ZDFneo-Doku über Sexismus: Und niemand sagt was
Die ModeratorInnen Dunja Hayali und Jaafar Abdul Karim wollen wissen: „Wie sexistisch sind wir?“ Das Ergebnis ist ziemlich ernüchternd.

„Du bist so schwanzgesteuert“ sagt sie. „Na, du süße Maus“, säuselt er. In der zweiteiligen Sendung „Wie sexistisch sind wir“, die am Mittwochabend auf ZDFneo läuft, nehmen die ModeratorInnen Dunja Hayali und Jaafar Abdul Karim den Sexismus der deutschen Gesellschaft auseinander. Wirklich aufschlussreich wird das allerdings vor allem im zweiten Teil.
Zunächst wollen Hayali und Karim erkunden, was Sexismus ist. Die ModeratorInnen sprechen unter anderem mit Stevie Schmiedel von der Initiative Pinkstinks über sexistische Werbung und mit einem Pickup-Artist, der Männern beibringt, wie sie Frauen „rumkriegen“. Einer der Tricks von „Marko Polo“: Die Frau bei der Begrüßung mehrfach im Kreis drehen, damit sie schwindelig vor dem Mann steht.
Karim besucht zudem eine Initiative, die sich um männliche Opfer häuslicher Gewalt kümmert. Die betroffenen Männer berichten von ihren Schwierigkeiten, sich Hilfe zu holen: Sie würden etwa bei der Polizei nicht ernst genommen, im Freundes- und Familienkreis schämten sie sich. Von einer Frau kann sich ein echter Mann nicht prügeln lassen.
Leider lässt Karim dabei eine wichtige Schlussfolgerung aus. Dass es gewalttätige Frauen gibt, ist richtig. Allein: Männer und Frauen sind Opfer ein und desselben Sexismus. Das patriarchale Weltbild, das Frauen die Rolle der passiven und schönen Sorgerin zuweist, erwartet von Männern, immer stark zu sein.
Ein unechter Sexist
Die Dokumentation bleibt oft vage. Sexismus, so scheint es, ist ein großer und unkonkreter, mysteriöser Begriff. Ein Kampfwort. Wie banal und alltäglich Sexismus daherkommt, zeigt zum Glück sehr anschaulich der zweite Teil der Sendung.
"Wie sexistisch sind wir?" Zweiteiliges Social Factual mit Dunja Hayali und Jaafar Abdul Karim.
Mittwoch, 14.12.2016, um 21.45 und 22.30 auf ZDFneo.
Vier Personen sitzen in einem Raum und sollen für eine Marktforschung eine Gruppe zusammenstellen, die auf einer einsamen Insel möglichst lange überleben könnte. Was die Probanden nicht wissen: Ihre Reaktion auf Sexismus soll getestet werden. Nur jeweils eine Person im Raum ist TeilnehmerIn des Experiments, die anderen drei sind SchauspielerInnen – und einer mimt den Sexisten.
„Ich will die Sanitäterin mitnehmen“, sagt der. „Für die Mund-zu-Mund-Beatmung.“ Oder: „Bei einem Richter wäre ich dabei. Aber eine Richterin? Kann die das?“ Im Laufe der Sendung steigert er sich immer weiter: „Es muss doch auch was zum Knallen da sein.“
Das Ergebnis ist ernüchternd: Zwar steigt keiner der zehn männlichen Probanden auf die Machosprüche des unechten Sexisten ein, hier und da macht einer einen kritischen Kommentar – doch deutliche Gegenrede bleibt aus. Einer wendet sich irgendwann an die beiden Frauen neben ihm: „Ihr müsstet doch schon längst aufschreien!“ Dass dies auch seine Aufgabe sein könnte, kommt ihm nicht in den Sinn.
Sexisten haben leichtes Spiel
Noch fataler läuft es bei den Frauen. Keine der zehn Probandinnen fährt dem Macker über den Mund, keine weist ihn in seine Schranken. Unangenehm berührt fühlen sie sich aber alle.
Warum Frauen denn so häufig nicht gegen Sexismus aufstehen würden, will Karim wissen. Die Erklärung: Es wurde ihnen so beigebracht, sie wollen nicht als „humorlos“ oder als „Zicke“ dastehen.
Er sei schockiert davon, „wie weit verbreitet Sexismus ist und wie leicht man damit durchkommt – auch im Jahr 2016“, sagt der Moderator. „Es ändert sich nur etwas, wenn wir Sexismus nicht länger dulden.“ Damit hat Karim recht. Und eines zeigt vor allem der zweite Teil der Sendung ganz deutlich: Gefragt sind nicht nur die Betroffenen – Sexismus geht uns als Gesellschaft im Ganzen an. Deswegen liegt es an uns allen, ihm entgegenzutreten.
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