Zivile Luftbrücke nach Afghanistan: Rettung per Charterflug

NGOs und Flüchtlingsorganisationen wollen eine zivile Luftbrücke nach Afghanistan aufbauen, gechartertes Flugzeug inklusive. Details sind noch unklar.

Frau hält ein Schild hoch "Luftbrücke jetzt !!"

40.000 Menschen sollen vergangene Woche für die Aufnahme afghanischer Flüchtlinge protestiert haben Foto: Paul Zinken/dpa

BERLIN taz | Flüchtlingspolitische Organisationen wollen eine zivile Luftbrücke nach Afghanistan aufbauen. „Wir haben einen Charterflug nach Kabul, um die Evakuierung zu unterstützen“, erklärte Erik Marquardt, der für die Grünen im Europaparlament sitzt und sich seit Jahren in der Flüchtlingspolitik engagiert. In einem Videostatement am Montagabend, das sich rasant über Twitter verbreitete, ruft Marquardt zu Spenden für die „Kabul Luftbrücke“ auf. Zahlreiche Nut­ze­r*in­nen schrieben, dass sie bereits gespendet hätten.

„Abläufe der deutschen Bürokratie verhindern Flexibilität“, klagen die Initiativen

„Es wird eine Zeit geben, da muss man das Versagen dieser Bundesregierung aufarbeiten, aber jetzt ist erst mal die Zeit der Rettung, der Evakuierung“, sagt Marquardt in dem Video. Es verweist auf die Website „kabulluftbruecke.de“ von Marquardts Verein Civil Fleet, den er eigentlich für Seenothilfe im Mittelmeer gegründet hat.

Die Rettungsaktion für Afghanistan haben Initiativen und Bündnisse wie Leave no one behind, Seebrücke, Sea Watch und weitere humanitäre NGOs ins Leben gerufen – „auch in Absprache mit der Bundesregierung“, wie Marquardt sagt. Mit den Spenden wolle man weitere Charterflüge finanzieren. „Je mehr gespendet wird, desto mehr Menschen haben die Chancen auf Evakuierung.“

Auf dem Telegram-Kanal der Initiative Leave no one behind heißt es, dass der erste Flug bereits durch Spenden finanziert sei und am Mittwoch abheben soll. Dies sei jedoch nur der Anfang: Man habe „Listen von Personen, die gerettet werden müssen“ – und das Zeitfenster für Evakuierungen könne sich jederzeit schließen. Gleichzeitig warnte die Initiative Betroffene davor, einfach so zum Flughafen zu kommen. Jeder, der mitgenommen werden könne, werde persönlich informiert. Es sei „sehr gefährlich, einfach zum Flughafen zu kommen, ohne dazu aufgefordert worden zu sein“, heißt es.

Kritik an „deutscher Bürokratie“

Wie genau die zivile Luftbrücke funktionieren soll, ist derzeit allerdings noch unklar: Also etwa, in welchem Bereich des Kabuler Flughafens ein ziviler Charterflieger landen soll. Ebenso ist offen, wie Menschen der sichere Zugang zum Flughafen ermöglicht werden soll, welche Personengruppen durch Charterflieger gerettet werden könnten oder wohin genau diese ausgeflogen werden sollen. Auf taz-Anfragen hieß es am Dienstag, dass noch keine Pressearbeit dazu stattfinde, weil derzeit „operative Fragen im Vordergrund“ stünden. Angesichts der komplexen Lage sei es schwierig, Details herauszugeben.

Aus Kreisen des Auswärtigen Amts war zu hören, dass die Bundesregierung tatsächlich im Austausch mit der Initiative Luftbrücke Kabul steht. Ziel sei es, so viele schutzbedürftige Personen wie möglich zu evakuieren, wobei man auch private Anstrengungen unterstütze. Die Entscheidung, ob private Maschinen eine Landeerlaubnis in Kabul erhalten können, liege allerdings nicht bei der Bundesregierung. Die US-Regierung habe die Kontrolle über die Flugbewegungen und werde eine Entscheidung mit Blick auf die Sicherheitslage treffen.

Die Luftbrücke Kabul hat sich wohl auch deswegen aufgestellt, weil es viel Kritik an bürokratischen Hürden beim Evakuierungseinsatz der Bundeswehr gibt. In einem FAQ auf der Website der Kabuler Luftbrücke heißt es auf die Frage „Warum macht das nicht die Regierung?“: „Das fragen wir uns auch.“ Man arbeite zwar eng mit dem Lagezentrum und dem Einsatzführungskommando zusammen. Aber: „Die bürokratischen Abläufe der deutschen Bürokratie verhindern jedoch an vielen Stellen Flexibilität, die wir sicherstellen können.“

Weiter heißt es, dass Formalia bereits geklärt seien und man mit Hunderten Menschen in Kontakt stehe. Zudem erwarte man, dass sich die Möglichkeiten zum Flughafen zu kommen in den nächsten Tagen verbessern würden – „sei es auf dem Land oder auf dem Luftweg“. Sollte der Flughafen dichtgemacht werden und es keine Möglichkeiten mehr für eine Luftbrücke geben, wollen die Organisationen das Geld „für die humanitäre Hilfe und Menschen auf der Flucht einsetzen“.

Angesichts der dramatischen Situation in Afghanistan gab es in der vergangenen Woche nach Angaben des Bündnisses Seebrücke bundesweit über 100 Aktionen und Kundgebungen von insgesamt 40.000 Personen für die Aufnahme Geflüchteter aus Kabul. Konkrete Forderungen finden sich auch auf der Website der Luftbrücke: unbürokratische Hilfe, Evakuierung für alle von den Taliban gefährdeten Personen, so viele Flüge wie möglich und keine Kriminalisierung von Flucht.

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