Influencer vermarkten „Nachhaltigkeit“: Die Öko-Einflüsterer

Auch die Biobranche bewirbt ihre Produkte über Blogger und Influencer. Manchmal heikel, denn gerade hier zählt vor allem eins: Authentizität.

Kürbis, Linsen und Tomaten auf einem Teller

Geht auch ohne Produkte zu platzieren: Essen Foto: dpa

Einen Businessplan hatte sie nie. „Am Anfang wollte ich nur zeigen, wie einfach es ist, sich vegan zu ernähren“, sagt Lena Suhr. 2011 gründete sie ihren Blog „A very vegan life“. Heute ist Suhr eine der bekanntesten Bio-Influencerinnen Deutschlands. Ihre KollegInnen heißen Elisabeth Jacobs, Jörg Mayer oder Nadine Horn. Ihre Blogs tragen Namen wie „Organic Lifestyle Blog“ oder „Eat this“.

An die Millionen Follower der konventionellen Influencer kommen die Nachhaltigkeitsblogger nicht heran, aber in kleinerem Maßstab ist das Geschäft mit den bezahlten Beiträgen inzwischen auch in der Biobranche angekommen.

Daran hat die Marketingagentur Sieben&siebzig einen großen Anteil. Seit zwölf Jahren entwerfen die Berliner Kampagnen für Unternehmen aus der Biobranche. Seit neun Jahren arbeiten sie dafür auch mit Bloggern zusammen und vermitteln diese an Unternehmen weiter. Rund 800 aktive Schreiber hat die Agentur in ihrer Kartei.

„Blogger können die Produkte authentischer empfehlen als eine geschaltete Anzeige oder ein Plakat an der Litfaßsäule“, glaubt Agentur-Geschäftsführerin Kati Drescher. Um für Biounternehmen interessant zu werden, sei vor allem die Qualität der Beiträge wichtig – und weniger die Reichweite. „Um die 1.000 Besucher pro Monat sollte der Blog aber mindestens haben.“

Die hat die Hamburgerin Lena Suhr locker. Bis zu 20.000 User lesen jeden Monat ihre Texte, die sich rund um das Thema vegane Ernährung drehen. Dazu kommen 15.000, die ihr in verschiedenen sozialen Netzwerken folgen. Relativ schnell seien die ersten Unternehmen mit Anfragen auf sie zugekommen, sagt Suhr.

Hell leuchtendes Mehl

Jetzt empfiehlt sie in vielen Rezepten auf ihrem Blog die Zutaten bestimmter Hersteller. Deshalb leuchtet etwa deren weiße Mehlpackung auch besonders hell neben dem Foto einer veganen Tarte auf. Ein Link leitet zudem direkt auf die Seite des Unternehmens. In einem anderen Beitrag empfiehlt Suhr den Energy-Drink einer Biosaft-Marke, mit dem sich die Mühen des Kochens besonders gut durchstehen ließen.

Inzwischen hat sie ein kleines Geschäft rund um ihren Blog aufgebaut, von dem sie leben kann. Suhr hat ein Kochbuch geschrieben und arbeitet als Fotografin. Vergangenes Jahr kochte sie sogar in einer RTL-Sendung eine vegane Alternative zur Weihnachtsgans. Der Blog sei so etwas wie ihre „Visitenkarte“, sagt sie.

Bis zu 2.000 Euro zahlen Biofirmen dafür, dass ihre Produkte in Beiträgen auftauchen

Suhr steht stellvertretend für die Professionalisierung vieler Hobbyschreiber. Nicht wenige Blogs hätten sich von „Online-Tagebüchern“ in „kleine Medienunternehmen“ verwandelt, sagt Sieben&siebzig-Chefin Drescher. Das hätten auch die Biounternehmen wahrgenommen. Bis zu 2.000 Euro würden sie inzwischen dafür bezahlen, dass Produkte in Beiträgen auftauchen. Für ein einzelnes Bild bei Instagram gebe es schon ab 70 Euro.

Wie viel Geld sie für einen bezahlten Beitrag bekommt, will Suhr nicht verraten. Ein heikles Thema besonders für Bio-Influencer: Denn authentische Werbung lebt ja gerade davon, dass Blogger die Produkte aus Überzeugung empfehlen – und nicht, weil Geld geflossen ist. Auch heute noch schreibe sie aus ethischer Überzeugung, sagt Suhr. Anfragen von Unternehmen, deren Werte sie nicht teile, lehne sie ab. Und auch nicht für alle Geschichten, die sie aufschreibt, lasse sie sich bezahlen.

Rechtliche Grauzone

Würde ein Blog zu offensichtlich zur reinen Werbefläche ­verkommen, würde das Konzept auch nicht mehr funktionieren, sagt Agenturchefin Drescher: „Wenn Blogger offensichtlich nur noch für Geld schrei­ben, geht ihre Glaubwürdigkeit ­verloren.“ Dann verlören auch die Biounternehmen das Interesse.

Beiträge, für die sie bezahlt worden ist, kennzeichnet Suhr als Werbung. Ob das alle Schreiber so handhaben, ist schwer zu überprüfen, glaubt Georg Tryba, Sprecher der Verbraucherzentrale NRW. Man bewege sich in einer rechtlichen Grauzone. So sei unklar, ob der Rundfunkstaatsvertrag, der regelt, dass Werbung im Fernsehen leicht erkennbar und von den redaktionellen Inhalten getrennt sein muss, auch für die privat betriebenen Blogs gilt.

Und selbst wenn bezahlte Kooperationen als Werbung gekennzeichnet werden, findet er das Geschäft zwielichtig. Immer mehr Menschen schenkten der privaten Meinung von Bloggern Glauben, kritisiert Tryba. Vor allem wenn die Beiträge von Unternehmen gekauft werden, sei das fragwürdig. Verbraucher sollten lieber auf nachgewiesen unabhängige Produkttests vertrauen.

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