Zinserhöhung der EZB: Richtiger Schritt, aber mit Risiko
Die Zinserhöhung war nötig, um den Euro stabil zu halten. Zugleich besteht aber die Gefahr, dass sie die sowieso schon gebeutelte Wirtschaft bremst.
W erte sind eine Frage des Glaubens. Das gilt auch für materielle Werte. Wer, zum Beispiel, Dutzende Millionen für ein Gemälde ausgibt, glaubt, dass das Kunstwerk die Summe wert ist und man es zu diesem oder einem höheren Preis weiterverkaufen kann. Die Notierungen von Aktien oder Währungen spiegeln den Glauben der Händler:innen am Markt wider, welches der momentan angemessene Wert des Unternehmens beziehungsweise der Kurs des Geldes sei.
So gesehen musste die Europäische Zentralbank (EZB) jetzt handeln. Denn die am vergangenen Donnerstag verkündete Zinserhöhung um 0,5 Prozent berührt die Frage der Glaubwürdigkeit.
Bei 8,6 Prozent Inflation im Euroraum nichts zu tun ist keine Option. Die plausible Begründung dafür findet sich in Artikel 127 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. „Geldwertstabilität ist das vorrangige Ziel“ der Zentralbank, heißt es dort. Bei 8,6 Prozent Entwertung im Jahresvergleich ist der Geldwert aber nicht stabil, Ende der Durchsage.
Wenn die Notenbank jetzt nicht gehandelt hätte, kämen ernsthafte Zweifel daran auf, ob sie wirklich ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen und die Kaufkraft der Währung sichern will. Weil viele Börsenhändler:innen dann ihren Glauben an die Politik der EZB verlören, galoppierte die Inflation munter weiter und nähme möglicherweise noch zu.
Importe werden billiger
Aber handeln EZB-Präsidentin Christine Lagarde und ihre Kolleg:innen ökonomisch betrachtet richtig? Manche Kritiker:innen sagen, die aktuelle Inflation lasse sich durch die Zinserhöhung gar nicht bremsen. Denn die Ursachen des Preisauftriebs lägen vor allem in den Lieferproblemen auf den Weltmärkten und den Kostensteigerungen für importierte Energie, doch auf diese Faktoren habe die Geldpolitik der EZB keinen Einfluss.
Zumindest das zweite Argument trifft aber nicht zu. Denn als Folge der Zinserhöhung steigt der Kurs des Euro im Vergleich zum Dollar, wodurch sich die in US-Währung abgerechneten Energieimporte verbilligen.
Ein weiteres Gegenargument lautet, steigende Zinsen verschärften die Schuldenlast, die Euromitglieder wie Italien erdrückten. Einerseits zutreffend, andererseits hat die EZB ein neues Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen entwickelt, um im Notfall eine neue Eurokrise zu verhindern.
Trotzdem geht die EZB jetzt ein hohes Risiko ein. Die Zinserhöhung bremst ja die Wirtschaft insgesamt. Und das ist das Gegenteil dessen, was in der aktuellen Lage ratsam erscheint – schließlich geht das Wachstum sowieso schon zurück. Bleibt der Glaube, dass die Notenbank die wirtschaftliche Lage mit moderaten Zinserhöhungen einigermaßen manövrieren und zu große Schäden vermeiden kann.
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