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ZDF-Filme über Hans RosenthalTrauma des Überlebens

Jude, NS-Überlebender, größter TV-Liebling im Nachkriegsdeutschland. Zum 100. Geburtstag erzählt das ZDF die Geschichte und Ambivalenz von Hans Rosenthal

Hans Rosenthal (r) und sein jüngerer Bruder Gert. Gert wurde 1942 in den Tod deportiert Foto: privat

Hans Rosenthal war eine Ikone einer längst vergangenen BRD. Er hat die deutsche Bevölkerung von den Nachwehen des Zweiten Weltkrieges abgelenkt, mit seiner Quizsendung „Dalli Dalli“ Jahrzehnte deutscher Fernsehkultur geprägt und dennoch: Ein großer Teil seiner Welt war vielen Menschen lange unbekannt. Jetzt, zum 100. Geburtstag von Rosenthal, will das ZDF das ändern.

Rosenthal war Jude, musste sich vor den Nazischergen verstecken. Dank Helfer:innen, die ihn über viele Wochen unterstützten, überlebte er. All das zeigen der Film „Rosenthal“ und die Doku „Hans Rosenthal – Zwei Leben in Deutschland“, die das ZDF zum Themenabend zusammenbindet.

Die Ignoranz gegenüber Rosen­thals jüdischer Herkunft und der Verfolgung zeigt eine Szene des Films: Die Hörzu, Auftraggeber ist damals der Springer-Verlag, will eine Homestory über Rosenthal und seine Familie bringen. Der Fotograf nimmt einen jüdischen Leuchter, eine Menora, in die Hand und hält diesen naiv für etwas „Orientalisches“. Daneben steht ein Foto von Rosenthals in der Nazizeit ermordetem Bruder. Als Reporterin und Fotograf nach dem Bild fragen, winkt Rosenthal ab. Erst im Zweiergespräch mit seiner Frau zeigt er sich – zeit seines Lebens fühlt er sich schuldig für den Tod des Bruders – von diesem Affront tief betroffen.

Was wenig bekannt ist und auch nicht in den beiden Beiträgen erzählt wird: Bevor er nach Berlin ging, sich dort in einer Laube versteckte, war der spätere Quizmaster kurzzeitig Zwangsarbeiter auf dem Friedhof in Fürstenwalde und musste dabei auch SS-Leute und andere Nazischergen beerdigen. In seinem Buch „Zwei Leben in Deutschland“ hält er zynisch fest: Er sei wahrscheinlich der einzige Jude gewesen, der in der Lage war, Nazis unter die Erde zu bringen.

Die Filme

Biografischer Spielfilm:„Rosenthal“, auf zdf.de und am 7. April 2025 um 20.15 Uhr im ZDF

Dokumentation: „Hans Rosenthal – Zwei Leben in Deutschland“, zdf.de und am 7. April 2025 um 21.45 Uhr im ZDF

Gewohnt hat Rosenthal auf dem damaligen Landwerk Neuendorf im Sande. Die älteren Be­woh­ne­r:in­nen des Gutshofs, jene die schon zu DDR-Zeiten auf dem Volkseigenen Gut gearbeitet, Kinder zu Welt gebracht und Kol­le­g:in­nen zu Grabe getragen haben, kennen alle Rosenthal. Logisch haben alle „Westfernsehen“ geschaut, sagen sie. Irgendwann Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre kam er noch mal nach Neuendorf. Sein Besuch wurde skeptisch-neugierig kommentiert, viele wussten nicht, ob sie ihn ansprechen konnten.

Bis heute gehört Rosenthal zum Gutshof, zumindest bei den Älteren, doch über seinen jüdischen Hintergrund und was ihm angetan wurde, darüber wird wenig gesprochen. 2019 kommt sein Sohn Gert zu Besuch und erzählt von der Geschichte seines Vaters, davon, wie er später über seine Erinnerungen an die Verfolgung unter den Nazis, aber auch Menschlichkeit in dieser entmenschlichten Zeit erzählte. Davon, wie er klarmachen wollte: Die Juden sind nicht anders als alle anderen Deutschen.

Auch in der Dokumentation zeigt Gert Rosenthal seinen Vater im Zwiespalt, als einen, der vermutete, dass ihn auch Menschen bejubelten, die ihn nur wenige Jahre zuvor an die Nazis verraten hätten. Als er zu einer Gedenkfeier am 9. November 1978, 40 Jahre nach der Reichspogromnacht, in die wiederaufgebaute Synagoge in Köln eingeladen, wurde, muss sich Rosenthal schmerzhaft entscheiden. Ausgerechnet an diesem Tag verlangt das ZDF, sein Arbeitgeber, von ihm, die 75. Ausgabe von „Dalli Dalli“ zu moderieren. Ein jüdischer Repräsentant, ein Schoah-Überlebender, muss eine Unterhaltungsshow präsentieren, während zeitgleich der Opfer gedacht wird. Rosenthal hatte eine Verschiebung erbeten, die ihm verweigert wurde. Und Rosenthal? Profi im Zwiespalt, in der Auseinandersetzung mit seiner eigenen Geschichte, zwischen Schuldgefühl und dem Glück des Überlebthabens. Sein sichtbarster Akt des Widerstands, ist sein Auftritt in einem schwarzen Anzug.

