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Wortwahl in der PandemieAutoritäre Sprache

Corona hat viele neue Ausdrücke in die Alltagssprache gespült, die meisten davon sind harmlos. Das Wort „Absondern“ ist es nicht.

Klingt nicht nur nach aus­grenzen, ausschließen, nicht mehr dazugehören. Das meint es auch Foto: Alberto Menendez/imago images

A n diesen Tagen der multiplen Koordination von Adventskalendern, Auffrischungs-Impfterminen und medialen Jahresrückblicken braucht es vor allem eins: Struktur. Niemand hat das so schön klar gemacht wie zu Beginn der Pandemie Josef Hader. Der Kabarettist gab seiner Quarantäne mit dem strikt getakteten Konsum geistiger Getränke nebst serbischer Bohnensuppe Struktur. Bei Hader gehört zur Struktur natürlich die Sprache. Sprache schafft überhaupt erst Struktur, für Denken, Fühlen und amtliches Handeln.

In Sachsen gibt es nun das „Infoblatt zur Absonderung in Sachsen“, abgesondert von der Landesregierung. „Sie dürfen nur raus, wenn Sie zum Arzt gehen müssen“, lautet die klare Botschaft. Beim Absondern ist allerdings künftig jedeR sich selbst überlassen, denn „ab sofort werden sich die Gesundheitsämter auf die Bearbeitung der Infektionsfälle und vulnerable Settings konzentrieren“, heißt es weiter. „Es erfolgt in der Regel keine Nachverfolgung und Absonderung von Kontaktpersonen mehr. Es handelt sich insoweit um einen Strategiewechsel.“

Allerdings nicht um einen sprachlichen. Dabei bräuchte es hier einen strukturellen Umschwung, und nicht schlimmes Amtsdeutsch, schon gar nicht mit NS-Begriffen. Corona hat viele neue Ausdrücke in die Alltagssprache gespült. Die meisten davon sind harmlos, ein paar sogar latent lustig und andere einfach stulle. „Wellenbrecher“ ist gerade von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum „Wort des Jahres“ gekürt worden.

Die „Corona-Faust“ oder der „Fuß-Gruß“ werden hoffentlich irgendwann wieder hinter der „Spuckwand“ verschwinden wie das „PCR-Test“-Stäbchen in der Nase. Und die Auffrischungsimpfung heißt jetzt Boostern. „Da kommen nun sogar noch Begriffe aus der Raumfahrttechnik dazu“, sagt die Mitbewohnerin. „Per Start­ra­ke­te schießen wir uns aus der Pandemie mit Detonator und Terminator.“

In „Absondern“ steckt schlimme Sprache

Aber in „Absondern“ steckt schlimme Sprache drin. Das klingt nicht nur nach aus­grenzen, ausschließen, nicht mehr dazugehören. Das meint es auch. Dabei geht es um eine medizinisch-vorsorgende Maß­nah­me, die eigentlich immer noch Quarantäne heißt. Bei „Quarantäne“ ist klar, dass es sich um nichts Endgültiges, sondern ein Durchgangsstadium handelt. „Absondern“ ist autoritäre Sprache und erinnert nicht nur ein bisschen an NS-Jargon.

„Worte können sein wie winzige Arsendosen; sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da“, hat Victor Klemperer in seinem Buch „LTI“ über die Sprache des Dritten Reichs geschrieben. Und wenn sich solche Worte im Sprachalltag etablieren, bedroht das am Ende die demokratische Struktur.

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
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6 Kommentare

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  • Das Wort "Absonderung" steht in § 30 des Infektionsschutzgesetzes. Es stand dort übrigens schon vor Corona. Das Infektionsschutzgesetz ist ein Bundesgesetz und wurde nicht in Sachsen erfunden; die im Artikel kritisierte sächsische Landesregierung verwendet lediglich die Gesetzessprache. Das Infektionsschutzgesetz stammt übrigens auch nicht von den Nazis.

    § 30 Infektionsschutzgesetz (in Verbindung mit der hierzu erlassenen Rechtsverordnung) ist die Rechtsgrundlage für die Maßnahmen, die im Zusammenhang mit Corona meist als "Quarantäne" bezeichnet werden.

