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Zahl der Kiez-Parklets steigtWo ausruhen nichts kostet

Friedrichshain-Kreuzberg nimmt am Berliner Parklet-Förderprogramm teil. Deshalb verdrängen immer mehr Sitzgelegenheiten mit Hochbeet die Autos.

Dieses Parklet vor einer Schule am Petersburger Platz im Friedrichshainer Nordkiez ist für alle da Foto: Andreas Hergeth

Berlin taz | Letzte Woche war Familienbesuch da, es gab ein Fest zu feiern. Der Neffe mit beiden Töchtern kam aus meinem alten Heimatdorf im Mecklenburgischen gleich mehrere Tage angereist, damit sich die Fahrt lohnt. Meine Gäste und ich sind viel durch den Nordkiez von Friedrichshain gelaufen. Und zwischendurch wurde Maja (5) des vielen Laufens müde und erkannte maulend ganz richtig: „Hier kann man sich ja gar nicht hinsetzen!“ Weit und breit keine Bank in Sicht. Aber um die Ecke!

Denn seit ein paar Wochen hat sich mein Kiez verwandelt. In eine einzige Sitzlandschaft. In gefühlt jeder zweiten Straße steht ein sogenanntes Kiez-Parklet, sie haben sich zuletzt immer schneller vermehrt. In den aus Holz gezimmerten Sitzbänken unterschiedlichster Größe und Bauart sind immer auch ein oder zwei Hochbeete integriert. Damit sind die kleinen Sitzoasen auch kleine grüne Inseln auf Asphalt, denn die Parklets stehen da, wo sonst Autos parken. Sie nehmen den Autos also Platz weg und schenken ihn den Leuten, die im Kiez wohnen.

SchülerInnen zum Beispiel: Das Parklet am Petersburger Platz steht vor der Evangelischen Schule Berlin-Friedrichshain, dieses ist eins der größten und wird von den Schü­le­r*in­nen betreut. Typisch Lehreinrichtung, haben hier alle Pflanzen kleine Schilder an ihrer Seite, damit man nebenbei was lernen kann.

Im Rahmen des Berliner Parklet-Förderprogramms haben Initiativen und Hausgemeinschaften, Vereine und andere öffentliche Einrichtungen die Parklets gebaut und die Pflege übernommen.

Umgeben von Thymian und Rosmarin chillen

Wie ein paar Meter entfernt in der Straßmannstraße 17, gegenüber der Kontakt- und Beratungsstelle Friedrichshain des Vereins KommRum. Es ist zeitabhängig, wer da – umgeben von Thymian, Rosmarin und Co. – zusammen sitzt zum chillen. Vormittags in den Hofpausen eher Jugendliche von einer nahen Schule, nachmittags eher Kaffeetrinker, abends auch mal Leute mit Bier oder Wein in der Hand.

In Kreuzberg haben bereits 19 Parklets auf der Straße ihren Platz gefunden, teilt das Bezirks­amt mit, in Friedrichshain 15. Zusätzlich wären für beide Ortsteile jeweils bereits ein weiteres Parklet bewilligt worden sowie jeweils ein Parklet in der Antragsphase.

„Der öffentliche Straßenraum gehört uns allen“, sagte Bezirksstadträtin Annika Gerold (Grüne), zuständig für Verkehr, Grünflächen, Ordnung und Umwelt, letztens anlässlich der Einweihung von zwei neuen Parklets in Friedrichshain. „Mit unseren neuen Kiez-Parklets bringen wir mehr Grün in unsere Wohnquartiere und die dort wohnenden Menschen zusammen. So entsteht mehr Flächengerechtigkeit in unserem dicht besiedelten Bezirk.“

Bis Mitte des Jahres sollen rund 65 Kiez-Parklets gebaut und auf Berlins Straßen gesetzt werden. Am Förderprogramm nehmen zurzeit die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte und Charlottenburg-Wilmersdorf teil. Das sind doch schöne Aussichten.

