Zug von Deutschland nach Großbritannien: Mit 20 Jahren Verspätung nach London
Zwei Bahnen arbeiten an einer Direktstrecke von Deutschland in die britische Metropole London. Zugverkehr ist wieder in, lange Reisen schrecken kaum ab.
Gemeinsam mit dem britischen Bahnunternehmen Eurostar will die Bahn die neue Route betreiben. Reisen werden die Fahrgäste nicht im ICE, sondern in neuen Zügen von Eurostar. Die heutigen ICEs erfüllen die technischen Anforderungen für die Nutzung der Schienenwege in England nicht. Eine entsprechende Nachrüstung käme teuer.
Bis zu 50 neue Züge will das mehrheitlich der französischen Staatsbahn SNCF gehörende Unternehmen Eurostar bestellen, um seinen grenzüberschreitenden Verkehr auszubauen. Dazu gehören den Plänen nach täglich vier Direktverbindungen nach Deutschland.
Wo der Zug hierzulande starten wird, ist offen. Frankfurt und Köln sind die favorisierten Standorte. Das Problem: Aufgrund der schwierigen Rechtslage muss die Grenzabfertigung schon am Startbahnhof erfolgen. Dafür wird ein eigener, abgeschlossener Terminal benötigt. Das erfordert Platz an den ohnehin stark geforderten Knotenbahnhöfen – und muss finanziert werden.
Aufwändige Fahrt durch den Kanaltunnel
Mindestens fünf Stunden soll die Fahrt dauern, eine erhebliche Konkurrenz für den Flugverkehr auf die Insel. Derzeit gibt es schon sechs tägliche Verbindungen, allerdings mit Umsteigen in Brüssel. Auch dauert die Reise in der kürzesten Variante sechseinhalb Stunden. Wer Pech hat, steigt vier Mal um und verbringt mehr als acht Stunden im Zug.
Wie aufwändig eine Fahrt mit dem ICE durch den Kanaltunnel ist, hat die Bahn schon beim ersten Anlauf vor 15 Jahren erfahren. Damals durften eigentlich nur durchgängig begehbare Züge mit wenigstens 400 Metern Länge das Bauwerk passieren. Mit Hunderten Komparsen musste die Bahn auf Testfahrten beweisen, dass auch zwei gekoppelte kurze ICEs notfalls in der Röhre sicher geräumt werden können. Inzwischen dürfen zwar auch kürzere Züge unter dem Meer fahren, doch lohnen sich angesichts der hohen Trassengebühren dort nur Verkehre mit möglichst vielen Passagieren und entsprechend langen Waggonreihen.
Der internationale Bahnverkehr zieht immer mehr Fahrgäste an. Erst kürzlich hat die Deutschen Bahn gemeinsam mit der italienischen Staatsbahn betriebene neue Linienverkehre von München in italienische Metropolen angekündigt. Mit der Einweihung von Stuttgart 21 soll auch ein Linienverkehr zwischen München und Paris aufgenommen werden. Hier rechnet die Bahn mit einer so großen Resonanz wie auf anderen Strecken.
Lange Reisezeiten schrecken wenige ab
Zwischen Stuttgart und Paris hat das Unternehmen Insidern zufolge im Vergleich zum Luftverkehr einen Marktanteil von 90 Prozent erreicht. Fünf Mal täglich sollen die Münchner künftig in die französische Hauptstadt reisen können. Länger dauern wird eine dreistündige Reise von Hamburg nach Kopenhagen. Sie wird allerdings erst mit der Fertigstellung des Fehmarnbelt-Tunnels angepeilt. Im kommenden Jahrzehnt ist damit noch nicht zu rechnen.
Im Gegensatz zu bisherigen Annahmen schrecken lange Reisezeiten nur wenige Fahrgäste ab. Im Gegenteil: Eine aktuelle Studie der Bahn belegt, dass gerade grenzüberschreitende Verkehre mit Reisezeiten von mehr als vier Stunden starke Wachstumsraten verzeichnen. Auf kurzen und mittleren Strecken stiegen die Fahrgastzahlen um 1,5 Prozent, auf den beliebtesten internationalen Relationen um 5,6 Prozent.
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