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Zaun um den Görlitzer ParkDer Görli bleibt noch ein bisschen offen

Der umstrittene Zaun um den Görlitzer Park ist praktisch fertig, abgeschlossen wird aber erst mal noch nicht. Dafür gibt es mehrere Gründe.

Noch können alle rein (und wieder raus sowieso) Foto: IMAGO / Jürgen Held

Aus Berlin

Claudius Prößer

Am Ende ging es zumindest gefühlt doch noch schnell mit dem Zaun um den Görlitzer Park in Kreuzberg: Nachdem monatelang kaum Fortschritte sichtbar waren – und das erste Drehkreuz nach wenigen Tagen von GegnerInnen der „Umfriedung“ im benachbarten Kanal versenkt worden war –, sind nun Mitte Dezember die Arbeiten fast abgeschlossen. Trotzdem wird es mindestens bis März keine nächtliche Schließung des Areals geben, wie die Senatsumweltverwaltung nun bekannt gegeben hat.

Man werde zwar „noch vor Weihnachten“ die Bauabnahme machen, so Umweltstaatssekretär Andreas Kraus, nachts verriegelt werden sollen die Tore aber erst, „wenn die Temperaturen steigen und die Parksaison wieder beginnt“. Kraus nannte den 1. März als voraussichtlichen Starttermin einer Pilotphase bis Oktober. Mit ihr will der schwarz-rote Senat Dealerei und andere Delikte auf dem Areal zurückdrängen – zum Ärger vieler AnwohnerInnen und AktivistInnen, die die Beschränkung der Parknutzung ablehnen und eine Verdrängung von Drogenhandel und -konsum in die angrenzenden Kieze hinein befürchten.

Glaubt man der Senatsverwaltung, handelt es sich bei den zwei Monaten Karenz um eine freundliche Geste: „Ich möchte jetzt in einer Übergangszeit, bis sich die Menschen an nächtliche Schließungen gewöhnt haben, ihnen nicht im Winter zumuten, dass sie außen herum radeln müssen“, so Kraus. Mit der Zeit werde sich alles schon „einspielen“. Sobald es dann losgegangen sei, würden Sicherheitsdienste die BesucherInnen jeweils kurz vor dem Abschließen der Tore zum Verlassen des Parks auffordern.

Die zwei zusätzlichen Monate könnten aber auch schlicht und einfach der Tatsache geschuldet sein, dass die zu erwartende Auseinandersetzung mit dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg in etwa so lange dauern dürfte: „Wenn die Senatsverwaltung sich an die notwendigen Verfahrensschritte nach dem neuen Landesorganisationsgesetz hält und eine ordnungsgemäße Bekanntmachung der notwendigen Benutzungsregelung vornimmt, würde ein ordnungsgemäßes Verfahren zirka zwei Monate dauern“, sagt Bezirkssprecherin Sara Lühmann gegenüber der taz.

Die zwei Monate Aufschub sind keine freundliche Geste

Dieser Zeitraum ergibt sich, weil Bezirksamt und BVV klar gegen den Zaun sind. Sollte der Bezirk von Senatsebene angewiesen werden, eine Benutzungsregelung mit Schließzeiten anzuordnen, wird er dies unter Verweis auf seine eigene Einschätzung der Folgen ablehnen. Dann geht es noch einmal hin und her, und mit den üblichen Beantwortungsfristen sind am Ende acht Wochen vorbei, bis der Senat die Verantwortung an sich ziehen kann.

Auch Klagen könnten verzögern

Auch dann ist allerdings noch nicht klar, ob die Schließanlagen am Abend einrasten werden. Denn sobald die Benutzungsregelung in Kraft tritt, können BürgerInnen, die sich dadurch beeinträchtigt sehen, Widerspruch einlegen und im Prinzip bis vor das Verwaltungsgericht ziehen. Im Grunde reicht es, dass eine Person argumentiert, ihr Arbeits- oder Nachhauseweg werde durch die Schließung des langgestreckten Areals bedeutend länger.

Denn rechtlich betrachtet handelt es sich weiterhin um öffentlichen Raum, der nicht einfach so abgeschlossen werden kann. Möglich ist das überhaupt erst, seit das Abgeordnetenhaus im Juli das Berliner Grünanlagengesetz angepasst und quasi eine „Lex Görli“ geschaffen hat: Jetzt heißt es im Paragrafen zur Benutzung von Parks und Grünanlagen, dass Beschränkungen wie Schließzeiten angeordnet werden können, wenn es sich bei der entsprechenden Fläche um einen sogenannten kriminalitätsbelasteten Ort handelt.

Ob Widersprüche oder Gerichtsverfahren eine aufschiebende Wirkung haben, hängt nach Einschätzung des Bezirksamts aber auch davon ab, ob die Senatsverwaltung zusätzlich zur geplanten Benutzungsregelung den „Sofortvollzug“ anordnet. „Dagegen wäre dann ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht einzureichen, der das Ziel verfolgt, die aufschiebende Wirkung trotz des Sofortvollzugs zu bekommen“, erläutert Sprecherin Lühmann.

Die Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Clara Herrmann (Grüne), kann angesichts des Senats-Zauns jedenfalls nur den Kopf schütteln: „Es ist bereits vorab viel Geld geflossen“, so Herrmann zur taz. „Schon der Bau wird rund 2 Millionen Euro gekostet haben, die Bewachung durch einen privaten Sicherheitsdienst soll jährlich nochmal rund 800.000 Euro kosten.“

Geld, das aus ihrer Sicht in soziale Hilfeangebote wesentlich sinnvoller investiert wäre – in Hilfen für Wohnungslose, Drogenkonsumräume oder aufsuchende Sozialarbeit auf der Straße. „Diese Maßnahmen helfen ja letztlich auch den Anwohnenden, die im Kiez unterwegs sind und mit der Situation konfrontiert sind. Der Zaun hilft dabei nicht.“

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1 Kommentar

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  • Wie viele Radwege, Sozialarbeiter oder Betreuungssräume hätten da schon bezahlt werden können, ja.



    Aber Wegner mag anscheinend ja Symbolpolitik für den Bauch ohne sonstiges Ziel.



    Besser wäre technisch auch gewesen, die Profis am Ort zu fragen, die haben schließlich das mal für ganz Westberlin an einem Vormittag hochgezogen.



    Wegschieben freut den Bonhomme, hilft aber nichts. Besagter Bonhomme kann ja auch selbst mal räuspern und wird nachts da nicht durchgehen, so wie man jetzt dann auch nicht wird durchgehen können.



    Unsere Bundesrepublik leidet womöglich an den Nachwirkungen von viel XY und Krimis im TV.



    Drogenabhängige brauchen unabhängig davon Hilfe gegen ihre Krankheit. Wo das Geld (auch) herkommen könnte, sagt der Artikel ja.

    Weniger polemisch: Wegner sollte wohl auch hier nach einer verschämten Pause von seinem Wahlsalbadere unauffällig Abstand nehmen