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Zukunft der Containerhäfen im NordenDas wars mit Bremerhaven

Mit einem Verteilerhafen in Marokko will das Unternehmen Eurogate, die Warenströme neu ordnen. Verlierer dürften Hamburg und Bremerhaven sein.

Eurogate spielt Tetris: Wie viele Container passen aufs Schiff? Foto: dpa

Bremen taz | Die Zukunft beginnt am 1. Juli 2020, und für die großen deutschen Häfen Hamburg und Bremerhaven wird sie keine rosige sein. An jenem Sommertag will Europas größter Hafenlogistiker, die Bremer Eurogate-Gruppe, den Ausbau ihres Containerhafens im marokkanischen Tanger abgeschlossen haben und den Vollbetrieb aufnehmen.

Mittelfristig wird das für die beiden größten deutschen Häfen an Elbe und Weser zu einem dramatischem Bedeutungsverlust führen. Der Abstieg von Hamburg und Bremerhaven von Welt- zu Regionalhäfen wird sich beschleunigen.

In Tanger an der Straße von Gibraltar baut Eurogate an einer Drehscheibe für den Güterumschlag zwischen Europa und Ostasien. „Marokko ist unser Star“, freute sich am Mittwoch Thomas Eckelmann, Vorstandschef von Eurogate, bei der Bilanzpressekonferenz für das Jahr 2018 in Bremen. „Wir haben da eine ganz tolle Entwicklung.“ Das erste Terminal dort sei „voll ausgelastet“, sagt Eckelmann. Knapp 1,4 Millionen Standardcontainer (TEU) sind dort im vorigen Jahr wie auch schon 2017 umgeschlagen worden.

Und Eurogate investiert weiter in den Ausbau von Tanger, das direkt an der Fahrtroute nach China, Japan und Korea liegt. Ein zweites und genau so großes Terminal wird derzeit errichtet, das mit einer Wassertiefe von 18 Metern und einem Wendekreis von 900 Metern auch die allergrößten Containerriesen abfertigen kann – mehr als 400 Meter lang, mit 16 Meter Tiefgang und 23.000 Containern an Bord.

Riesenfrachter nicht mehr in Hamburg

Im Juli nächsten Jahres soll es den Betrieb aufnehmen. Dann werden die Bremer in Marokko mindestens 3,5 Millionen TEU umschlagen können – zu Lasten der großen deutschen Häfen. Denn mehr Reedereien spielten mit dem Gedanken, so Eckelmann, im Mittelmeer nur noch zwei Verteilerhäfen anzulaufen: das spanische Algeciras und vis-à-vis eben Tanger. „Das würden Transshipmenthäfen“, sagt Eckelmann.

Norddeutsche Häfen

Die drei größten deutschen Häfen sind Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven.

Der Containerumschlag sank 2018 in Hamburg um ein Prozent auf 8,7 Millionen Standardcontainer (TEU), in Bremerhaven um 1,3 Prozent auf 5,4 Millionen. In Wilhelmshaven wuchs der Umschlag um 18,3 Prozent auf 656.000.

Eurogate ist mit 14,1 Millionen TEU Europas größter Terminalbetreiber. Das Unternehmen betreibt 14 Terminals in Deutschland, Russland, Italien, Portugal, Marokko und Zypern.

2017 schlug Eurogate in Bremerhaven, Wilhelmshaven und auf ihrem Terminal in Hamburg zusammen 7,76 Millionen TEU um. Nummer zwei in Deutschland ist die Hamburger HHLA mit 7,34 Millionen TEU

Diese Entwicklung würde es ermöglichen, die Riesenfrachter nur noch zwischen Fernost und dem westlichen Ende des Mittelmeers verkehren zu lassen. Die mittelgroßen Schiffe für den Weitervertrieb in Nord- und Ostsee wären in allen Häfen Nordeuropas problemlos abzufertigen; die Mega­frachter wären mindestens eine Woche früher wieder in Shanghai, Hongkong oder Singapur und könnten ihre Rentabilität steigern. Er verstehe gar nicht, hatte Eckelmann bereits vor zwei Jahren verlauten lassen, „warum die überhaupt noch den Atlantik hoch bis in die Nordsee pütschern“.

Für die bislang führenden Containerhäfen Europas in der sogenannten Nordrange brächte das neue Herausforderungen mit sich. Vor allem Hamburg und Bremerhaven dürften dann Rang, Umsatz, Wertschöpfung und Arbeitsplätze einbüßen. Profitieren könnte von dieser Entwicklung hingegen Wilhelmshaven: Der Jade-Weser-Port mit einer Wassertiefe von 18 Metern und unbegrenztem Wendekreis könnte sogar die Megacarrier der übernächsten Generation abfertigen.

Eurogate ist in der Krise stabil

Eine neue Studie der chinesischen Staatsreederei Cosco skizziert Frachter von 435 Metern Länge, mehr als 60 Metern Breite, 17 Metern Tiefgang und einer Ladekapazität von 25.000 Containern. Zu Beginn des Jahrtausends hatten Standardfrachter noch eine Kapazität von einem Drittel davon: 8.500 TEU war vor 15 Jahren das Maß der Dinge.

