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Zivildienst im HandwerkNützlich, aber nicht gemeinnützig

Simon Poelchau

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Simon Poelchau

Der Handwerksverband fordert einen Zivildienst in seiner Branche. Bessere Arbeitsbedingungen wären allerdings eine schlauere Option.

Zivis sollten gemeinnützige Arbeit leisten, etwa im Krankenhaus oder Altenheim und nicht auf der Straßenbaustelle Foto: Anton Geisser/imago

D en jungen Menschen wird in der aktuellen Wehrdienstdebatte viel abverlangt. Nicht nur, dass sie sich von viel älteren Politikern anhören müssen, warum sie fürs Land ihr Leben riskieren sollen. Sie müssen auch mit weiteren noch so abwegigen Begehrlichkeiten klarkommen, die nun an sie gestellt werden. Das jüngste Beispiel kommt jetzt vom Zentralverband des deutschen Handwerks: Wenn nun im Zuge eines neuen Wehrdienstes auch wieder der Zivildienst eingeführt würde, sollten die jungen Menschen ihn doch auch in Handwerksbetrieben ableisten, fordert Verbandsgeneralsekretär Holger Schwannecke. Schließlich sei das Handwerk entscheidend für die Sicherheit und Versorgung der Gesellschaft.

Natürlich wäre die Wiedereinführung des Zivildienstes sinnvoll -schließlich wird dabei Dienst an der Gesellschaft und nicht an der Waffe geleistet. Er muss bei einer Neuauflage der Wehrpflicht wegen des Grundrechts auf Kriegsdienstverweigerung sogar angeboten werden. Und manch Akademikersohn hat früher erst als Zivi Einblick in die harte Realität bekommen – etwa als sich er im Krankenhaus um Patienten kümmerte oder in der Küche eines Altenheims am Fließband Mittagessen portionierte. Für viele war dies vermutlich der einzige Ausflug ins manuelle Arbeitsleben.

Nur leider interpretieren die Handwerkslobbyisten das mit dem Dienst an der Gesellschaft etwas zu weit: Natürlich schaffen ihre Betriebe durchaus etwas Nützliches, aber nützlich ist eben auch die Kaufhalle nebenan. Trotzdem ist sie nicht gemeinnützig. Und genau das war ja das entscheidende Kriterium damals: Zivis sollten gemeinnützige Arbeit leisten, etwa im Krankenhaus oder Altenheim und nicht im Supermarkt an der Kasse oder auf der Straßenbaustelle. Deswegen sollte das Handwerk, wenn es denn wieder attraktiver für junge Leute werden will, eher überlegen, ihnen bessere Löhne und Arbeitsbedingungen zu bieten, anstatt ihnen Verständnis für noch mehr abwegige Forderungen abzuverlangen.

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Simon Poelchau
Redakteur
ist für Ökonomie im taz-Ressort Wirtschaft und Umwelt zuständig.
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1 Kommentar

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  • Oh, das ist fein. Ich habe hier noch eine Baustelle im Keller, die mir ein Handwerker gerne ehrenamtlich in Ordnung bringen darf. Nachweis über meinen geleisteten Zivildienst 1994/95 kann ich selbstverständlich vorlegen.