    Unabhängig davon wird die Maßnahme nicht weniger einschneidend, wenn man die Bezeichnung "Absonderung" durch das Synonym "Quarantäne" ersetzt. "Quarantäne" klingt nur netter.

    • @Budzylein:

      Tja - unser Wortrastelli - “Geboren 1968 im Ruhrgebiet. Studium der Journalistik und Geschichte in Dortmund und Edinburgh.“



      Macht was mit Medien. Op gau platt:



      “In die Fixigkeit warst du mich über - aber in die Richtigkeit war ich dich über!“ - 🧐 - (s.u. 🎡 Eitelkeiten sorry)



      © John Brinckman “Kasper Ohn un ick“

      kurz - Es reicht einfach nicht (Geschichte!!) ein vages säuerlich Bäuerchen aus dem entfernt erinnertem Eingemachten dreist an ollen ranzig Worthülsensalat zu garnieren!



      And the whole shit undurchdacht - aber schwer auf moralinsauer - hier mit dem dicken Löffel aufzugeben - 🤢 -



      &



      Liggers “Flimmern & Rauschen“ paschd scho. Wollnichwoll.



      & btw=>



      (dazu nen deftigen ruhrpöttler Spruch - verehr ich mal der Heiligen Barbara;)) & opfer ihn der Hillig Netti di taz - wg der



      Modderatistaskettensäge!;)(( Woll.



      “Glück auf.“

  • Aus Worten werden meist ja auch Taten.

    Z.B. aus denen hier: „Die paar Leute, die jetzt in der Kälte stehen, die sind nicht das Problem. Das Problem ist der Erpressungsversuch.“ Omid Nouripour, außenpolitischer Sprecher der Grünen, vor drei Wochen in der TAZ taz.de/Krise-an-be...r-Grenze/!5815401/

    Geht auch zu Hause, paar Leute in der Kälte, kein Problem:

    "Im Berliner Nahverkehr sind am Mittwoch strengere Corona-Vorschriften in Kraft getreten. Die 3G-Regel, nach der nur Geimpfte, Genesene und Getestete mit Bahnen und Bussen fahren dürfen, muss künftig auch auf Bahnsteigen beachtet werden,berichtet die „Berliner Zeitung“. Das hat nicht nur Folgen für Fahrgäste, sondern auch für Obdachlose, die im Winter oft Zuflucht auf Bahnsteigen suchen.

    Ausnahmen für Obdachlose würden nicht gemacht, betonte die Berliner Sozialverwaltung auf Anfrage der Zeitung" Folgen für Fahrgäste, sondern auch für Obdachlose, die im Winter oft Zuflucht auf Bahnsteigen suchen. www.rnd.de/panoram...ZCIR22ZEG4QFU.html

  • Herkunft:



    mittelhochdeutsch „sundern“, althochdeutsch „suntarōn“.[1]



    Synonyme:



    [1] scheiden, separieren, trennen

    Ach was! © Loriot -

    Es gab mal die Wette unter Jungpastoren:



    Daß frauman eine Predigt nicht via Bibeltext!! mit “sondern“ beginnen könne!



    & Däh - “Topp - die Wette gilt!“



    Winner des goldenen Bäffchens!! Applaus Applaus!



    “Sondern & Sichten wird der Herr!… usw usf!“



    & damit in medias res - mittenmang - wa! Ab Sondern!=>



    “Das Verb ist seit dem 9. Jahrhundert!! belegt.



    Herkunft: Ableitung von sondern mit dem Präfix ab-



    Beispiele:



    [1] Die Drüse sondert ein Hormon ab.



    [1] Was er wieder für einen Unsinn absondert, da mag doch keiner mehr zuhören.



    [2] Sie sondert sich immer gleich von der Gruppe ab.



    [3] Das kranke Fohlen sollten wir von den anderen Tieren absondern.



    Wortbildungen: absonderlich, Absonderung“



    de.wiktionary.org/wiki/absondern



    & next törn =>



    “ Siehe auch: Absondern …



    Grundform von: absondert, abgesondert



    Sachgebiet: Technik



    Synonym: lossagen, schwitzen, abteilen, zumauern, aussperren, ausschließen, isolieren, abtrennen, abschneiden, abschließen, vergraben, absperren, einigeln, aussondern, abscheiden, errichten, zurückziehen, ausscheiden, abseits, ausschalten, scheiden, ausschwitzen, fernhalten, fällen, abschotten, verschließen, meiden, transpirieren, abgeben, auswerfen, abspalten, entziehen, ausstoßen, trennen, ausnehmen, bluten, abkapseln, separieren“



    corpora.uni-leipzi...011&word=absondern



    & einer geht noch - wa!