Eurogate sei solide, sagte Eckelmanns Co-Geschäftsführer Michael Blach bei der Vorstellung der Bilanz. Der Umschlag sei mit mehr als 14 Millionen TEU stabil, der Umsatzrückgang um 0,6 Prozent minimal, der Überschuss mit 67 Millionen Euro auskömmlich. Bei 14 Terminals in sechs europäischen Ländern an vier Meeren lassen sich Einbußen in einem Hafen durch Zuwächse in anderen kompensieren. Und deshalb kommt Eurogate viel stabiler als andere durch die seit über einem Jahrzehnt andauernde Krise der Frachtschifffahrt.

Und so werde es auch im laufenden Jahr weitergehen, prophezeit Blach, Eckelmanns Co-Vorsitzender. Die Belegschaft mit gut 8.000 Beschäftigten international, davon 4.400 an den drei norddeutschen Standorten, wachse sogar leicht.

Allerdings geht Eurogate von Umschichtungen zu Gunsten von Wilhelmshaven aus. Hamburg und Bremerhaven machten 2018 leichte Verluste, Wilhelmshaven hingegen legte im dritten Jahr in Folge zweistellig zu: um 18,3 Prozent auf 656.000 TEU. Allerdings ist die Kapazität von 2,7 Millionen TEU noch lange nicht erreicht. Aber bei einer Million Standardcontainer sei die Rentabilitätsschwelle erreicht, sagt Blach, „und dann fangen wir an, über eine Erweiterung nachzudenken“.

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6 Kommentare

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  • Selbst im größten Containerhafen der Welt, Shanghai, finden die großen Containerschiffe nicht eine volle Ladung zu einem Zeitpunkt an einem Kai, die sie löschen und wieder aufpacken können. Deshalb fahren sie in Ostasien und in Europa Schleifen, auf denen sie einen Teil der Ladung austauschen. Innerhalb einer Schleife fahren sie nicht ausgelastet, in Hamburg z.B. nur halb beladen, weshalb sie nie ihren maximalen Tiefgang erreichen und die Elbvertiefung sowieso nicht bräuchten.

    Je größer das Schiff und das darin investierte Geld, desto ärgerlicher ist es, wenn es die Schleife nicht ausgelastet fährt. Dafür bietet Eurogate nun die Lösung. Die Schiffsklasse über 20 000 TEU (im Bau sind schon 23 000 TEUer) fährt mit über 90% Auslastung bis Tanger und zurück bis China? Singapur?, und die Boxen werden auf kleinere Schiffe nach den eigentlichen Zielhäfen verteilt. Es ist das altbewährte Feeder-System, nur dass die Feeder nicht mehr 1000 TEU, sondern 5000 TEU tragen.

    Die Hauptlast liegt derzeit auf Schiffen der 14 000 TEU-Klasse. Die werden weiterhin bis in die Nordrange und sogar Ostsee (Danzig) fahren. Deshalb, und weil ja auch die Feeder aus Tanger abgefertigt werden müssen, brauchen die Häfen keine Angst vor Ladungsverlusten haben. Über die Umschlag-Kapazität Tangers von 4 Mio. TEU kann Rotterdam nur lächeln, dort werden aktuell 13 Mio. TEU pro Jahr umgeschlagen, mit viel Luft nach oben, und 20 m Tiefgang nach unten. Angenehm für die Reeder: die Überkapazität der Nordrange-Häfen lässt kommoder disponieren.

    Hamburgs Senat aber hat die Lage nicht erkannt, und investiert sinnlos Geld in die Elbvertiefung. Damit hat die Stadt nicht mehr genug Kapital für den Hafen selbst und muss Hafengrundstücke an einen chinesischen Investor verkaufen. Hamburg geht den Weg Griechenlands, und da wünsche ich dem Hansepack einen Sparkommissar wie Schäuble.

  • Elbvertiefung sofort stoppen!

  • weniger schiffsdiesel-kontamination:super!

  • Mag ja sein, dass in Zukunft mehr große Pötte Tanger anlaufen werden, aber was soll eine Ware denn in Marokko, wenn sie in Hamburg, in NRW, in Baden-Württemberg, in Bayern oder in Berlin gebraucht wird? Damit wird doch wohl in erster Linie konsequenterweise auf einen wachsenden afrikanischen Markt gesetzt. Alles kein Grund zur Beruhigung.

    • 8G
      83492 (Profil gelöscht)
      @Rainer B.:

      " Damit wird doch wohl in erster Linie konsequenterweise auf einen wachsenden afrikanischen Markt gesetzt. Alles kein Grund zur Beruhigung."

      Nein, das ist nicht der Plan. Tanger wird ein Umschlagsknoten, ab dem mittelgroße Schiffe die Ware nach Nordeuropa weiterverteilen. Sinn ist nur, die wirklich großen Containerschiffe effizient zu nutzen.

      "Die mittelgroßen Schiffe für den Weitervertrieb in Nord- und Ostsee wären in allen Häfen Nordeuropas problemlos abzufertigen; die Mega­frachter wären mindestens eine Woche früher wieder in Shanghai, Hongkong oder Singapur .."

      • @83492 (Profil gelöscht):

        Dann macht das doch auch durchaus Sinn, zumal sich Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven ja auf den Jade-Weser-Port als gemeinsamen Umschlagplatz hätten vertändigen können, was sie dann aber doch nicht wollten. Hamburg hat statt dessen lieber auf die x-te Elbvertiefung gesetzt. Selbst Schuld, kann ich da nur sagen.