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Zukunft der UkraineGewissheiten waren gestern

US-Präsident Trump will den Krieg in der Ukraine beenden und schickt die EU zur Friedenssicherung vor. Sind die 27 Mitgliedstaaten dem gewachsen?

US-Verteidigungsminister Pete Hegseth (l.) mit dem deutschen Verteidigungsminister Boris Pistorius beim NATO-Treffen Foto: Johanna Geron/Pool Reuters/AP/dpa

Berlin taz | Und dann verwies er die EU in die zweite Reihe: US-Verteidigungsminister Pete Hegseth rüttelte während seines ersten Besuchs in Brüssel die europäische Staatengemeinschaft ordentlich wach.

Den „überwiegenden Anteil“ der zukünftigen militärischen und zivilen Hilfe für die Ukraine sollten nun die Europäer übernehmen, stellte er klar. Und läutete damit den seit Monaten befürchteten Kurswechsel von US-Präsident Donald Trump ein. Dieser machte spätestens durch sein Telefonat mit Kremlchef Wladimir Putin am Mittwoch deutlich, den Krieg in der Ukraine so schnell wie möglich beenden zu wollen. Koste es, was es wolle.

Putin dürfte sich über die sich überstürzenden Ereignisse der vergangenen Tage freuen – er, der so auf Augenhöhe mit dem US-amerikanischen Präsidenten über die Zukunft der Ukraine verhandeln wird und das über den Kopf des von ihm angegriffenen Landes hinweg.

Ein Szenario, das besonders die Europäer vor Herausforderungen stellen wird. Fast drei Jahre sind seit Beginn der russischen Invasion vergangen, ein Zeitraum, den die EU nicht ausreichend genutzt hat, um sich auf eine derartige Verantwortung vorzubereiten. Es fehlen die finanziellen Mittel und eine gemeinsame Linie.

Schlicht kein Geld

Das Problem: Verteidigung ist auf nationalstaatlicher Ebene geregelt. Zwar will die EU einen eigenen Verteidigungsfonds auflegen, doch wie dieser finanziert werden soll, ist unklar. Auch die Zuständigkeit ist umstritten. Dazu kommt, dass in vielen EU-Ländern schlicht das Geld für Verteidigung fehlt.

Während die osteuropäischen Staaten aufrüsten, erreichen Spanien und Italien nicht einmal das von der Nato vorgegebene 2-Prozent-Ziel. Auch Deutschland erfüllt nur mithilfe von Schulden die Vorgabe. Und EU-Verteidigungskommissar Andrius Kubilius dringt mit seinen Anliegen nicht durch. Um den Frieden in Europa zu erhalten, müsse man sich für einen Krieg rüsten, wiederholt er immer wieder.

Konkret will der Litauer die Muni­tions­lager in Europa auffüllen und ein gemeinsames Monitoring über die Lagerbestände einführen. Der jüngste Versuch, einen gemeinsamen Verteidigungsfonds zu gestalten, platzte: Statt sich bei dem EU-Sondergipfel Anfang Februar mit der Verteidigung der Ukraine und Europas zu beschäftigen, drängte überraschend ein anderes Thema nach vorn: Trumps Strafzölle.

Zwei zentrale Punkte

Da half auch nicht, dass Nato-Generalsekretär Mark Rutte, der als Trump-Versteher gilt, zuvor versuchte, die 27 Regierungs- und Staatschefs vor einer drohenden Ausweitung des Kriegs zu warnen. Nach dem Telefonat Trumps mit Putin bleibt dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nichts anderes übrig als auf zwei zentralen Punkten zu bestehen: keine bilateralen Verhandlungen zwischen den USA und Russland und Europa muss mit an den Verhandlungstisch.

Unterstützung dafür kommt von Kaja Kallas. Die EU-Außenbeauftragte gilt als harte Kritikerin des Kremls. Aus ihrer Sicht wäre ein „Deal“ zwischen den USA und Russland an den Europäern vorbei ohnehin nicht umzusetzen. Wie sich die EU und die Ukraine zum Vorstoß Trumps verhalten werden, wird sich auch auf der Münchner Sicherheitskonferenz zeigen, die an diesem Freitag beginnt.

Der Termin für das Telefonat zwischen Trump und Putin – kurz vor dem dritten Jahrestag des russischen Angriffskriegs und kurz vor einem der wichtigsten internationalen Treffen für Sicherheitspolitik – ist kein Zufall. Und der Vorstoß bedeutet nichts Geringeres, als dass es kein Zurück zu gewohnten Gepflogenheiten geben wird.

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15 Kommentare

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  • Um zu wissen, ob man dem gewachsen ist, müsste man erstmal wissen, was das heißt.

    Unter anderem genug militärische Macht an die Konfliktzone zu bringen, um russische Übergriffe jedweder Größenordnung im Keim ersticken zu können. Von einzelnen betrunkenen russischen Soldaten bis hin zum Zerschlagen von sich versammelnden Großverbänden im rückwärtigen Raum.



    Und dazu braucht es die Bereitschaft, das entsprechend einzusetzen, selbst wenn Russland sonst mit Nuklearkrieg droht.

