Zu wenige Prozesse gegen Nazis: Harte Kritik an deutscher Justiz
Der Vizepräsident des Auschwitzkomitees kritisiert, dass viele NS-Täter:innen nie angeklagt und verurteilt wurden. Jüngste Prozesse gegen KZ-Personal kämen viel zu spät.
Dass Täter:innen erst jetzt zur Verantwortung gezogen werden, sei „ein Versagen und ein Versäumnis der deutschen Justiz, das sich über Jahrzehnte erstreckt hat“, so Heubner. „Die Überlebenden, die jetzt auch alle hochbetagt sind, haben ihr ganzes Leben darauf gewartet, dass die Täter zur Verantwortung gezogen werden.“
Anlass für die Kritik sind zwei aktuelle Anklagen, die derzeit geprüft werden: beim Landgericht Itzehoe gegen eine 95-jährige ehemalige Sekretärin des Konzentrationslagers Stutthof und beim Landgericht Neuruppin gegen einen 100-jährigen ehemaligen Wachmann des Lagers Sachsenhausen.
„Die Überlebenden wollten nie Rache, sie wollten und wollen Gerechtigkeit“, sagte Heubner. „Nicht nur für sie hat die Gerechtigkeit kein Verfallsdatum.“ Deshalb seien diese Prozesse noch immer wichtig, auch wenn mittlerweile die Täter:innen und die überlebenden Opfer ein hohes Alter erreicht hätten.
Mittlerweile habe sich in der deutschen Rechtsprechung die Auffassung durchgesetzt, dass jeder Mensch, der in „dem Mordsystem und Räderwerk“ eines deutschen Vernichtungslagers Dienst getan hat, auch mitverantwortlich sei für die „Demütigung, die Qual und die Ermordung der Häftlinge“. Zu diesem Räderwerk gehörten auch die angeklagte ehemalige Sekretärin und der angeklagte frühere Wachmann, sagte Heubner den Funke-Zeitungen.
Für die Überlebenden wirke es „fast bizarr, dass diese Prozesse in einer Zeit stattfinden, in der neue Nazis schon wieder zu Hass aufrufen und das verherrlichen, was in den Lagern geschehen ist“, sagte Heubner.
Das Internationale Auschwitz Komitee ist ein Zusammenschluss von Auschwitz-Überlebenden und ihren Organisationen. Ihm gehören Organisationen, Stiftungen und Holocaust-Überlebende aus 19 Ländern an.
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