Film wie Dokumentation zeigen zudem den Druck aus der jüdischen Gemeinde, dass ein prominenter Jude doch endlich auch öffentlich über das deutsche Unrecht sprechen solle. Und noch viel mehr zeigt beides den Druck des ZDF, das so viel lieber eine Unterhaltungssendung zur besten Sendezeit ausstrahlen wollte, als die Gedenkfeier mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt und Hans Rosenthal, dass sie einen Überlebenden zum Witzeln vor die Kamera drängt.

Die Autorin ist Vorstand des Vereins Geschichte hat Zukunft – Neuendorf im Sande e. V., der die Geschichte des Gutshofs dokumentiert.

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6 Kommentare

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  • Ein sehr lesenswerter Artikel. 🍀 Danke für das erinnern.

  • ..." einer längst vergangenen BRD "...

    Historie wird nie vergehen...

    Größten Respekt vor Herrn Rosenthals Lebensleistung.

  • Rosenthals Biographie führt uns noch einmal gleichermaßen exemplarisch sowohl das Schicksal aller derjenigen vor Augen, die nicht oder nicht mehr rechtzeitig vor dem Naziterror und dem sich abzeichnenden Massenmord flüchten konnten, als auch die Schuldgefühle und den Zwiespalt der Überlebenden und dennoch Dagebliebenen. In den aktuellen Zeiten einer bedrohlich wiedererstarkenden gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit hätte er wohl resigniert.

    • @O sancta simplicitas:

      Mit Verlaub - letzteres glaube ich eher nicht:



      “Im Jahr 1983 versuchte Rosenthal in der ARD-Show Das gibt’s nur einmal – Noten, die verboten wurden (Buch: Curth Flatow), die Zeit des Nationalsozialismus in einer Unterhaltungssendung zu verarbeiten. Hier zeigte er in einer pointiert gesetzten Conference, dass er neben seiner vielseitigen Arbeit als Quiz- und Showmaster auch über lange Jahre hinweg politische Kabarettsendungen gestaltet und geleitet hat.



      (zB Die Rückblende und Günter Neumann und seine Insulaner (anfangs als Aufnahmeleiter, später als Regisseur)



      Seine Schlussconference von damals lautete: „Vor 50 Jahren fing alles an, und wir alle können nur hoffen, dass diese Vergangenheit keine Zukunft hat!“

      unterm——



      de.wikipedia.org/wiki/Hans_Rosenthal



      &



      de.wikipedia.org/w...ie_R%C3%BCckblende



      &



      de.wikipedia.org/wiki/Die_Insulaner



      “Der Trümmerberg Insulaner im Berliner Ortsteil Schöneberg ist nach den Insulanern benannt.“



      & die 👞👞



      Kulenkampffs Schuhe lässt die Nähte spüren, um damit den Schnitt, der sich darunter befindet, offen zu halten […] eines sich seit Kriegsende nur noch erweiternden Traumas, das sich nie mehr schließt und das quer durch Film

  • Danke.



    Empfehle als Vorabeinstieg & BRD-Rahmen post WK II - Hessischer Rundfunk 2018



    “Kulenkampffs Schuhe“



    www.youtube.com/wa...a3VobGVua2FtcGY%3D



    “Regina Schilling schildert die bundesdeutsche Nachkriegsgeschichte – die Zeit der Wirtschaftswunderjahre – am Beispiel von vier Lebensläufen, die sie abwechselnd weitererzählt. Es handelt sich um die Biografien



    ihres Vaters, eines Kölner Drogisten (1925–1973), sowie der drei Showmaster



    Hans-Joachim Kulenkampff (1921–1998),



    Hans Rosenthal (1925–1987)



    und Peter Alexander (1926–2011).



    Die Jugend der vier in den 1920er-Jahren geborenen Männer fiel in die Zeit des Nationalsozialismus, ihr frühes Erwachsenenleben wurde durch den Krieg geprägt. Schillings Vater, Hans-Joachim Kulenkampff und Peter Alexander dienten als Soldaten; Hans Rosenthal wurde als Jude vom NS-Regime verfolgt und überlebte versteckt in einer Berliner Kleingartenanlage.



    de.wikipedia.org/w...ulenkampffs_Schuhe



    “…,Rede Hitlers… in der er die planmäßige Vereinnahmung der deutschen Jugend … von klein auf beschreibt: ins Jungvolk, in die Hitlerjugend, die Arbeitsfront, die SA, die SS, das NSKK, den RAD & Wehr…

  • Ich glaube, was Hans Rosenthal für diese Gesellschaft geleistet hat, wird noch gar nicht richtig gewürdigt.