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Xenophobie in Osteuropa„Sie sehen sich als Verlierer“

Osteuropäer sind enttäuscht von der EU und sehen sich häufig als Opfer der Geschichte, sagt Juliana Roth, Professorin für Interkulturelle Kommunikation.

Teilnehmer einer flüchtlingsfeindlichen Kundgebung in Warschau Foto: reuters
Interview von Margarete Moulin

taz: Frau Roth, in Osteuropa macht die Gesellschaft einen Rechtsruck. Die EU-Oststaaten tun sich mit Kontingenten an Flüchtlingen schwer. Große Teile der Bevölkerung stehen hinter den verbalen Ausfällen ihrer Politiker gegen Muslime. Was ist da los?

Juliana Roth: Ich reise viel durch die postsozialistischen Länder und sehe, wie es den Leuten dort geht. Mit der Wende ist es zu drastischen sozialen Verwerfungen gekommen. Zusammen mit dem Patriotismus, an dem dort gestrickt wird und der fehlenden Erfahrung mit Migranten, ergeben die Forderung der EU Sprengstoff.

Was sind das für Verwerfungen?

Nirgendwo hat der versprochene, wirtschaftliche Aufschwung die breite Bevölkerung wirklich erreicht. Hingegen regiert der Klientelismus. Viele Fachkräfte sind arbeitslos, dafür fährt jetzt ein ungelernter Kleinhändler, der die richtigen Leute kennt, den neuesten Mercedes. Der Beitritt in die EU hat vor allem der alten Nomenklatura genutzt. Einer kleptokratischen Elite gelingt es, sich über Gesetze hinwegzusetzen und EU-Fördergelder in die eigenen Taschen zu stecken. Es gibt immer noch keine richtige Zivilgesellschaft.

Ein Beispiel?

Nehmen wir Bulgarien: Auf Demonstrationen lenken gekaufte Mobs den Verlauf zugunsten der sie bezahlenden Parteien. Betrügereien sind Alltag. Wenn Sie tanken, wissen Sie nie, ob das Benzin nicht gestreckt wurde. An öffentlichen Schulen kommt das „Abziehen“ oft vor. Wenn z. B. ein Schüler mit neuen Schuhen hingeht, kommt er vielleicht auf Socken nach Hause. Die Eltern schicken ihre Kinder also auf Privatschulen. Dann können sie aber kaum noch die Miete zahlen. Oder: In der Slowakei werden Leute mit bestimmten Autokennzeichen nie geblitzt, auch wenn sie zu schnell fahren. Solche Beispiele finden Sie überall.

Die osteuropäischen Gesellschaften stecken nicht nur in einer wirtschaftlichen, sondern auch in einer moralischen Krise?

Ja, es sind angespannte, misstrauische Gesellschaften. Es gibt in allen osteuropäischen Sprachen ein Wort für „die Unsrigen“. Die Welt wird eingeteilt in Menschen, denen man vertraut und solche, denen man misstraut, innerhalb der eigenen Gesellschaft und gegenüber anderen Kulturen.

Und zu den „Unsrigen“ zählen die Flüchtlinge nicht

Nein, sie machen Angst. Umso stärker stützen sich die Menschen auf ein „Wir und die Anderen.“ Diese Kategorie wird auf der ganzen Welt benutzt. Die Frage ist immer, wie sehr sie benötigt wird. Die Leute in Osteuropa sagen: „Wir haben Sorgen bis zum Hals. Was interessieren uns da irgendwelche Araber?“ Wenn „diese Araber“ ihnen dann noch von der EU aufgedrückt werden, ist der Widerstand doppelt groß.

Im Interview: Juliana Roth

Slawistin und Professorin für Interkulturelle Kommunikation an der Universität München, forscht zu politischen und gesellschaftlichen Veränderungen in Osteuropa und Russland.

Das heißt, Flüchtlinge werden nicht nur prinzipiell abgelehnt, sondern auch, weil sie über die EU zugeteilt werden?

Genau. Die Enttäuschung über die EU ist grenzenlos. Beim Eintritt in die EU dachten viele: Wir kehren heim in den Westen. Stattdessen spüren sie, dass sie nicht als ebenbürtige Europäer gelten wie Franzosen oder Deutsche. Das Label „Osten“ oder „Balkan“ bleibt ihnen ewig aufgedrückt. Sie nehmen sich als Verlierer der Modernisierung wahr.