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7 Kommentare

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  • Andernorts baut man die Bänke gerade wieder ab:



    Offenbar aus Hilfslosigkeit und Unfähigkeit. Und zudem an einem Ort an dem Senioren und Menschen mit Beeinträchtigungen so sehr auf einen Platz zum Ausruhen angewiesen wären:

    Münster (SMS) Die vier Sitzbänke zwischen dem Haupteingang des Hauptbahnhofes und dem Taxistand werden kurzfristig abmontiert. Ordnungsbehörden, Polizei und Stadtverwaltung reagieren mit ihrer gemeinsamen Entscheidung auf mehrere Vorfälle, bei denen das Sicherheitsgefühl der Fahrgäste beeinträchtigt wurde.



    Mehrmals berichteten Bahnreisende über unerwünschte Verhaltensweisen und aggressive Pöbeleien, die von den Nutzern der Bänke ausgingen. Der Entscheidung zum Abbau gingen bereits verschiedene Maßnahmen voraus: Die Ordnungsdienste zeigten verstärkte Präsenz, Sozialarbeiter aus dem Quartiersmanagement am Bremer Platz suchten den Dialog. Trotzdem verfestigte sich die Situation, weshalb die Bänke nun vorläufig abmontiert werden.



    Ob und wann die Bänke noch einmal aufgestellt werden, wird zu einem späteren Zeitpunkt entschieden.

    Chapeu!

  • Dogma frisst Hirn.

    Jahrzehnte hat man ganz bewusst Sitzgelegenheiten abgeschafft damit sich dort keine "Asozialen", "Gammler" und "Arbeitsscheuen" niederlassen.



    Die Leute sollen gefälligst in Fressbuden einkehren und dort Umsatz machem.

    Und es gibt etwas dass an vielen, vielen Ort viel nötiger ist als Kiez-Parklets - nämlich Kiez-Closets ...

  • Schade, dass man hier keine Bilder hochladen kann. Hätte ein paar von völlig versifften, vollgesprayten, glasscherbenübersäten, sich in 50 Zentimeter Abstand zum brausenden Verkehr befindlichen "Parklets", in denen sich garantiert niemand gern entspannt. Schwachsinnige Geldverschwendung - normale Parkbänke hätten es auch getan.

    • @Suryo:

      Sie könnten sicherlich Links zu den entsprechenden Fotos hier posten.



      Ich denke das würde viele Lesenden sicher interessieren.

  • Kiez-Parklet sehen einfach sch... aus! Keine gute Idee.



    Stattdessen die Bänke in den Parks aufzustocken, wäre sinnvoll.

    • @cuba libre:

      Was viel, viel besser wäre sind Bänke, wie man sie in der Triftstraße vor dem Irish Pub aufgestellt hat. Schön und bequem. Wer die Kiez-Parklets erfunden hat, den/die sollte vor Gericht stellen, wegen schlechten Geschmacks.

      Nebenbei bemerkt, die Triftstraße (Wedding) ist unglaublich stark vermüllt. Offenbar hausen dort viele Leute, die nicht das ABC des Zusammenwohnens auch nur ansatzweise kapiert haben.



      Vorschlag: Mit Lautsprecherwagen reinfahren und die Leute höflich bitten, ihren Dreck wegzuräumen, so lange bis es klappt, am besten zweisprachig!

      • @cuba libre:

        Nach Jahren wachsender Verzweiflung an den Mitmenschen in Berlin bin ich im Hinblick auf Müll mittlerweile erzreaktionär geworden und plädiere für die australische Lösung: 1000 Euro Strafe, wenn man auf der Straße Müll fallenlässt, 2000 Euro für Müll in Parks, beliebig steigerbar für schwerere Fälle. Warum nicht? Was spricht eigentlich dagegen? Wenn erstmal in jeder Clique eine/r ist, der das bezahlen musste, wird Berlin garantiert sauberer. Und nein, sauber ist nicht "steril" oder "langweilig". Dreck ist auch nicht "Berlin" oder cool - ansonsten würden die coolen Leute schließlich alle auf Deponien abhängen.