Raed Saleh, der Verkehr und das G-Wort: Diese Logik ist très SPD

Für SPD-Chef Raed Saleh bringt Verkehrsberuhigung die Gentrifizierung im Schlepptau. Das kann man so nicht stehen lassen.

FahrradfahrerInnen auf Fahrradweg auf der Bergmannstraße

Der Bergmannkiez in Kreuzberg: Nur noch für Besserverdienende, weil die Autos hier gequält werden? Foto: dpa

Nicht mit allem, was er sagt, hat SPD-Chef Raed Saleh Unrecht. Zum Beispiel, wenn er im Interview mit dem Tagesspiegel zu Gentrifizierung und Verkehrswende sagt: „Paris ist für mich keine Vorbildstadt. Es gibt eine reiche Innenstadt mit ein paar Radwegen und die armen Menschen wohnen am Rand. Die Polizei geht dort mit Gewalt gegen Migranten vor.“

Stimmt klar in Bezug auf die soziale Ungleichheit, aber auch ein bisschen in Sachen Mobilität. Zwar sind zuletzt nicht „ein paar“, sondern sehr viele Radwege an der Seine entstanden, aber ehrlicherweise sollte man sagen: Lägen diese Wege in Berlin, die VerkehrsaktivistInnen würden den Senat für jeden zweiten davon der fahrlässigen Tötung anklagen, so eng und un-protected sind sie.

Andererseits tut Paris enorm viel, um den Autoverkehr im Zentrum auszudünnen. Davon ist Berlin noch meilenweit entfernt. Glaubt man Saleh, muss man allerdings sagen: Gott sei dank. Denn für ihn führt die Verkehrsberuhigung die Gentrifizierung im Schlepptau, führen autoarme Kieze zum Anstieg der Mieten und Quadratmeterpreise. Wer Geld hat, möchte nicht umgeben von Lärm und Unfallgefahren leben, so die Logik.

Richtig ist allerdings: das möchte niemand. Und insofern sich Salehs Kritik gegen Strategien wie Kiezblocks richtet, sei angemerkt, dass diese das Auto keineswegs komplett verbannen wollen. Es geht vielmehr darum, es mit Durchfahrsperren und Tempolimits so einzuhegen, dass man damit gut leben kann.

Nicht nur in Hipstervierteln

Die Idee der Mobilitätswende ist ja auch nicht, nur Hipsterviertel zu beruhigen. Sie soll überall greifen. Dann aber verteilt sich der Mehrwert an Ruhe und Sicherheit über die ganze Stadt und macht nicht einzelne Viertel überdurchschnittlich attraktiv. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat genau das erkannt und nimmt sich auch Kieze vor, in denen niemand die Trommel rührt.

Was die Parkgebühren angeht, die Saleh nicht über das jetzt beschlossene Maß anheben will: Darüber lässt sich reden. 120 Euro im Jahr sind aber noch lange kein Ausschlusskriterium für Menschen, die sich überhaupt ein Auto leisten können, und eine Staffelung der Gebühren – sei es nach den Maßen der Autos oder dem Einkommen der HalterInnen – haben schon die Grünen ins Gespräch gebracht.

Bleibt die City-Maut, die bislang nur die Grünen wollen. Hier käme es vielleicht auch auf einen weichen Übergang an, mit jährlich steigenden Preisen, damit Entscheidungen über das eigene Mobilitätsverhalten in Ruhe getroffen werden können.

Im Übrigen: Das Gentrifizierungs-Argument einzusetzen, wenn es um Verkehrspolitik geht, beim Thema Enteignung aber lieber auf Deals mit der Wohnungswirtschaft zu setzen, ist, naja: très SPD halt.

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Jahrgang 1969, lebt seit 1991 in Berlin. Seit 2001 arbeitet er mit Unterbrechungen bei der taz Berlin, mittlerweile als Redakteur für die Themen Umwelt, Mobilität, Natur- und Klimaschutz.

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