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Zensur in ChinaDas Ende des Blogs

Ein Jahr vor Olympia ist in China von Pressefreiheit nicht viel zu spüren. Kritische Journalisten und Blogger landen in Gefängnis oder Psychiatrie

Einsatz für Shi Tao: Demo vor der Chinesischen Botschaft Bild: dpa

Die Tür öffnet sich tatsächlich. Doch nicht der chinesische Botschafter kommt heraus, sondern nur eine Reinigungskraft mit Staubsauger. Erstaunt sieht der junge Mann zu der Gruppe hinüber, die sich vor dem Zaun der Botschaft versammelt hat, bevor er rasch wieder verschwindet. Sonst lässt sich niemand blicken.

"Die chinesische Botschaft reagiert seit Jahren nicht auf unsere Angebote zum Dialog", sagt Dirk Pleiter, China-Experte von amnesty international (ai). 15.504 Unterschriften hat die deutsche Sektion der Menschenrechtsorganisation für die Freilassung des Journalisten Shi Tao gesammelt. Shi war 2005 wegen der Weitergabe von Staatsgeheimnissen zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Er hatte in einer E-Mail über die chinesische Pressezensur informiert.

Bislang weigerte sich der Botschafter, die Unterschriften entgegenzunehmen, weshalb ai zur gestrigen Kundgebung aufrief. Auch diesmal haben die etwa fünfzig Demonstranten kein Glück. Nichts regt sich, als ai-Generalsekretärin Barbara Lochbihler die Klingel drückt. Schließlich werfen sie und Pleiter die Unterschriftenbögen in den Briefkasten. Die Weigerung, die Unterschriften entgegenzunehmen, stehe im Gegensatz zu dem Versprechen der chinesischen Behörden, die Menschenrechtslage zu verbessern, kritisiert Lochbihler. Sie erwarte, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf ihrer am Sonntag beginnenden Chinareise "die katastrophale Menschenrechtslage" ansprechen werde.

"Der Fall Shi Tao ist charakteristisch für die Menschenrechtslage in China", sagt Pleiter. China habe bei der Bewerbung für die Olympischen Spiele mehr Pressefreiheit versprochen - stattdessen gebe es noch mehr Repression. Über 30.000 Polizisten überwachen nach ai-Angaben das Internet. 35 Journalisten und 51 Webdissidenten sitzen laut Reporter ohne Grenzen (ROG) in China hinter Gittern. Etwa He Weihua. Er hatte Artikel für die regimekritische Website "Boxun" verfasst. Peking reagierte mit üblicher Härte. Wie ROG gestern mitteilte, sei He Anfang des Monats festgenommen und - wie 2004 - in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen worden.

Schützenhilfe bekommt die kommunistische Führung in Peking von internationalen Internetfirmen. Schon bislang hatten Anbieter wie Yahoo - wie im Fall Shi Tao - zuweilen Nutzerdaten an Peking weitergegeben. Vor zwei Tagen wurden von mehreren Dienstleistern, darunter Yahoo und MSN, nun Regeln unterzeichnet, mit denen sie sich verpflichten, die Identität von Blogschreibern preiszugeben. Diese sollten "die Interessen des chinesischen Staates schützen" und vor dem 17. Parteitag der KP im Oktober eine "günstige Medienlandschaft" fördern, teilte die staatliche chinesische Internetgesellschaft mit. MSN bestätigte, einen "Pakt für Selbstdisziplinierung" unterzeichnet zu haben.

"Das ist das Ende des anonymen Blogs", kritisierte ROG gestern in einer in Peking veröffentlichten Erklärung. Die Organisation macht derzeit mit einem symbolträchtigen Bild auf die Unterdrückung von chinesischen Journalisten und Bloggern aufmerksam: fünf ineinander verflochtene Handschellen statt der olympischen Ringe.

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