Zschäpes Verteidigung im NSU-Prozess: Kein Wechsel in Sicht
Das Münchner Gericht wird laut NSU-Watch die Absetzung der Pflichtverteidigung Beate Zschäpes ablehnen. Die Gründe für einen Wechsel reichten nicht.
MÜNCHEN taz | Im Münchner Residenz Theater war gerade die Inszenierung „Urteil“ zu Ende gegangen. Der Raum im Marshallsaal wurde nach dem Stück für eine Podiumsdiskussion anlässlich des NSU-Prozesses umgebaut. An diesem Montagabend konnte Robert Andreasch von NSU-Watch eine Meldung schon bestätigen: „Frau Zschäpes Antrag auf Absetzung ihrer Pflichtverteidiger wird das Oberlandesgericht ablehnen.“
Am vergangenen Mittwoch hatte die Hauptbeschuldigte im NSU-Verfahren ihren Rechtsbeiständen Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm das Vertrauen entzogen. Bis zum Freitag gab der Vorsitzende Richter Manfred Götzel ihr die Möglichkeit der schriftlichen Begründung.
Kurz soll sie ausgefallen sein, sagt Andreasch, der mit Kolleginnen und Kollegen von NSU-Wacht jeden der über 120 Verhandlungstage verfolgte und Protokolle darüber veröffentlichte – in Deutsch und Türkisch.
Bereits am Montagmittag war eine Entscheidung des Gerichtes erwartet worden, das sich aber mehr Zeit zugestand. Die Richtung der Entscheidung ließ sich schon vorab erahnen: Richter Manfred Götzl hatte schon am Montag angekündigt, am darauf folgenden Tag mit dem geplanten Prozessprogramm fortfahren zu wollen.
Der „doppelte Verrat“
Den Antrag hatte das Gericht in einer nicht-öffentlichen Beratung verhandelt, da es, so eine Gerichtssprecherin um „höchstpersönliche Umstände“ zwischen Beschuldigter und ihrem Rechtsbeistand ginge.
Das Gericht soll zu der Entscheidung gekommen sein, den Antrag der Hauptangeklagten auf Entpflichtung ihrer Anwälte zurückzuweisen, weil Zschäpe keine konkreten Anhaltspunkte für eine endgültige und nachhaltige Erschütterung des Vertrauensverhältnisses vorgebracht hätte.
In der vergangenen Woche hatte nicht nur Nebenklageanwalt Alexander Hoffmann der taz mitgeteilt, dass für die Entziehung des Mandates „Gravierendes“ vorfallen müsste. Auch Nebenkläger und Angehörige der Opfer erklärten, ein vollständiger Wechsel der Verteidigung Zschäpes sei nicht zu erwarten.
Ein Motiv für Zschäpes angestrebten Vertrauensentzug könnte der „doppelte Verrat“ des früheren Anführers des „Thüringer Heimatschutzes“ und ehemaligen V-Mannes Tino Brandt sein, so Hoffmann.
Nur ein „nationaler Sozialist“
Der Nebenanklageanwalt erläuterte, dass Brandt die Szene, zu der auch das NSU-Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Zschäpe fest gehörten, radikalisiert habe: „Er entwickelte militante, gewalttätige Strategien gegen politische Gegner, konspirative Verhaltensweisen, propagierte den bewaffneten Kampf, und all das im Auftrag und mit dem Geld des Verfassungsschutzes“.
Am Verhandlungstag griff die Verteidigung Zschäpes Brandt aber kaum an, der sich als vermeintlich legal arbeitender „nationaler Sozialist“ gerierte und Gewalttätigkeit trotz diverser Verfahren von sich wies.
„Sicherlich hätte Zschäpe erwartet, dass ihre Verteidigung diesem Zeugen über den Mund fährt, ihn und den Verfassungsschutz angreift, bloßstellt“ sagt Hoffmann. Stattdessen bestätigte Brandt die Anklage, Zschäpe habe politisch bewusst und eigenständig gehandelt.
Der Generalbundesanwalt wirft ihr vor, als vollwertiges Mitglied des NSU für zehn motivierte Morde und zwei Bombenanschläge verantwortlich zu sein.
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