Die Ressentiments gegen Muslime scheinen aber älter zu sein.

Es gibt zwei Hauptgründe. Zum Selbstkonzept vieler Osteuropäer, zum Beispiel der Ungarn gehört es, sich als uraltes Bollwerk zu verstehen gegen alle möglichen Barbaren aus dem Osten. Gegen die Hunnen, Mongolen, später gegen das Osmanische Reich, den Islam. Auch die Serben sprechen von der grünen, also muslimischen Diagonale, die sich von Zagreb bis Istanbul zieht als eine Art Frontlinie zum Orient. Anderes Beispiel: Polnische Truppen haben 1683 für das Habsburger Reich gegen die Türken vor Wien gesiegt. Die Rettung des Abendlandes ist als heroische Tat tief im Bewusstsein der Polen verankert. Zugleich empfinden viele Osteuropäer es als Kränkung, dass sie für dieses Sich-für-den-Westen-Aufopfern nie echten Dank gekriegt haben – so wie sie ihn jetzt nicht kriegen, wenn sie Zäune an der EU-Außengrenze bauen.

Aber die historischen Beispiele sind doch alle lange her!

Für Sie vielleicht! Osteuropäische, vor allem slawische Kulturen sind vergangenheitsorientierte Kulturen. Für sie lebt Geschichte. Anthropologen sprechen auch von „frozen past“. Vergangenheit wird eingefroren und kann jederzeit aufgetaut werden – mit all ihren Gefühlen. In Südosteuropa gibt es die Vorstellung einer zweigeteilten Geschichte. Erst war man Held, dann Opfer – sei es durch die Unterwerfung durch die Osmanen oder anderer Ungerechtigkeiten der Geschichte. Vergangenheitsorientierung ist erst mal nichts Falsches. Aber sie kann instrumentalisiert werden: In Ungarn verkaufen sich aktuell gut Kühlschrankmagneten mit dem Umriss von Großungarn, also der Grenzverlauf mit den Gebieten, die 1920 durch den Trianon-Vertrag verloren gingen, und denen noch heute hinterhergetrauert wird. Versuchen Sie mal, selbst mit einem jungen Ungarn darüber sachlich zu reden. Sie werden eine ausschließlich emotionale Reaktion bekommen.

Gegen das Gefühl, dass „alles zerfällt“ reaktiviert man dieses Geschichtskonzept und beschwört nationale Zusammengehörigkeit?

Genau. In Mazedonien beruft man sich auf die Antike. Wenn Sie über die Grenze fahren, kriegen Sie auf Ihr Mobiltelefon die Nachricht „Welcome to Macedonia, the cradle of civilization.“ In Skopje sehen Sie dann, wie dieser bitterarme Staat derzeit Millionen Euro ausgibt und die Hauptstadt mit neuen Denkmälern übersät, mit Figuren, die angeblich besonders mazedonisch waren. Alexander der Große ist zum Gründer des Staates avanciert, der Flughafen und die wichtigste Autobahn tragen seinen Namen, ihm ist eine riesige Statue im Zentrum gewidmet. Zugleich wird an den Schulen nur slawische Geschichte gelehrt, die große albanische Minderheit negiert.

Islamfeindliches Europa

Am 6. Februar kam es weltweit zu einem asylfeindlichen Aktionstag, die meisten, rund 7.000 Demonstranten, kamen in Dresden zusammen. In Prag versammelten sich rund 1.500 Islamgegner mit Spruchbändern wie „Nein zur Einwanderung – Stopp der Merkelisierung“.

In Warschau trat Pegida-Frontfrau Tatjana Festerling auf einer Kundgebung polnischer Nationalisten vor einigen Hundert Teilnehmern auf. Sie erinnerte an den Kampf von „Polen und Litauern, Sachsen und Österreichern“ bei der Verteidigung Wiens gegen die Türken im 17. Jahrhundert. Damals habe das Heer des polnischen Königs das christliche Abendland gerettet.

Sie sprachen von einem zweiten Grund für Fremdenangst?

