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Zahl der Kirchenmitglieder nimmt abWandel oder Untergang

Gastkommentar von Daniela Ordowski

Halt geben in Zeiten der Krise, das war mal Aufgabe der Kirche. Heute verliert sie an gesellschaftlicher Bedeutung, weil sie den Wandel verweigert.

Die Bedeutung der katholischen Kirche nimmt in Deutschland weiter ab Foto: imago images

I n Zeiten wie diesen bin ich ganz besonders auf der Suche nach Orten des Friedens. Eine Unterbrechung der Ängste, Besinnung auf das Wesentliche und Momente des Kraftschöpfens. Orte des Glaubens.

Auch als Gesellschaft brauchen wir solche Orte, moralische Wegmarker, die zwischen all den Krisen stabilisierend wirken. Früher hatten die Kirchen diese Aufgabe, heute haben sie ihre gesellschaftliche Bedeutung weitgehend verloren. Und vielleicht ist das auch gut so. Denn eine Kirche, die sich nicht wandelt und nicht dazulernt, schafft sich selber ab.

Seit Jahrhunderten ist zum ersten Mal mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung weder römisch-katholisch noch evangelisch und über vierzig Prozent sind konfessionslos. Ein Trend, der sich seit Längerem abzeichnet, in den letzten Jahren aber deutlicher sichtbar wurde.

Skandale und die schlechte Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche führen zu hohen Austrittszahlen. Viele Menschen können ihre Wertevorstellungen nicht mehr mit einer Kirche vereinbaren, die offensichtlich nicht bereit ist, die strukturellen Gründe für Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt zu beseitigen. Die Gläubigen dulden diese Diskriminierungen nicht mehr. Doch die Kirche sollte sich nicht ändern, um Menschen zu halten, sondern weil es richtig ist und Gerechtigkeit und Gleichberechtigung keine Maximalforderungen sind.

Daniela Ordowski

Daniela Ordowski

ist 28 Jahre alt, Bundesvorsitzende der Katholischen Landjugendbewegung Deutschlands (KLJB)

und Mitglied des Synodalen Wegs.

Wie wichtig könnte in der heutigen Zeit die Stimme einer Kirche sein, die sich glaubhaft über staatliche Interessen hinweg für Frieden und Gerechtigkeit einsetzt. Wie leise wird jedoch diese Stimme, wenn ihr durch ein enges, realitätsfernes und menschenfeindliches Wertekorsett die Luft abgeschnürt wird.

Die Menschen haben ihren Glauben nicht verloren, er findet nur keine Heimat mehr in einer Kirche, die sich immer weiter von den Menschen entfernt. Wir brauchen daher eine Kirche, die dazulernt. Sie könnte, in all den Krisen, die einen schon mal den Glauben verlieren lassen, Heimat und Stütze sein. Wenn sie es denn wirklich wollte.

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12 Kommentare

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  • Das Finanzamt macht immer noch den Büttel für diese "Institution" - um mal ganz freundlich zu bleiben.

  • "Die Menschen haben ihren Glauben nicht verloren"

    Das ist sachlich falsch!

    Es gibt zig Umfragen zu dem Thema, die alle belegen, daß die allermeisten Menschen nicht mehr an einen persönlichen Gott glauben, nicht daran, daß Jesus dessen Sohn war, nicht an Jungfrauengeburt, nicht an Auferstehung usw. usf.

    Selbst die Mehrheit der Kirchenmitglieder glaubt das alles nur noch sehr eingeschränkt!

    Die Kirche müßte schon die Bibel über Bord werfen, um noch gesellschaftlich anschlußfähig zu bleiben!