    Die deutsche Linke und vorallem Pseudolinke ist natürlich schon bei der Erwähnung von militärischer Macht mit Schnappatmung ausgestiegen.

    Für alle anderen gucken wir mal ins Baltikum: Russland kann dort nach Belieben Unterseekabel beschädigen und im Luftraum provozieren.

    Also: Nein.

    • @metalhead86:

      Schnappatmung kann man bekommen, wenn man liest - die Ukraine hat 757 Soldaten von Russland übergeben bekommen und sollen nun identifiziert werden.

  • Wenn den Europäern nicht irgendwann der große Wurf gelingt, versinken sie bestenfalls in der Bedeutungslosigkeit und schlechtestenfalls werden sie zwischen den Supermächten zerschlagen und aufgeteilt.

    Europas Nationalstaaten sollten die nationale Souveränität an eine direkt gewählte Europäische Regierung abgegeben.

    Darüber hinaus sollten auf lange Frist Gesundheits und Sozialsysteme harmonisiert sowie ein Europäische Militärhaushalt sowie eine Armee geschaffen werden.

    Gemeinsame Schulden sind unabdingbar. Auch wenn das heißt, dass Deutschland für französische Schulden haftet.

    Im Gegenzug muss es aber effektive Sanktionsmechanismen geben, zb gegen Länder die mit ihren horrenden Staatsverschuldungen in den Staatsbankrott schlittern.

    Letztenendes läuft es auf eine Auflösung der Nationalstaaten hinaus.

  • Es wird Zeit, daß sich die Deutschen und die Europäer der Wahrheit stellen: Die USA und Russland sind beide Feinde Europas und damit auch Deutschlands, vor allen Dingen sind die USA schon lange keine Freunde von Deutschland mehr, noch weniger von Europa wie es eben noch Steinmeier behauptet hat.

  • "....der US-Atomschirm ist wahrscheinlich eh nicht mehr viel wert.""

    ===

    Scholz ruft in seiner Rede zu einer weiteren, starken Unterstützung der Ukraine im Abwehrkampf gegen den russischen Angriffskrieg auf.

    „Ein Krieg mitten in Europa ist eine Notlage. Ich bin mir sicher, dafür wird es nach der Wahl eine Mehrheit geben“, sagte er. Um weitere Unterstützung mobilisieren zu können, plädiert er für eine Reform der Schuldenbremse.

    „Auch dafür wird es nach der Wahl eine Mehrheit geben“,



    so Scholz.

    ====

    Gothograecus -- sind sie sicher das sie momentan informiert sind



    was im Jahr 2025 in Europa passiert?

  • Man kann über die Politik der noch demokratisch gesonnenen konservativen Politiker nur den Kopf schütteln. Wir befinden uns seit Trump-0.1 in einem neuen Wettstreit, oder besser Konflikt, der Systeme, des rechten faschistoiden Merkantilusmus' gegenüber den westlichen Demokratien, wie wir sie noch begreifen. Nicht identische oder unterschiedliche Eigentums- oder Produktionsverhältnisse definieren einen "Block" (Ost oder West, Kommunisten oder Kapitalisten pp).

  • Vor allem sollen die Europäer einen faulen Frieden beschützen, einen Diktatfrieden. München 1938 2.0.

    Europa sollte dich darauf nicht einlassen oder gleich von sich aus die NATO auflösen, der US-Atomschirm ist wahrscheinlich eh nicht mehr viel wert.

  • Allerorten Wehklagen über den 'Absturz Europas' in die Zweitklassigkeit bzw. besser gesagt die recht nüchterne Feststellung, dass die relative Bedeutungslosigkeit schon länger bestand. Durchaus lustig, diese schrill-ohnmächtigen Töne.



    Dann natürlich viele Forderungen nach allerlei (größtenteils absurden) Konsequenzen, die offenbar daraus gezogen werden sollten, falsche Fragen mit noch falscheren Antworten.

    • @Earl Offa:

      An diesem gesmten Komplex kann man nichts, gar nichts lustig finden.

  • Sind die 27 Mitgliedstaaten dem gewachsen? Das sind sie nicht - jedenfalls nicht unter dieser "Führung". Planloses Dahinwurschteln und Appeasement gegenüber Trump, das ist alles was vdL zustande bringt, inhaltlich und insebondere strategisch hat sie nichts, gar nichts zu bieten. Im Gegenteil, sie flirtet selbst mit Rechtsradikalen und Manfred Weber sieht ebenso wie sein CSU-Führer die GRÜNEN als Hauptgegner. Von dieser Sorte Personal haben wir aus Ungarn, Italien, Österreich, Niederlande und dem Balkan noch reichlich mehr. Wie sollen diese Populisten (und das ist seeeehr vorsichtig ausgedrückt) denn dem rechtsradikalen, undemokratischen Regime in Washington Paroli bieten - wenn sie es denn wollten?

