ZDF-Filme über Hans Rosenthal: Trauma des Überlebens
Jude, NS-Überlebender, größter TV-Liebling im Nachkriegsdeutschland. Zum 100. Geburtstag erzählt das ZDF die Geschichte und Ambivalenz von Hans Rosenthal

Hans Rosenthal war eine Ikone einer längst vergangenen BRD. Er hat die deutsche Bevölkerung von den Nachwehen des Zweiten Weltkrieges abgelenkt, mit seiner Quizsendung „Dalli Dalli“ Jahrzehnte deutscher Fernsehkultur geprägt und dennoch: Ein großer Teil seiner Welt war vielen Menschen lange unbekannt. Jetzt, zum 100. Geburtstag von Rosenthal, will das ZDF das ändern.
Rosenthal war Jude, musste sich vor den Nazischergen verstecken. Dank Helfer:innen, die ihn über viele Wochen unterstützten, überlebte er. All das zeigen der Film „Rosenthal“ und die Doku „Hans Rosenthal – Zwei Leben in Deutschland“, die das ZDF zum Themenabend zusammenbindet.
Die Ignoranz gegenüber Rosenthals jüdischer Herkunft und der Verfolgung zeigt eine Szene des Films: Die Hörzu, Auftraggeber ist damals der Springer-Verlag, will eine Homestory über Rosenthal und seine Familie bringen. Der Fotograf nimmt einen jüdischen Leuchter, eine Menora, in die Hand und hält diesen naiv für etwas „Orientalisches“. Daneben steht ein Foto von Rosenthals in der Nazizeit ermordetem Bruder. Als Reporterin und Fotograf nach dem Bild fragen, winkt Rosenthal ab. Erst im Zweiergespräch mit seiner Frau zeigt er sich – zeit seines Lebens fühlt er sich schuldig für den Tod des Bruders – von diesem Affront tief betroffen.
Was wenig bekannt ist und auch nicht in den beiden Beiträgen erzählt wird: Bevor er nach Berlin ging, sich dort in einer Laube versteckte, war der spätere Quizmaster kurzzeitig Zwangsarbeiter auf dem Friedhof in Fürstenwalde und musste dabei auch SS-Leute und andere Nazischergen beerdigen. In seinem Buch „Zwei Leben in Deutschland“ hält er zynisch fest: Er sei wahrscheinlich der einzige Jude gewesen, der in der Lage war, Nazis unter die Erde zu bringen.
Biografischer Spielfilm:„Rosenthal“, auf zdf.de und am 7. April 2025 um 20.15 Uhr im ZDF
Dokumentation: „Hans Rosenthal – Zwei Leben in Deutschland“, zdf.de und am 7. April 2025 um 21.45 Uhr im ZDF
Gewohnt hat Rosenthal auf dem damaligen Landwerk Neuendorf im Sande. Die älteren Bewohner:innen des Gutshofs, jene die schon zu DDR-Zeiten auf dem Volkseigenen Gut gearbeitet, Kinder zu Welt gebracht und Kolleg:innen zu Grabe getragen haben, kennen alle Rosenthal. Logisch haben alle „Westfernsehen“ geschaut, sagen sie. Irgendwann Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre kam er noch mal nach Neuendorf. Sein Besuch wurde skeptisch-neugierig kommentiert, viele wussten nicht, ob sie ihn ansprechen konnten.
Bis heute gehört Rosenthal zum Gutshof, zumindest bei den Älteren, doch über seinen jüdischen Hintergrund und was ihm angetan wurde, darüber wird wenig gesprochen. 2019 kommt sein Sohn Gert zu Besuch und erzählt von der Geschichte seines Vaters, davon, wie er später über seine Erinnerungen an die Verfolgung unter den Nazis, aber auch Menschlichkeit in dieser entmenschlichten Zeit erzählte. Davon, wie er klarmachen wollte: Die Juden sind nicht anders als alle anderen Deutschen.
Auch in der Dokumentation zeigt Gert Rosenthal seinen Vater im Zwiespalt, als einen, der vermutete, dass ihn auch Menschen bejubelten, die ihn nur wenige Jahre zuvor an die Nazis verraten hätten. Als er zu einer Gedenkfeier am 9. November 1978, 40 Jahre nach der Reichspogromnacht, in die wiederaufgebaute Synagoge in Köln eingeladen, wurde, muss sich Rosenthal schmerzhaft entscheiden. Ausgerechnet an diesem Tag verlangt das ZDF, sein Arbeitgeber, von ihm, die 75. Ausgabe von „Dalli Dalli“ zu moderieren. Ein jüdischer Repräsentant, ein Schoah-Überlebender, muss eine Unterhaltungsshow präsentieren, während zeitgleich der Opfer gedacht wird. Rosenthal hatte eine Verschiebung erbeten, die ihm verweigert wurde. Und Rosenthal? Profi im Zwiespalt, in der Auseinandersetzung mit seiner eigenen Geschichte, zwischen Schuldgefühl und dem Glück des Überlebthabens. Sein sichtbarster Akt des Widerstands, ist sein Auftritt in einem schwarzen Anzug.
Film wie Dokumentation zeigen zudem den Druck aus der jüdischen Gemeinde, dass ein prominenter Jude doch endlich auch öffentlich über das deutsche Unrecht sprechen solle. Und noch viel mehr zeigt beides den Druck des ZDF, das so viel lieber eine Unterhaltungssendung zur besten Sendezeit ausstrahlen wollte, als die Gedenkfeier mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt und Hans Rosenthal, dass sie einen Überlebenden zum Witzeln vor die Kamera drängt.
Die Autorin ist Vorstand des Vereins Geschichte hat Zukunft – Neuendorf im Sande e. V., der die Geschichte des Gutshofs dokumentiert.
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