ZDF-Dokumentation „Inside CDU“: Nah bei Friedrich Merz, fern von der bitteren Realität
Die ZDF-Doku „Inside CDU“ begleitet Unions-Politiker:innen im Wahlkampf. Kann sie uns etwas über Merz’ Fehlstart bei der Kanzlerwahl verraten?
Die neue ZDF-Dokumentationsreihe „Inside CDU“ will Einblicke in den Aufstieg der CDU nach dem Scheitern der Ampel-Koalition geben. Monatelang begleitete das Team führende CDU-Politiker:innen im Wahlkampf.
Im Mittelpunkt: Friedrich Merz, der nach langem Anlauf schließlich Kanzler wurde – wenn auch erst im zweiten Wahlgang. Dieser Rückschlag zeigt, dass Merz’ Koalition schon vor ihrem Start nicht geschlossen hinter ihm steht. Keinem seiner Vorgänger:innen ist das passiert. Alle Kanzlerkandidat:innen wurden beim ersten Versuch gewählt.
Die Frage, die sich stellt: Hätte man diesen Fehlstart erahnen können? Und was sagt uns die Doku darüber, die am 5. Mai veröffentlicht wurde? Eine gekürzte und aktualisierte Fassung der Doku, die auch die Ereignisse rund um Merz' Kanzlerwahl zeigt, wurde am Dienstag, dem Kanzlerwahltag, abends im ZDF ausgestrahlt.
Im Zentrum der Doku-Reihe stehen Kanzlerkandidat Merz und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. Die CDU wird als Partei dargestellt, die sich nach der Ampel-Zeit trotz globaler Krisen, wachsendem Rechtsruck und schwieriger Koalitionsverhandlungen voller Zuversicht neu sortiert. Der Ton ist aufbruchsvoll, es müsse einen politischen Wandel geben.
„Inside CDU“, ZDF-Mediathek, 5 Folgen
Geschlossen will die CDU wirken, als Gegenentwurf zur Ampel. Selbst in Wahlkreisen mit starkem AfD-Einfluss, wie bei der sächsischen Direktkandidatin Christiane Schenderlein, gibt man sich kampfbereit. Neben ihr werden auch die Aachener Direktkandidatin Catarina dos Santos-Wintz und Philipp Amthor im Wahlkampf begleitet. Amthor spult seine bekannten Allüren ab: „In Deutschland kann man viel erreichen, wenn man fleißig ist, wenn man sich anstrengt“. Schenderlein kämpft hingegen um Wählerstimmen in Nordsachsen.
Eine Dauerwerbesendung
Doch statt den Wahlkampf kritisch zu kontextualisieren, wirkt „Inside CDU“ über weite Strecken wie eine Dauerwerbesendung. Besonders Linnemann wird nahezu nahbar inszeniert, er rechnete während des Wahlkampfs mit mindestens 30 Prozent der Stimmen. Dass Linnemann noch im Januar ein „Register für psychisch kranke Gewalttäter“ forderte – ein Vorschlag mit stigmatisierendem Beigeschmack – bleibt in der Doku unerwähnt.
Auch Merz kommt erstaunlich gut weg. Der CDU-Chef, der sich im Wahlkampf durch populistische Töne zur Migration, rechte Rhetorik und abwertende Kommentare gegenüber politischen Gegner:innen profilierte, wird hier als pragmatischer Strippenzieher zwischen Markus Söder (Ministerpräsident Bayerns) und Daniel Günther (Ministerpräsident Schleswig-Holsteins) inszeniert.
Der wiederkehrende Konflikt innerhalb der Partei: Die Grünen. Dass Söder eine Koalition öffentlichkeitswirksam ausschloss, gefiel Günther gar nicht, denn in Schleswig-Holstein regieren Schwarz-Grün gemeinsam.
Außer diesem großen Konflikt werden CDU-interne Spaltungen in der Doku nicht wirklich thematisiert. Insgesamt stehen die Protagonist:innen relativ geschlossen hinter Merz und wirken siegessicher. Welche Gründe am Ende dazu führte, dass Merz am Dienstag im ersten Gang der Kanzlerwahl durchfiel, und ob auch Spaltungen innerhalb der CDU dazu beigetragen haben könnten, erklärt die Doku nicht.
Blick hinter die Kulissen der Macht
Der Titel „Inside CDU“ suggeriert investigative Recherche, einen Blick hinter die Kulissen der Macht. Was geliefert wird, ist jedoch vor allem eines: Begleitmaterial zum Wahlkampf der CDU. Fast nebenläufig kommen kritische Stimmen zu Wort, wie die von Alisha Mendgen (RND), Helene Bubrowski (Table.Media), Miriam Lau (Die Zeit) oder Robin Alexander (Welt). Linke Einordnungen fehlen allerdings, interessante neue Erkenntnisse gibt es nicht.
Eine Folge widmet sich Merz „5-Punkte-Plan“ für Migration aus dem Januar, den er auch mit Zustimmung der AfD durchbringen wollte. Die Folge: Deutschlandweite Demonstrationen gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD.
Merz wird an der Stelle besonders von der RND-Journalistin Mendgen als emotional und impulsiv beurteilt. Stern-Reporter Veit Medick kritisiert den Fokus auf Migrationspolitik als „strategische Fehlentscheidung“. Die Lage der politischen Gegner:innen sei schlecht gewesen, deshalb hätte Merz eigentlich ein leichtes Spiel gehabt. Grundsätzlich verpasst es die Doku-Reihe allerdings, Merz politische Inhalte journalistisch einzuordnen und somit auch seine migrationsfeindlichen Haltungen klar zu benennen.
Ein politischer Schock
Das Wahlergebnis der Bundestagswahl kommt am Ende der Doku wie ein politischer Schock für die CDU. Linnemann sagt, ihm habe das Wahlergebnis „den Boden unter den Füßen weggezogen“. Und die Doku stellt die Frage nach den Ursachen kaum. Merz’ Karriere ist durchzogen von Skandalen, Aussetzern und einer Politik, die mehr den Überpriviligierten nützt als der Breite der Gesellschaft. Dass das verhältnismäßig ernüchternde Bundestagswahlergebnis vielleicht die Konsequenz von Populismus und einer Politik von gestern ist, die besonders junge Menschen kaum anspricht, wird in der Doku angedeutet, aber nicht analysiert.
In der gekürzten Fassung allerdings wird auch der gescheiterte erste Kanzlerwahlgang gezeigt. So bewertet Hauptstadtkorrespondent der Rheinischen Post Hagen Strauß: „Das ist ein absolutes Debakel für Friedrich Merz, aber auch für Schwarz-Rot. Da sieht man mal, wie groß das Misstrauen unter den Koalitionären doch noch ist.“
Und so bleibt die Frage: Hätte man ahnen können, dass Friedrich Merz keinen reibungslosen Start ins Kanzleramt hinlegt? Eigentlich ja. Dass er es allerdings auf den letzten Metern schwer haben würde, Kanzler zu werden, war überraschend.
Die politischen Ziele der CDU werden in der Doku wenig beleuchtet. Wie gefährlich die Verschiebung der Partei nach rechts ist, bleibt weitgehend außen vor. Wer wirklich wissen will, wohin die CDU steuert, braucht keine zweieinhalb Stunden CDU-Innenansichten.
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