Zahlen zur Coronalage: Ein unklares Bild

Die Neuinfektionen gehen durch die Decke. Doch die Zahl der täglichen Toten sinkt und die Intensivstationen füllen sich nur langsam. Woran liegt das?

Eine Intensivstation in Berlin

Zurzeit infizieren sich vor allem Jüngere: Intensivstation in Berlin Foto: Christoph Soeder/dpa

Bei der Frage, ob die Coronamaßnahmen gelockert, beibehalten oder verschärft werden sollen, half in der Vergangenheit stets ein Blick auf die wichtigsten Kennziffern: Die Entwicklung von Neuinfektionen, In­ten­siv­pa­ti­en­t:in­nen und Todesfällen vermittelte stets ein gutes Bild davon, wo wir stehen. Doch das hat sich nun geändert, denn die Zahlen vermitteln ein unklares Bild.

Schaut man auf die Zahl der Neuinfektionen und die daraus abgeleitete 7-Tage-Inzidenz, die in der Berichterstattung über Corona weiterhin im Mittelpunkt steht, sieht die Entwicklung dramatisch aus. Sie eilt von Rekord zu Rekord und liegt mit knapp 1.500 gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche rund drei Mal so hoch wie beim Höhepunkt der Delta-Welle im Dezember und acht Mal so hoch wie beim Alpha-Höhepunkt im vergangenen Frühjahr.

Doch die Aussagekraft dieser Zahlen ist eher gering. Zum einen dürfte der reale Wert noch deutlich höher liegen, weil durch die begrenzte Verfügbarkeit von PCR-Tests viele Fälle gar nicht in die offizielle Statistik eingehen. Zum anderen sagt die Zahl der Neuinfektionen immer weniger darüber aus, wie viele Menschen schwer an Covid-19 erkranken oder sterben.

Auch in der Vergangenheit hatte sich dieses Verhältnis schon verschoben; unter anderem durch die Impfungen gab es pro Infektion weniger Tote als zu Beginn der Pandemie; dennoch blieb die Inzidenz ein guter Frühindikator. Inzwischen scheint sich die Entwicklung von Neuinfektionen und Todeszahlen komplett entkoppelt zu haben: Während die Zahl der täglich gemeldeten Infektionen seit fast sechs Wochen stark ansteigt, gibt es bei der Zahl der ­Todesfälle weiterhin keinen Anstieg, sondern sogar weiterhin einen Rückgang auf knapp 140 Tote pro Tag im Wochenschnitt.

Noch immer zu viele Tote

Aus Sicht von Gesundheits­minister Karl Lauterbach ist das noch immer „viel zu viel“. Aber gleichzeitig ist der Wert damit nur noch halb so hoch wie zum Jahreswechsel – und weitaus niedriger als beim bisherigen Höchstwert von rund 900 ­Toten pro Tag vor gut einem Jahr.

Auch auf den Intensivstationen ist die Lage weitaus entspannter als während der vergangenen Wellen: In den letzten Tagen ist die Zahl der dort behandelten Menschen mit einer Corona-Infektion zwar erstmals wieder leicht gestiegen; mit rund 2.400 liegt sie aber weniger als halb so hoch wie bei den Peaks der vergangenen Wellen. Allerdings ist hier in nächster Zeit ein Anstieg zu erwarten; die Zahl der neu auf Intensivstationen aufgenommenen Coronapatienten ist in den letzten zwei Wochen bereits deutlich gestiegen.

Zudem sind derzeit vergleichsweise wenig ältere Menschen von den Infektionen betroffen: Bei den Über-60-Jährigen (Ü60), bei denen das Risiko für Intensivbehandlung oder Tod besonders hoch ist, war die Inzidenz zuletzt weniger als ein Drittel so hoch wie in der Gesamtbevölkerung.

„Im Moment erkranken überwiegend Jüngere“, sagte auch Lauterbach am Dienstag. Sobald sich das ändere, könnte auch die Zahl der Intensivpatienten und Todesfälle noch einmal ansteigen, warnte der Gesundheitsminister. Und damit sei zu rechnen: „Bei den Ü 60 gibt es immer noch viele Ungeimpfte.“ Die Impfung gilt – neben der ohnehin etwas geringeren Gefährlichkeit der Omikron-Variante – als entscheidender Grund für die niedrigen Zahlen bei Toten und Schwerkranken.

Den aktuellen Zahlen des Robert-Koch-Instituts zufolge sind gut 11 Prozent der Über-60-Jährigen noch gar nicht gegen Corona geimpft; knapp 25 Prozent haben noch keine Booster-Impfung erhalten. Wie viele der Ungeimpften durch eine vorausgegangene Infektion zumindest in gewissem Umfang geschützt sind, ist unbekannt; dazu läuft derzeit eine größere Untersuchung, deren Ergebnisse vor Ostern vorgestellt werden sollen.

Die Zahl der Impfungen ist in Deutschland unterdessen stark rückläufig. Die Zahl der Erstimpfungen lag in der vergangenen Woche im Schnitt mit 20.000 pro Tag so niedrig wie noch nie; und von diesen Impfungen entfielen 60 Prozent auf Kinder und Jugendliche. Bei den Erwachsenen steigt die Impfquote damit kaum noch. Auch die Zahl der täglichen Booster-Impfungen ist stark gesunken – von über 900.000 Mitte Dezember auf zuletzt nur noch 160.000.

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