Durch den Eisernen Vorhang war es jahrzehntelang unmöglich, zu reisen und fremde Kulturen und Andersheit zu erleben. Aber das Hauptproblem ist, wie mit Fremdheit im Land umgegangen wurde. Da ist auch die DDR ein plakatives Beispiel. Vertragsarbeiter aus Vietnam, Angola oder Kuba wurden untereinander und von den Ostdeutschen ferngehalten. Sie hatten extra Wohnheime, kein Recht auf Familienzuzug. Kontakte zu Einheimischen waren genehmigungs- und berichtspflichtig. Ausländer, die mit Ostdeutschen eine Liaison eingingen und erwischt wurden, wurden ausgewiesen. Mit Fremdheit umgehen, hieß auf Abstand gehen. Das wirkt heute bei der Einstellung vieler Ostdeutscher gegenüber Fremden nach.

Genau das richtige Feld für die Interkulturelle Kommunikation?

Das sollte man meinen. Aber ich habe für den Bayerischen Volkshochschulverband ein großes Programm für Interkulturelle Kompetenz (IKK) entwickelt, das bundesweit angeboten wird. Es ist zum Beispiel für Sozialarbeiter oder für Lehrer gedacht, die mit Ausländern zu tun haben. Diese Kurse werden in den neuen Bundesländern aber einfach nicht gebucht, die kann man anbieten wie Sauerbier. Es gibt zwar zwei Universitäten, an denen die IKK gelehrt wird, aber in den Institutionen herrscht kein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Interkulturellen Kompetenz.

Wie lehren Sie denn Interkulturelle Kompetenz?

Zuerst lernen alle Studenten, egal ob in München oder in Sofia, dass ihre eigenen Werte, Sicht- und Verhaltensweisen, die sie vielleicht für allgemeingültig gehalten haben, in ihrer Kultur verwurzelt sind. Danach nehmen wir Begegnungen von Menschen mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund in den Blick und betrachten, wo es im Zusammentreffen im Ausland oder in Migrationsgesellschaften zu Kollisionen kommen kann. Es gibt praktische Übungen wie ein Kartenspiel, bei dem zwei Gruppen gegeneinander spielen, aber jede nach ihren eigenen Regeln. Die entstehenden Spannungen bewirken einen Aha-Effekt. Die Studierenden sollen lernen, kulturelle Zusammenstöße unaufgeregt zu bearbeiten, Ethnozentrismus und Stereotypen zu reflektieren, und sich im Perspektivenwechsel zu üben.

Sie bauen in Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Griechenland, der Türkei, auch in Russland an Universitäten Seminare für Interkulturelle Kommunikation auf. Wie begeistern Sie die Studenten dort?

Das läuft meist über die Germanistik. Am Anfang halten die Studenten die Kurse für eine Art „Fettnäpfchen-Lehre“: Was muss ich in Deutschland tun, um nicht anzuecken? In Wirklichkeit soll das Studium ja zu einer generellen interkulturellen Kompetenz und Öffnung führen. Das Interesse fasst langsam Fuß.

Aber was ist jetzt zu tun? Die Flüchtlinge stehen vor der Tür, und wer zur EU gehören will, muss auch Verpflichtungen erfüllen.

Grob gesagt: Der Osten muss üben, mit Fremdheit zurechtzukommen. Er braucht wirtschaftliche Bedingungen, damit die Menschen eine echte Zukunft sehen und hochqualifizierte Leute nicht in den Westen abwandern. Dann könnten sie wirklich selbstbewusst werden und sich für die gemeinsamen Anliegen Europas engagieren. Aber als Kulturwissenschaftlerin kann ich Ihnen sagen: Menschen verändern ihre Werte und Einstellungen nur langsam.

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18 Kommentare

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  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    Ich bin über die Bildungslücken in Deutschland immer wieder erstaunt. Seit wann liegt Polen in Osteuropa? Im Geographiekurs geschlafen???

  • "Osteuropäische, vor allem slawische Kulturen sind vergangenheitsorientierte Kulturen. Für sie lebt Geschichte. Anthropologen sprechen auch von „frozen past“. Vergangenheit wird eingefroren und kann jederzeit aufgetaut werden – mit all ihren Gefühlen."

     

    Als Slavist, der sich intensiv mit den westslavischen Kulturen auseinandergesetzt hat, bin ich doch einigermaßen erstaunt über diese falschen wie unbegründeten Pauschalisierungen.

    Diese zwanghaft konstruierte Alterität slavischer Kultur erinnert in ihrer Banalität und Unsachlichkeit an Herders "Slavenkapitel".

