Youtuberinnen über ihre Motivation: „Du bist schön, wie du bist“

Influencer preisen Cremes an, testen Abnehmdrinks, zeigen den Inhalt ihrer riesigen Einkaufstüten – und viele tausend Menschen schauen zu. Was soll das?

Eine junge Frau streicht sich eine Haarsträhne hinters Ohr

Tara vom YouTube-Kanal „TamTam“ Foto: imago/Gartner

Für ein Mädchen Wichtiges – also wie es sich verhält, kleidet und schminkt, damit es seinem Schwarm gefällt – lernte es einst in Mädchenzeitschriften. Die sind heute quasi out. Denn junge Frauen geben nun selbst Tipps: auf YouTube. Fashion- und Beauty-Kanäle gibt es massig auf der Videoplattform. Wie den Kanal „TamTam“. Betreiberin Tara, die ihren Nachnamen nicht nennen möchte, zeigt, wie sie sich schminkt, verwendet dabei locker mal mehr als zehn verschiedene Artikel. Über eine halbe Million Personen folgen ihrem Kanal. Oder Jennifer Brinkmann vom Kanal „JennyfromtheBlog“. Sie shoppt gerne, zeigt den Inhalt ihrer Einkaufstüten ihren über 100.000 Zuschauerinnen. Um Jungs und Liebe geht es selten. Der Fokus auf YouTube ist ein anderer als in den Mädchenzeitschriften: Das Ausdrücken und Inszenieren des Selbst. Doch nicht zuletzt spielen auch Produkte eine Rolle. Das Narrativ „Als Mädchen musst du schön sein“ wird massiv an Konsumversprechen gekoppelt. Und Video für Video reproduziert. Mit neuen Tricks und neuen – na klar – Produkten. Was aber denken die Produzentinnen sich dabei?

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taz: Tara, Sie bespielen seit drei Jahren den YouTube-Kanal TamTam mit Schminkanleitungen, Ihren liebsten Produkten des Monats und Einkäufen. Warum, glauben Sie, ist Beauty ein so beliebtes Thema auf YouTube?

Tara: Ich glaube, das deckt einfach das große Interesse von einer riesigen Bandbreite an Zuschauern ab. Bei Frauen ist es schon immer so gewesen, dass wir schön und jung sein wollen. Schon zu Zeiten von Kleopatra, die in Milch gebadet hat. Ich glaube, dass viele Mädchen auf YouTube auch viele Tipps geben können. Man kann gucken: Die hat tolle Haare, die hat tolle Lippen, die hat tolle Augenbrauen, und man kann sich von jedem das holen, das einen interessiert.

Sie sagen, Frauen war ihre Schönheit schon immer wichtig. Genauso werden Frauen aber auch auf ihr Äußeres reduziert. Wie wirkt sich YouTube darauf aus?

Ich finde, YouTube ist nicht so beeinflussend wie Instagram, das tonlos ist. YouTuber sagen wenigstens noch dazu „Du bist auch ungeschminkt wunderschön“, oder wir zeigen uns am Anfang ungeschminkt. Wir stellen immer wieder dar, dass es völlig egal ist, ob jemand geschminkt ist oder nicht.

Aber trotzdem ist die Erzählung Ihres Kanals, dass Schönheit zum einen superwichtig und zum anderen nur durch bestimmte Produkte zu erreichen ist.

Um Gottes willen. Also überhaupt nicht. Wirklich nicht. Das ist so ein Spaßding, und wenn man es möchte, kann man es machen, und wenn nicht, dann ist das auch völlig fein. Auch wenn jemand sagt: „Ich würde so gern aussehen wie du“ oder: „Ich hab nicht so eine reine Haut“, dann sage ich immer: „Du bist so schön, und das weiß ich, ohne dass ich jemals dein Profilbild oder dich in Person gesehen hab. Du bist so schön, weil dein Herz schön ist.“

Voll das empowernde Statement. Warum machen Sie so was nicht auch mehr auf Ihrem Kanal? Sie studieren auch Wirtschaftsingenieurwesen, klassische Männerdomäne.

Bis jetzt.

Bis jetzt, genau! Warum machen Sie nicht mal ein Video, in dem Sie Ihren Zuschauerinnen vermitteln, dass sie sich nicht auf ihr Aussehen reduzieren lassen sollen, sondern viel mehr können. Und zwar auch solches, von dem vermittelt wird, dass Frauen das generell nicht könnten, wie Rechnen eben?

Ich habe das immer vermieden, weil ich immer wollte, dass ich mit dem Bachelor gut durchkomme, ohne dass mir irgendwas im Weg steht. Aber ich habe tatsächlich eine neue Zusammenarbeit mit einem IT-Blog, wo ich als Frau sage „Hey, nicht nur schminken macht mir Spaß, ich rechne gern, ich hab früher Physik-Leistungskurs gehabt“.

Inwiefern denken Sie also über pädagogische Verantwortung nach?

