
    Hady Khalil

    Welche Menschen?

    FDP Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung Löning, also der ich erst letztens für die NSU Morde und die schleppende Aufklärung vor der UN entshuldigt hat, mahnt Menschenrechte in China an. Wieso gibt’s irgendwelche Geschäfte, wo die Preise gedrückt werden sollen? FDP Chef Rösler droht mit Veto gegen EU Pläne zur Wasserversorgung . Rösler spricht für sein Klientel und billigt damit das in Südeuropa arme Menschen, die sich die 400% Preisaufschlag für Trinkwasser nicht leisten können und durch verseuchtes Wasser erkranken und sterben. Frauen und Kinder zu erst. Der Menschenrechtsbeauftragte…SKRUPELOS über Leichen. Oder hat der deutsche Wirtschaftsminister schon 500 Tanklaster auf unsere Kosten fürs rote Kreuz bestellt, damit seine Geschäftspartner doppelt die Gewinne abschöpfen können. Spricht Vize-Kanzler Rösler im Auftrag der Regierung, oder als FDP Schnösel? Die Kanzlerin ist beim Papst (die Wirtschaft soll den Menschen dienen, welchen Menschen?)und die Mäuse tanzen auf dem Tisch, sowieso.Die Bundeskanzlerin mahnt eine weitere Regulierung der Finanzmärkte an. Vielleicht hängt das ja in Europa mit der Regulierung, bzw. Deregulierung der FDP zusammen. Hat Papst Franziskus denn Herrn Rösler, dem er ja den Handschlag bei seiner Amtseinführung verweigert hat, Grüße ausrichten lassen?

  • JF
    Jasper F

    Die gleiche Übersicht wie von der Taz nur anschaulicher dargestellt.

    http://www.uploadarea.de/files/di9saodg3klacekuzyn3oe211.jpg

  • S
    super

    Ja leider, die Lobbyisten haben unsere Regierenden fest in der Hand. Es geht dabei ja nicht nur darum, das gierigen Kraken der Wasserversorger gut verdienen, sondern auch, weil der Staat, ohne dafür etwas tun zu müssen Milliarden an Steuern einnimmt.

    Bekommen dann die Besserverdiener, was Politiker ja nun mal sind, so wie die Großindustriellen Preisnachlässe ????

  • N
    noevil

    Ich kann gar nicht ausdrücken, wie froh ich bin!

     

    So einigen ist vermutlich nicht klar, wie wichtig es ist, keinem der Konzerne einen Handbreit die Felder zu überlassen, nach denen sie wie Kraken ihre Tentakel ausstrecken. Dabei denke ich nicht nur an Bürger in Ländern, deren Informationsstand über ihre Medienlandschaften mir nicht ausreichend vertraut ist.

     

    Zuerst schaue ich nachdenklich und mittlerweile zunehmend misstrauisch auf viele unserer EU-Politiker, die sich - wider besseren Wissens - von Lobbyisten einwickeln lassen und mehr an Geld und Gewinne ihrer Klientel als an staatsmännische Gesamtverantwortung denken.

     

    Boden und Bodenschätze, Luft und ihre Sauberkeit und nicht zuletzt Wasser und dessen Reinheit sind Grundrechte und Grundbedürfnisse der Menschen zu Erhaltung ihrer Gesundheit und Lebensgrundlagen.

     

    Die gewählten Regierungen und Parteien haben von ihren Bürgern den Auftrag, diese Rechte und Bedürfnisse zu schützen. Dafür haben sie Macht übertragen bekommen, sind gewählt und dafür werden sie bezahlt - aus Steuermitteln. Ihnen ist aber vom Bürger nicht das Recht übertragen, sie eigenmächtig - und wie sich im Blick auf bekannte Erfahrungen zum Schaden vieler Bürger immer wieder erweist - an Dritte zu verscherbeln, um irgendwelche anderen Finanzlöcher zu stopfen.

     

    Wie gut, dass so viele Bürger nicht blind ihren Regierungen vertrauen, sondern soweit es ihnen über Informationen verantwortungsbewusster Medien möglich ist, ein wachsames Auge auf diese Themen haben. Zu unseren kritischen demokratischen Bürgern und Medien habe ich mittlerweile mehr Vertrauen als zu einem großen Teil der Politiker - ein zwiespältiges Gefühl! Einerseits Enttäuschung über die Politiker - andererseits Freude über die zunehmende Zahl von mutigen jungen(!) demokratischen Bürgern, die sich nicht scheuen, den von ihnen Gewählten immer genauer auf die Finger zu schauen. Eine gute Entwicklung!

     

    Ich bin sehr sehr froh und erleichtert!

  • M
    Mada

    Litauen hat die Quote erreicht, nicht Lettland. Siehe Ihre eigene angehängte Übersicht.

     

    DIE REDAKTION: Danke für den Hinweis, der Fehler wurde korrigiert.