    Es ist ja schließlich kein Alleinstellungsmerkmal slavischer Kulturen, dass sie sich auf die Vergangenheit beziehen. Bezüge zu Ereignissen der Vergangenheit weist jede Kultur in Europa auf (Man kann sich jetzt natürlich die Frage stellen, ob es sich dabei um eine anthropologische Konstante handelt, aber dafür reichen meine Kenntnisse außereuropäischer Kulturen leider nicht aus). Ganz Europa lebt "in der Geschichte", vermutlich mehr als dass es, im Gegensatz zu traditionellen bzw. indigenen Kulturen "in der Natur" (so etwa bei Vine Deloria) lebt.

    Und Emotionalisierung von Geschichte ist ja kein per se osteuropäisches Phänomen, sondern ein universelles. Da reicht es ja, sich nur mal so eine widerwärtige Rede von Höcke anzuhören und man lernt sofort, wie wirksam emotional aufgeladene Geschichte plitisch instrumentalisiert werden kann.

    Ich habe den gemeinsamen Austausch über deutsch-ostmitteleuropäische Geschichte in meinem Umfeld immer als sehr sachlich-differenziert empfunden.

    Emotionale Reaktionen in Bezug auf Geschichte sind übrigens durchaus auch mal angebracht um eventuelle falsche Sichten auf historische Ereignisse zu "korrigieren" (siehe Polnische Kritik an der Darstellung der Armia Krajowa in "Unsere Mütter, unsere Väter).

    Das Geschichte für verschiedene soziale Gruppen verschiedene Bezugspunkte haben kann ist völlig normal, aber die Geschichtlichkeit ist Kennzeichen so gut wie aller Schriftkulturen.

  • Hier fühlen sich Menschen, die aus den Kulturen des Ostens kommen, angegriffen. Warum? Es geht hier doch nur um einen Versuch, den Versuch Interkulturalität als Kompetenz zu vermitteln. Darf man das nicht, weil in der eigenen Kultur auch nicht alles glatt läuft? Das ist doch Quatsch. Ich habe die Reaktionen auf Andersheit im Osten erlebt. Viele ehemalige DDR-Bürger sind dem "Anderen" nicht gewachsen...und sei es nur ein "Wessi" oder das, was in ihn hineinfantasiert wird. Das demokratische Aushandeln ist nicht jedermanns Sache, man muss viel Nachdenken und sich selbst reflektieren. Veränderungen sind schwierig und noch schwieriger, wenn man sich als Verlierer der Geschichte sieht.

  • Hallo,

     

    vlt. sind auch andere Faktoren maßgebend.

    Erstens sind die "Ostländer" nicht reich.

    2. Sehen Sie die Probleme in Westeuropa.

    Warum sollten Sie das wollen?

    3. Sind auch die räumlich nahen Verwandten "Xenophob", nämlich dergestalt das sämtliche Golfstaaten,darunter das gewiss nicht arme und kleine Saudi-Arabien keine Flüchtlinge aufnehmen.

    Begründung: Die brächten (obwohl die gleiche Kultur und den gleichen Glauben (wichtig dort) Unruhe ins Land.

    Die finanzieren nicht mal

    ein paar Zehntausend Flüchtlinge nach Kasachstan (viel Platz) oder Indonesien (dort fallen 500.000 nicht auf)

     

    DIESE Länder werden kaum kritisiert,

    aber den Ostländern wird sogar (die im Völkerrecht verankerte) EIGNE Souveränität abgesprochen.

    Ich finde es dreist und noch dreister von Frau Roth denen Rückständigkeit vorzuwerfen.

     

    Wieso nicht mehr Weiße nach Schwarzafrika, oder Araber nach Israel weil es dort zu jüdisch ist?

    Ist deren (Die Aussage) von israelischen Juden das Israel ein jüdischer Staat ist auch xenophob, oder dort nicht weil es ganz was anderes ist und man die ca. 60.000 geflüchteten Schwarzafrikaner mit Recht aus dem Land verweisen darf?

     

    Bitte die gleichen Maßstäbe an alles und alle anlegen.

    Danke.

    • @Heiner Müller:

      Gut dass Sie Saudi Arabien oder Israel erwähnen, oder ferne Länder wie Kasachstan oder Indonesien, hier wird über unsere europäische Umgebung geredet bzw. geschrieben, unsere direkten Nachbarn und Mitgliedern der EU. Da bringt ein Vergleich mit fernen Ländern wenig und wir teilen auch nichts mit denen wie mit EU Mitgliedern.

    • @Heiner Müller:

      Sehr guter Kommentar!