Das Ding ist, bei YouTube-Videos kann man alles zurechtschneiden. Natürlich überlegt man sich genau, was man sagt. Wenn ich mich in eine Bar setzen und Martini Bianco trinken und das snappen würde, dann würde ich mich verantwortlich fühlen, denn vielleicht sagt jemand: „Oh, ich hab jetzt Lust, Alkohol zu trinken“ und geht los und trinkt Alkohol. Das könnte ich niemals tun.

Zur Person: Tara, die ihren Nachnamen nicht bekannt geben möchte, veröffentlicht Videos auf ihrem Kanal TamTam, der 520.494 Abos hat. Beliebtestes Video: „Big wavy HAIR – Schnelle große Locken“ mit über einer Million Aufrufen.

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taz: Frau Brinkmann, warum haben Sie angefangen, auf Ihrem Kanal Jennyfromtheblog Fashion- und Beautyvideos hochzuladen?

Jennifer Brinkmann: Ich hatte am 1. November 2013 einen Traum, der war richtig abgedreht. Ich hab geträumt, ich bin auf einer Farm, und eine Frau ruft mich in ihr Glashaus und sagt: „Mach YouTube, inspiriere das Volk, lächle die ganze Zeit durchweg, und du hast dann bald 14.000 Abos.“ Am 6. November 2013 habe ich mich hingesetzt und mein erstes Video gemacht.

Wie werden Sie diesem Traum jetzt gerecht?

Meine Mission ist es, den Menschen mitzuteilen, dass es wichtig ist, an sich selbst zu glauben und sich von nichts und niemandem unterkriegen zu lassen. Ich selber weiß, wie schwer es ist, einen eigenen Charakter und Stil zu haben, der nicht der Masse entspricht. Und deswegen fühle ich mich als Spokesperson für diejenigen, die aus sich herauskommen möchten, aber es nicht schaffen. Also komplett motivierender Kram, der da passiert.

Nun machen Sie viele Videos, wo es ums Abnehmen geht. Sie probieren Shakes und Pillen und verraten Ihre Tricks. Warum ist das ein so großes Thema?

Weil ich selbst mal so viel gewogen habe, was wohl auch mit dem Tod meines Vaters zu tun hat, wo ich einfach ganz viel in mich reingefressen habe. Dann hatte ich Probleme mit dem Jojo-Effekt. Ich dachte, diese Story können bestimmt einige teilen. Ich sehe es ja auch in meiner Community, da sind einige, die mit dem Jojo-Effekt struggeln und die erpicht darauf sind, etwas zu finden, was wirklich langfristig Erfolg bietet. Da hat man viel zu erzählen und auch auf lange Sicht, weil ich auch noch an meinem Gewicht dran bin.

Was denken Sie über gängige Schönheitsideale?

Obwohl ich ein ästhetischer Mensch bin und schönheitsorientiert denke, habe ich mich persönlich davon freigemacht. Mich stört dieses Geradlinige. Eine rothaarige Frau mit kurzen Haaren kann genauso schön sein wie eine blonde Frau mit langen Haaren. Es gibt auch dieses Phänomen, dass man einen Menschen sieht und denkt, dass er – obwohl er dem Ideal nicht entspricht – so von innen nach außen strahlt. Das ist für mich persönlich sehr entscheidend. Deswegen ist mir ganz, ganz wichtig, darauf hinzuweisen, dass es aufs Innere ankommt.

Trotzdem geht es viel um Äußerlichkeiten.

Wenn man sich die Videos genau anguckt, dann merkt man: Ich promote das Äußere, aber immer auch das Innere. Auch dass ich bei Primark oder H&M shoppen gehe, ist für mich immer ein Appell dafür, dass jeder es schaffen kann, äußerlich was aus sich zu machen. Aber das Innere wird immer betont. Schon allein durch meinen Abschlusssatz: „Du bist schön, wie du bist.“ Mir ist es viel mehr wert, in unserer Gesellschaft Labels umzuknicken. Einfach nur über Make-up reden reicht mir nicht.

Sie machen auch Primark-Hauls, wo Sie die vielen Sachen zeigen, die Sie da gekauft haben. Warum?

Weil ich dem Otto Normalverbaucher eine Möglichkeit zeigen möchte, wie er mit wenig Geld zu einem Look kommen kann, der fast aussieht wie High Fashion. Ich mag Primark sehr gerne, werde auch nicht von denen gesponsert. Ich bin mir bewusst, dass Primark wegen der Produktionsbedingungen in der Kritik steht. Aber ich sehe gerade keine Alternativen, um an den großen Konzernen wie H&M, Zara und Primark vorbeizukommen, wenn man sich fashionable stylen will. Da müsste ein großer Konzern her, der faire Mode zu günstigen Preisen anbietet. Gerade arbeite ich an meinem eigenen Merch aus holländischer Baumwolle, den ich selber designe und nähe. Die Stoffe sind clean, und es gibt keine Kinderarbeit. Vielleicht ist das meine erste Annäherung an das Thema.

Zur Person: Jennifer Brinkmann veröffentlicht Videos auf ihrem Kanal Jennyfromtheblog, der 105.266 Abos hat. Beliebtestes Video: „30 KG ABNEHMEN TURBO TIPPS“ mit über 800.000 Aufrufen.

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