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Zukunft der PflegefinanzierungUnd es wird weiter geprüft

Bund und Länder haben Eckpunkte für eine Pflegereform vorgestellt. Sie setzen auf Prävention – auf eine stabile Finanzierung konnten sie sich aber nicht einigen.

„Roadmap ins Nirgendwo“? Bei den zentralen Fragen zur Sozialen Pflegeversicherung (SPV) blieben Bund und Länder vage Foto: maskot/plainpicture

Fünf Monate haben Bund und Länder sich beraten, am Donnerstagabend haben sie nun Eckpunkte für eine Reform der Sozialen Pflegeversicherung (SPV) vorgestellt. Zukünftig soll demnach ein stärkerer Fokus auf Prävention und die häusliche Pflege gelegt werden. „Der Knackpunkt ist und bleibt aber eine nachhaltige Finanzierung“, sagte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU). Konkrete Beschlüsse dazu konnten Bund und Länder allerdings nicht vorlegen. Im Januar soll es weitere Beratungen geben.

Die lange erwartete Vorstellung der Eckpunkte für eine Pflegereform fiel dementsprechend eher dürftig aus: Als „gute Grundlage für einen weiteren Prozess“, als „maßgebliche Vorschläge“ und als „gute Überlegungen“ bezeichneten neben Warken auch Hamburgs Senatorin für Gesundheit Melanie Schlotzhauer (SPD) und NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) das 47-seitige Papier zur „nachhaltigen Struktur- und Finanzierungsreform in der Pflegeversicherung“. Konkret wurde dieses in der Finanzierungsfrage jedoch nicht.

Einig ist man sich vor allem darin, dass Pflegebedürftigkeit durch Prävention möglichst vermieden werden sollte und dass es mehr Beratung und Schulung von Betroffenen und Angehörigen in der frühzeitigen Phase der Pflegebedürftigkeit geben soll. Denn auf pflegende Angehörige und ambulante Pflegedienste dürfte in Zukunft einiges zukommen. Die häusliche Pflege spiele eine zentrale Rolle im Pflegesystem, so Laumann: „Ohne die häusliche Pflege wäre das System vom Volumen und den Fachkräften nicht steuerbar und überhaupt nicht finanzierbar.“

Höhere Hürden für Pflegegrade

Dazu, wie die dynamische Situation aus steigendem Pflegebedarf und damit auch höheren Pflegekosten finanziert werden soll, konnte die Bund-Länder-Arbeitsgruppe nichts Konkretes sagen. Beibehalten will man das Teilleistungssystem der SPV, auch die 2017 eingeführten fünf Pflegegrade sollen beibehalten werden. Allerdings könnten zukünftig die Schwellenwerte für die Einstufung des Pflegegrades nach oben verschoben werden. Damit könnte es zukünftig schwerer werden, einen höheren Pflegegrad zu bekommen. Pflegegrad 1 soll doch beibehalten werden, jedoch nicht der Entlastungsbetrag von 131 Euro.

Die heute vorgelegte „Roadmap bleibt in den entscheiden den Fragen vage und stiftet mehr Verwirrung als Orientierung“

Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands

Um für die SPV ein Mehr auf der Einnahmenseite zu generieren, brachte die Hamburger Gesundheitssenatorin Schlotzhauer zum einen den Ausgleich zwischen privaten Pflegeversicherungen und der SPV ins Spiel und zum anderen die Einbeziehung aller Einkunftsarten wie beispielsweise Kapital- oder Mieteinkünfte. Ihr Kollege Laumann aus NRW äußerte sich da zurückhaltender: Sowohl Diskussionen über Einkunftsarten als auch eine Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze müssten im größeren Zusammenhang anderer Sozialversicherungssysteme gesehen werden.

Die Pläne von Bund und Ländern seien außerdem anschlussfähig an die Pläne der zeitgleich tagenden Sozialstaatskommission und der GKV-Kommission „FinanzKommission Gesundheit“. So wolle man weitere Finanzierungsfragen zu den stark belasteten Sozialversicherungssystemen – auch im Kontext der von den kommunalen Sozialämtern getragene Sozialleistung „Hilfe zur Pflege“ – gemeinsam klären. „Die Fragen sind größer und komplizierter als die Krankenhausreform, vor allem in so kurzer Zeit“, sagte Schlotzhauer.

Kritik: Roadmap ins Nirgendwo

Die Opposition im Bundestag kritisierte die Pläne. Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen sagte, es sei ernüchternd, dass der Bericht zwar Probleme klar beschreibe, bei Lösungen aber unverbindlich, teilweise sogar widersprüchlich bleibe. „Die Pflege braucht jetzt klare politische Entscheidungen – nicht weitere Prüfaufträge.“ Ein „mutloses Papier“ nannte es Evelyn Schötz von der Linksfraktion.

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen, der auch die Pflegekassen vertritt, äußerte sich enttäuscht. Aus angekündigten Eckpunkten seien unverbindliche Optionen geworden, sagte Verbandschef Oliver Blatt. „Konkrete und abgestimmte Lösungsvorschläge sucht man vergeblich.“

„Die heute vorgelegte „Roadmap“ bleibt in den entscheidenden Fragen vage und stiftet mehr Verwirrung als Orientierung“, sagte auch Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands. Weder werde den Beitragszahlenden von Bund und Ländern eine klare Finanzierungsperspektive für die versicherungsfremden Leistungen in der SPV gemacht, noch finden sich in dem Papier Aussagen zur steuerfinanzierten Weiterentwicklung des Pflegevorsorgefonds, heißt es weiter. Auch Vorschläge zur Umsetzung eines staatlich finanzierten Sozialausgleichs für den diskutierten Fall einer obligatorischen Pflegezusatzversicherung suche man in dem Papier vergeblich.

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