    “ …Was er wieder für einen Unsinn absondert, da mag doch keiner mehr zuhören;)).…(zitier nur - sorry)

    kurz - Wennse mal wieder was absondern! Newahr.



    Herr Steffen Grimberg - einfach mal das Flimmern & Rauschen!



    Solange - absondern öh abschalten & 🧠 in die Weiche!



    Ne gute Weile am Griffel kauen - Tintenklecks auflecken=satt!



    Victor Klemperers LTI - nicht nur zum Absondern - sondern - in echt - Lesen - wa!



    Vorm Absondern! Wollnich. And then - try it a gähn!



    Dank im Voraus!



    Normal.

    • @Lowandorder:

      ps helf mal => Selektion/selektieren -

      Selektion/selektieren



      Der Ausdruck Selektion/selektieren steht – neben seiner "traditionellen" Gebrauchsweise als Fachsprachenterminus der Biologie und Pädagogik im Sinne von "Zuchtwahl/Auswahl" bzw. als alltagsprachlicher Ausdruck mit der allgemeinen Bedeutung "Auswahl" – seit Mitte der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts auch (oft mit dem Zusatz an/auf der Rampe) für die von den Nationalsozialisten in den Konzentrations- bzw. Vernichtungslagern durchgeführte "Absonderung" der Häftlinge. Selektion an/auf der Rampe bedeutete, dass die Häftlinge nach ihrer Ankunft in den Lagern vom Lagerpersonal – vorwiegend KZ-Ärzten – nach ihrer "Arbeitsfähigkeit" aufgeteilt wurden. Die "nicht-arbeitsfähigen" Häftlinge wurden gefoltert, erschossen oder in den als Bade-, Dusch- oder Inhalationsanlagen getarnten Gaskammern mit Zyklon B vergast, während die als "arbeitsfähig" eingestuften Inhaftierten zum "erschöpfenden Arbeitseinsatz", d.h. zur Zwangsarbeit gemäß dem Programm "Vernichtung durch Arbeit" in die Lager verbracht wurden. Anders als die für die nationalsozialistische Ideologie zentralen Vokabeln Auslese und Ausmerze war der Ausdruck Selektion/selektieren kein offizieller Terminus der Nationalsozialisten.

      Mit der ab den sechziger Jahren einsetzenden gesellschaftspolitischen bzw. juristischen Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen avancierte der Ausdruck Selektion/selektieren zum bis heute gebrauchten Schlagwort, in dem die menschenverachtende industrialisierte Massenvernichtung von Menschen durch die Nationalsozialisten komprimiert wurde. Er wird – wenngleich kein "offizieller" NS-Terminus, so doch als Vokabel der Täter bzw. der Verbrechens-Bezeichnungen – seit den späten siebziger Jahren in verschiedenen gesellschaftspolitischen Kontroversen als impliziter wie expliziter NS-Vergleich – z.B. in der Berichterstattung über den bundesdeutschen Terrorismus, in der Bildungsdebatte, in den Auseinandersetzungen über Abtreibung, ff

      • @Lowandorder:

        ff & Rest



        … Sterbehilfe, Stammzellenforschung Pränataldiagnostik – instrumentalisiert bzw. als solcher kritisiert.“



        www.bpb.de/politik...744/stigmavokabeln

        “ Zehn Stigmavokabeln - Thorsten Eitz



        Anschluss, Gleichschaltung, Selektion: Viele in der NS-Zeit benutzte oder neugeschöpfte Wörter sind heute aufgrund ihrer ideologischen Instrumentalisierung stigmatisiert. Ein Überblick auf zehn Vokabeln und ihre Entwicklung.“

        Sorry - Aber so! Wird ein Schuh draus!



        Jenseits von Flimmern & Rauschen =>



        Erstmal - Lauschen&Denken & erst dann Kleckseln! Newahr.



        Normal Schonn.