  • Die Einmischung der USA in den deutschen Wahlkampf und des Hofierens der AfD ist nicht nur inakzeptabel, sondern ein Angriff auf die Demokratie. Die USA vergleicht die EU und Deutschland mit autokratischen Staaten, die Folter und Menschenrechtsverletzungen zur Agenda haben. Die scheinbaren Friedensverhandlungen zwischen USA, Ukraine und Russland ist seitens der USA ein Diktatfrieden für die Ukraine. Die USA wird sich aus Europa entfernen. Nicht nur militärisch ist dieser Rückzug, sondern auch hinsichtlich ehemaliger geteilter Werte und Überzeugungen. Die USA bewegt sich in der Mentalität genau diesen autokratischen Systemen hingewandt zu. Ein Bündnisfall zur Sicherung nach dem sog. Friedensvertrag schließt die USA aus. Wenn Russland die EU angreifen sollte, gibt es keine US-Unterstützung. Dies ist das Ergebnis der Münchener Sicherheitskonferenz, nach definitiver Aussage des US-Vizepräsidenten Vance.



    Bisher war ich sehr skeptisch bezüglich EU-Beitritt der Ukraine. Dies hat sich grundlegend geändert. Denn ohne Ukraine wird die EU und die Ukraine ohne die EU nicht nur geschwächt, sondern macht sich unglaubwürdig hinsichtlich gemeinsamer Werte. EU-Beitritt der Ukraine lieber gestern.

    • @Alucard_Marcuse:

      "Wenn Russland die EU angreifen sollte, gibt es keine US-Unterstützung." das ist jetzt die neue Situation.



      "EU-Beitritt der Ukraine lieber gestern." wie soll die EU die Ikraine schützen? Es ist 3 Jahre nicht passiert, woher die Zuversicht dass jetzt irgendwer in der EU militärisch eingreifen will? Ohne Militär bliebe es nur Symbolik, dann lieber gleich lassen.

      • @nutzer:

        "".....das ist jetzt die neue Situation.""



        ===



        Scholz votiert für Ausnahmen im EU-Stabilitätspakt für Verteidigungsausgaben

        Scholz spricht sich für eine Anpassung des Stabilitätspakts der EU zugunsten höherer Verteidigungsausgaben aus. Er schlägt eine entsprechende Ausnahme vor „für alle Investitionen in Verteidigungsgüter, die oberhalb unseres bisherigen Nato-Ziels von zwei Prozent liegen“, sagte Scholz am Samstag. Diese Ausnahme solle „zeitlich befristet und unter Wahrung der fiskalischen Solidität aller Mitgliedstaaten“ sein.

        Russland schafft keinen Frieden

        Scholz fordert, in den Verhandlungen mit Russland eine „souveräne Unabhängigkeit“ der Ukraine zu achten. „Die Ukraine muss am Ende jeder Verhandlungslösung über Streitkräfte verfügen, mit denen sie jeden erneuten russischen Angriff abwehren kann. Finanziell, materiell und logistisch wird das eine enorme Herausforderung“, sagte der Bundeskanzler. Dafür werden die Europäer und transatlantische Partner gebraucht.

        Ein Sieg Russlands oder ein Zusammenbruch der Ukraine würden keinen Frieden schaffen, warnte er.

        ===

        Nutzer - warum werfen sie die Flinte ins Korn?



        Der Bundeskanzler macht das doch auch nicht.

        • @zartbitter:

          es ist eher Frust. Der Frust darüber, dass 3 Jahre Passivität, lediglich reagieren und nicht agieren (das meine ich generell, auch in Bezug auf Verhandlungen, nicht nur militärisch!) die die EU in eine direkte Frontstellung mit Russland manövriert haben. Jetzt bleibt halt nur noch Aufrüstung, um Russland ein Gegengewicht entgegenzusetzen.



          Ganz eigennützig haben wir unsere Chance gehabt, diesen Konflikt durch dritte, nämlich die Ukraine austragen zu lassen (auch wenn sich dieser Gedankengang verbietet, dennoch war es der Puffer, auf dem wir uns ausruhen konnten) Aber mit 3 Jahren moralischen Appellen und Maximalforderungen macht man keine Realpolitik. Lieber weniger fordern, dafür kleinere reale Handlungen, aber genau das sehe ich eben nicht, gesellschaftlich ist es auch nicht gewollt. Und genau in diese Kategorie fallen, die Empörungen und aktuellen Aufrufe der dt. Politik. Es fehlt der Glaube, dass mehr geschieht als zu fordern.



          (Kleiner Nachschub, ich plädiere nicht für ein rein militärisches Agieren, sondern für Handeln. Was das bedeutet muß eben politisch entschieden werden. Wer "Geht nicht, weil... " sagt, muß dann sagen, wie und was stattdessen geschehen soll)

          • @nutzer:

            Ich bin fassungslos.



            Europa wird angegriffen und das einzige auf was der imperialistische Angreifer reagieren wird ist Stärke. Russland bereitet sich seit 2 bis 3 Jahren auf einen Krieg gegen Staaten der EU vor.

            Haben sich Russlands Angriffe gegen die Bundesrepublik noch nicht herumgesprochen?