       

      Es macht auch gar keinen Sinn eine weltweite homogene Kultur anzustreben,

       

      Der Unterschied macht doch den Reiz aus.

  • In Osteuropa bin ich nicht mehr besonders intensiv gereist zuletzt. Die Ungarn wollten meinen Mann nicht haben, die Polen haben ihn beschimpft und in Kroatien haben wir uns meist im Ferien-"Dorf" aufgehalten. Was aber den Osten Deutschlands angeht, kann ich mitreden. Ich kann sogar vergleichen zwischen vor und nach 1989.

     

    Dass es grundsätzlich "unmöglich" gewesen wäre, "zu reisen und fremde Kulturen und Andersheit zu erleben", ist Unsinn. Die Welt endet ja nicht an der Oder. Selbst hinter dem Ural gehrt es noch weiter. Der "Ostblock" hat von Kuba über Mosambik und den Jemen bis nach Vietnam gereicht. Man konnte durchaus reisen. Nur halt nicht frei und in den Westen. Man musste entweder als "staatstreu" gelten (dann gab's die Reisen manchmal auch geschenkt) oder über Geld und Beziehungen verfügen. Das hat viele Leute vom Reisen abgehalten. So, wie heute auch wieder.

     

    Von den sogenannten "Vertragsarbeiter[n] aus Vietnam, Angola oder Kuba" aber oder von den Studenten aus den sogenannten "Bruderländern" brauchte man die DDR-Bürger gar nicht "ferngehalten". Die wollten schon damals nicht viel zu tun haben mit den "Hamster-Käufern" und haben ihnen fehlende Manieren unterstellt, wenn sie ihre Familien unterstützt haben. Außerdem waren die Fremden Gäste des Staates, und den konnte man so wenig leiden wie heute die EU. Er hat nämlich versucht, die Völkerfreundschaft zu befehlen – was manche Ossis damals schon nicht gut gefunden haben.

     

    In Freiheit mit Fremdheit umzugehen, haben Ostdeutsche jedenfalls so wenig gelernt, wie es Westdeutsche gelernt haben durch die staatsvertraglich verordneten Migranten. Wer bräuchte sonst diese IKK-Kurse, die angeblich "wie Sauerbier" gefragt sind?

     

    Und noch eins: Ich fürchte, das "Bewusstsein für die Wichtigkeit der Interkulturellen Kompetenz" müssten erst einmal die Kurs-Anbieter selbst entwickeln. Die haben es nämlich erkennbar auch noch nicht, sonst ginge ihre "Ware" besser.

    • 3G
      31955 (Profil gelöscht)
      @mowgli:

      Differenzierte Betrachtungen verdienen besondere Aufmerksamkeit und ich schäme mich nicht, auch ein dickes Lob.

    • @mowgli:

      1. Im Artikel wird nicht erwähnt, dass die Kurse "wie Sauerbier" gefragt sind, sondern genau das Gegenteil. Die Kurse werden nicht gebucht, da können die sonst noch so gut angeboten werden.

       

      2. Das die Kursanbieter die Kompetenz selbst entwickeln müssen da ja niemand sie "bucht" ist kompletter Quatsch, die Logik dahinter kann ich absolut nicht nachvollziehen

  • Warum ein Volk etwas will oder nicht ist doch eigentlich unerheblich. Solange Politiker die Möglichkeit haben, sich im Rahmen einer Rechtsstaatlichkeit um die Belange des Volkes zu kümmern stellt sich diese Frage eigentlich gar nicht.

     

    In dieser Frage sind die Visegrad wesentlich näher am Volk dran, als z. B.: Deutschland oder Österreich oder Schweden.

    • @Nobodys Hero:

      "Warum ein Volk etwas will oder nicht ist doch eigentlich unerheblich."

       

      wirklich?

       

      Angst ist ein schlechter Ratgeber! Und Angst vor Fremden entspringt vermutlich stammesgeschichtlichen Prägungen, die vor vielen Tausend Jahren in unseren Genen verankert wurden, als es noch hilfreich war Angst vor Fremden zu haben, die einen möglicherweise entführt und aufgegessen hätten.

       

      Heute reisen wir in nicht mal 2 Tagen um die Welt. Es ist unserer zivilisatorischen Entwicklung hinderlich, weiterhin Fremdenangst zu haben. Das kann ein rational denkender Mensch erkennen und seine Angst überwinden.

