Zeitgemäße Stellenanzeigen: Parkplatz statt Vätermonate
Mit Familienfreundlichkeit zu werben, ist für Unternehmen keineswegs selbstverständlich. Das schadet den Angestellten, ihnen selbst und der Gesellschaft.
U nbefristeter Arbeitsvertrag, 30 Tage Urlaub, ein wöchentlicher Homeoffice-Tag. Und als Benefits: genügend Parkplätze auf dem Firmengelände. So unter anderem wirbt der Baustoffproduzent Knauf für neue Mitarbeiter:innen, beispielsweise für einen kaufmännischern Leiter. In Klammern steht zwar „m/w/d“, also männlich, weiblich, divers. Die Vielfaltskarte zieht das Unternehmen mit Sitz in Iphofen in Unterfranken also.
Aber was ist mit flexiblen Arbeitszeiten? Was mit Teilzeit für Väter, auch in Leitungspositionen? Könnte ja sein, dass der neue kaufmännische Leiter seine Kinder regelmäßig aus der Kita abholen möchte. Vielleicht will er auch erst Vater werden und mehr als nur die meist üblichen zwei Vätermonate nehmen?
Fehlt weitgehend. Damit entspräche das Unternehmen, das die Knauf-Angehörigen zu einer der reichsten Familie in Deutschland gemacht hat, zu jenen Arbeitgeber:innen, die in ihren Stellenausschreibungen selten bis gar nicht mit Familienfreundlichkeit werben.
Kein Nice-to-have sondern Must-have
Nur jedes sechste öffentlich ausgeschriebene Jobangebot präsentiert sich familienfreundlich, hat die Bertelsmann Stiftung gerade in einer Studie herausgefunden. Das ist in einer Zeit des Fachkräftemangels nicht nur kontraproduktiv, sondern verkennt auch die gesellschaftliche Entwicklung: Insbesondere junge Menschen suchen sich ihre Jobs nach der Work-Life-Balance aus.
Nun muss man nicht jeden Trend bedienen und viele Jobs geben feste Strukturen und Zeitabläufe vor. Aber Familie und Beruf zu vereinbaren, ist heute kein Nice-to-have, sondern ein Must-have. Firmen, die das nicht verstanden haben, dürften es mit neuem Personal schwer haben.
Allerdings offenbart das Bertelsmann-Ergebnis auch, dass der feministische Backlash in vollem Gange ist: Wo Familienfreundlichkeit fehlt, ist jener Ernährertyp aus den 1950er Jahren gefragt, der das Geld ranschafft, während die Frau zu Hause Nudeln für die Kinder kocht. Ja, das ist der Zeitgeist und das ist fatal. Demgegenüber steht die Hoffnung, dass junge Menschen so nicht leben wollen.
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