  • Dass die Menschen den Glauben nicht verloren, sondern sich nur von der Kirche distanziert hätten, den Eindruck kann man vielleicht haben, wenn man in der katholischen Landjugendbewegung unterwegs ist. Aber wenn man sich in der weiteren Gesellschaft umsieht, in der Schule, in den Medien und darauf schaut wieviel Religion noch darin steckt, inwieweit Religion noch Thema ist (außer als Problem), so wird man feststellen, dass da schon sehr lange nicht mehr viel ist. Die meisten Leute, die jetzt austreten waren doch schon seit Jahren u Jahrzehnten Karteileichen. Die Feste wie Weihnachten u Ostern sind völlig säkularisiert. Wer nicht danach sucht, wird nie mit der Religion zu tun haben, außer der muslimische Nachbar erzählt mal vom Ramadan, vermissen wird er aber auch nichts. Kerzen, Weihrauch u Tannenbaum kann man sich kaufen. Den Glauben in jedweden Gott bekommt man entweder als Kind schon eingeimpft oder nie. Jungfrauengeburt, Martyrien, Auferstehung, Wunder, ein Gott der sich um alles und jeden kümmert, wenn man nur an ihn glaubt, sind Kuriositäten an die hierzulande ungefähr so viele glauben wie an den Storch der die Kinder bringt. Aber man kommt auch ohne den Glaube an Gott aus. Wichtig allein ist der Glaube an die eigene Fähigkeit im Leben zu bestehen, daran dass man nicht allein ist, Freunde findet usw. Auch wenn die Kirche sich wandelt und zu einer Art Wohlfühl- Seelenmassage- Dienstleister würde, wäre der Niedergang nicht mehr aufzuhalten. Die Kirche braucht die Politik um den Glauben in der ganzen Gesellschaft zu verankern, sieht man auch schön an Ländern in denen die Religion noch stark ist, aber die Politik hat keine Lust mehr sich darin zu engagieren, würde auch nur Zwietracht sähen. Nicht auszudenken wieviel Spinner, wievieler Konfession dann noch neben aller Arten von Querdenkern rauskommen und Unfrieden stiften würden. Irgendwann wird man der Institution Kirche eine Art Kulturerbestatus geben u jeden Sonntag wird ein Museumsangestellter die Messe lesen.

  • Keine Angst, wenn der Krieg hierher kommt, werden die Kirchen wieder voller.

    • @Pepi:

      wenn ne russische Rakete drauf fällt ist man ja dann vielleicht schneller im Himmel.

      • @ingrid werner:

        Ist doch auch tröstlich, besser als ins Nichts zu fallen

  • "Wie wichtig könnte in der heutigen Zeit die Stimme einer Kirche sein, die sich glaubhaft über staatliche Interessen hinweg für Frieden und Gerechtigkeit einsetzt."

    Das machen doch die Konfessionslosen schon. Das sind doch eh die besseren Menschen. ROFL

    • @Rudolf Fissner:

      Hat man ja in der DDR gesehen. Die Konfessionslosen jammern seit 30 Jahren über den Untergang der Republik.

  • "Halt geben in Zeiten der Krise, das war mal Aufgabe der Kirche...." Ich bin von der Kirche nur und ausschließlich diskriminiert worden. Wie sollte dann dieser Glaubensapparat mir Halt geben können?

  • Ich kann in der evangelischen Kirche kein "enges, realitätsfernes und menschenfeindliches Wertekorsett" erkennen. Ich erlebe meine Gemeinde als realitätsbezogener, menschenfreundlicher, offener und vielfältiger als große Teile der kirchenfernen Gesellschaft.

    Da sich der Kommentar explizit auf beide großen Konfessionen bezieht, hätte ich das im Bezug auf die evangelischen Landeskirchen gerne etwas genauer erläutert, Frau Ordowski!

    • @Ruediger:

      Kirche ist auch ein Spiegel der Gesellschaft. Insofern kann ich ihren Riss im Spiegel längs der evangelischen und katholischen Kirche nicht nachvollziehen. Es müsste, wenn, dann quer gehen.

      • @Rudolf Fissner:

        Wo habe ich denn von einem "Riss" gesprochen? Über die katholische Kirche kann ich nichts sagen, ich bin nicht katholisch. Aber das, was hier über "die Kirche" behauptet wird, trifft zumindest für viele evangelische Kirchen überhaupt nicht zu, und ist insofern nur ein Verbreiten von Vorurteilen, aber keine sinnvolle Analyse, warum beide Kirchen Mitglieder verlieren