       

      Oder er kann seinen Verstand auch dazu benutzen Argumente zu suchen die seinem Angstgefühl entsprechen, damit er seine Angst behalten kann.

  • 3G
    31955 (Profil gelöscht)

    „Kleptokratische Elite“, „Klientelismus“ „keine richtige Zivilgesellschaft“ „vergangenheitsorientierte Kulturen“ ihre Schlagworte erschlagen mich, Frau Roth. So schlimm steht es um den neuen Osten? Und im alten Westen nichts Neues?

     

    War das ein Gruß aus der Rubrik: Ironie ist, wenn man trotzdem lacht?

     

    Ich hätte da noch ein paar weitere "Kopfnüsschen" zum knabbern?

     

    VW, ADAC, Deutsche Bank, Siemens, Bimbes-Kohl, Genosse der Bosse, pädophile Scheinheiligkeit.

     

    OK, der Reizworte sind heut genug gewechselt, sonst meldet sich noch der Reizdarm zu Wort.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "Nirgendwo hat der versprochene, wirtschaftliche Aufschwung die breite Bevölkerung wirklich erreicht. Hingegen regiert der Klientelismus. Viele Fachkräfte sind arbeitslos, dafür fährt jetzt ein ungelernter Kleinhändler, der die richtigen Leute kennt, den neuesten Mercedes. Der Beitritt in die EU hat vor allem der alten Nomenklatura genutzt. Einer kleptokratischen Elite gelingt es, sich über Gesetze hinwegzusetzen und EU-Fördergelder in die eigenen Taschen zu stecken. Es gibt immer noch keine richtige Zivilgesellschaft."

     

    Ist das jetzt pauschal für alle ehemaligen Ostblockstaaten? Keine Differenzierung, Abstufung etc. Voll daneben.

     

    "Osteuropäische, vor allem slawische Kulturen sind vergangenheitsorientierte Kulturen. Für sie lebt Geschichte."

     

    ???

     

    Osteuropa (DDR ist da die Ausnahme, leider schlecht gestaltet) konnte leider keine Erfahrungen mit Zuwanderung machen und ist da erfahrungsmäßig eindeutig im Nachteil dem Westen gg. der die erste Welle der Zuwanderung aus der islamischen Welt in der Zeit erlebte, wo die Zuwanderer dringend als Arbeitskräfte gebraucht wurden. Sie waren willkommen, gebraucht und haben sozusagen das Eis gebrochen. Die Zeit ist in den meisten westlichen Länder (auch in den USA) vorbei. Was bleibt ist eine gewisse Offenheit dem Unbekannten/Fremden gegenüber. Das wird im Osten nicht mehr klappen.

    • @10236 (Profil gelöscht):

      Also, ich weiss ja nicht wo du dich so aufhaeltst, Jarus..aber ich, hier in Warschau, kann das alles gut nachvollziehen. pa pa

      • 1G
        10236 (Profil gelöscht)
        @Jim Panse:

        "Einer kleptokratischen Elite gelingt es, sich über Gesetze hinwegzusetzen und EU-Fördergelder in die eigenen Taschen zu stecken. Es gibt immer noch keine richtige Zivilgesellschaft."

         

        Ich bin zwar nicht so oft in Polen (Süden und Masuren), aber ich kann die EU-Gelder überall sehen. Die Zivilgesellschaft + Mittelstand auch.

         

        Siehst du in Warschau eine kleptokratische Elite, die die EU-Gelder veruntreut?

    • @10236 (Profil gelöscht):

      "die erste Welle der Zuwanderung aus der islamischen Welt" - meinen Sie die Türken 1529 vor Wien?

      • 1G
        10236 (Profil gelöscht)
        @Chutriella:

        Nein, ich meine die ersten "Gastarbeiter", was die alte CDU als Zuwanderung aus "einem anderen Kulturkreis" bezeichnet hatte. Aber ich vermute, Du wolltest bloß ironisch sein.

  • 4G
    4225 (Profil gelöscht)

    Die Frage ist doch vielmehr, ob Osteuropa die Immigranten zur Zeit gebrauchen kann oder nicht. Und dies ist offensichtlich nicht der Fall, wenn die eigene Jugend ins westliche Ausland arbeiten gehen muss. Wie sinnvoll wäre es denn, wenn man diese Länder dazu zwänge, Immigranten aufzunehmen und sie für einige Jahre im Ausland festzuhalten, wenn diese eh nur im Westen eine Lebensperspektive haben.