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Kalkutta liegt am Ganges, Paris liegt an der Seine...
Autofrei werden in der Stadt des Lichtes die Arrondissements I, II, III und IV.
Die haben zusammen eine Fläche von 560 Hektar. Berlins kleinster Bezirk, Friedrichshain-Kreuzberg, hat 2 040 Hektar. Treptow-Köpenick als größter 16 400.
Nur wegen der Dimensionen.
Die Rechnung des Herrn Saleh ist doch recht einfach. Der Unterhalt eines schicken Autos kostet rund EUR 700-1.000 im Monat. Möchte ich im Randbereich im Grünen wohnen, brauche ich quasi das Auto.
Möchte ich dagegen im Innenstadtbereich wohnen und brauche deshalb kein Auto, habe ich automatisch EUR 700-1.000 im Monat mehr, die ich für die Miete ausgeben kann. Je ruhiger der Innenstadtbereich wird, desto weniger bin ich darauf angewiesen, im Randbereich zu wohnen.
Je mehr der Innenstadtbereich vom Individualverkehr abgeschirmt wird, desto mehr steigt das Bedürfnis dort zu wohnen, um die immer schlechter werdende Erreichbarkeit von Arbeitsplatz und Restaurants auszugleichen. Da man bei der sogenannten Mobilitätswende ortsnahe Umstiegsmöglichkeiten nicht mit einplant, wird sich dieser Effekt noch weiter verstärken.
Wenn man die Innenstadt attraktiver macht, wird sie halt attraktiver.
Um diesen Zusammenhang nicht erkennen zu wollen muss man wohl unter ideologisch hervorgerufener Blindheit leiden.
Seit ihren Erfolgen bei den Landtagswahlen im Osten werden wieder Forderungen nach einem Parteiverbot der AfD laut. Wäre das eine gute Idee?
Raed Saleh, der Verkehr und das G-Wort: Diese Logik ist très SPD
Für SPD-Chef Raed Saleh bringt Verkehrsberuhigung die Gentrifizierung im Schlepptau. Das kann man so nicht stehen lassen.
Der Bergmannkiez in Kreuzberg: Nur noch für Besserverdienende, weil die Autos hier gequält werden? Foto: dpa
Nicht mit allem, was er sagt, hat SPD-Chef Raed Saleh Unrecht. Zum Beispiel, wenn er im Interview mit dem Tagesspiegel zu Gentrifizierung und Verkehrswende sagt: „Paris ist für mich keine Vorbildstadt. Es gibt eine reiche Innenstadt mit ein paar Radwegen und die armen Menschen wohnen am Rand. Die Polizei geht dort mit Gewalt gegen Migranten vor.“
Stimmt klar in Bezug auf die soziale Ungleichheit, aber auch ein bisschen in Sachen Mobilität. Zwar sind zuletzt nicht „ein paar“, sondern sehr viele Radwege an der Seine entstanden, aber ehrlicherweise sollte man sagen: Lägen diese Wege in Berlin, die VerkehrsaktivistInnen würden den Senat für jeden zweiten davon der fahrlässigen Tötung anklagen, so eng und un-protected sind sie.
Andererseits tut Paris enorm viel, um den Autoverkehr im Zentrum auszudünnen. Davon ist Berlin noch meilenweit entfernt. Glaubt man Saleh, muss man allerdings sagen: Gott sei dank. Denn für ihn führt die Verkehrsberuhigung die Gentrifizierung im Schlepptau, führen autoarme Kieze zum Anstieg der Mieten und Quadratmeterpreise. Wer Geld hat, möchte nicht umgeben von Lärm und Unfallgefahren leben, so die Logik.
Richtig ist allerdings: das möchte niemand. Und insofern sich Salehs Kritik gegen Strategien wie Kiezblocks richtet, sei angemerkt, dass diese das Auto keineswegs komplett verbannen wollen. Es geht vielmehr darum, es mit Durchfahrsperren und Tempolimits so einzuhegen, dass man damit gut leben kann.
Nicht nur in Hipstervierteln
Die Idee der Mobilitätswende ist ja auch nicht, nur Hipsterviertel zu beruhigen. Sie soll überall greifen. Dann aber verteilt sich der Mehrwert an Ruhe und Sicherheit über die ganze Stadt und macht nicht einzelne Viertel überdurchschnittlich attraktiv. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat genau das erkannt und nimmt sich auch Kieze vor, in denen niemand die Trommel rührt.
Was die Parkgebühren angeht, die Saleh nicht über das jetzt beschlossene Maß anheben will: Darüber lässt sich reden. 120 Euro im Jahr sind aber noch lange kein Ausschlusskriterium für Menschen, die sich überhaupt ein Auto leisten können, und eine Staffelung der Gebühren – sei es nach den Maßen der Autos oder dem Einkommen der HalterInnen – haben schon die Grünen ins Gespräch gebracht.
Bleibt die City-Maut, die bislang nur die Grünen wollen. Hier käme es vielleicht auch auf einen weichen Übergang an, mit jährlich steigenden Preisen, damit Entscheidungen über das eigene Mobilitätsverhalten in Ruhe getroffen werden können.
Im Übrigen: Das Gentrifizierungs-Argument einzusetzen, wenn es um Verkehrspolitik geht, beim Thema Enteignung aber lieber auf Deals mit der Wohnungswirtschaft zu setzen, ist, naja: très SPD halt.
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Kommentar von
Claudius Prößer
Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1969, lebt seit 1991 in Berlin. Seit 2001 arbeitet er mit Unterbrechungen bei der taz Berlin, mittlerweile als Redakteur für die Themen Umwelt, Mobilität, Natur- und Klimaschutz.
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