Wortkunde: Schluss mit Schland

Deutschland ist raus aus dem Turnier. Keine Schlaaand-Rufe also mehr zu hören in nächster Zeit. Aber woher kommt eigentlich dieses Wort: Schland?

Eine Person in schwarz-rot-gold Vollmontur auf der leeren Stadiontribüne

Es ist vorbei… Foto: Tom Weller/dpa

Das Konterfei von Julian Nagelsmann auf der Cola-Dose hebt sich silbern vom Rot ab. Kurz meine ich eine Träne in seinem Auge zu sehen, aber es ist doch nur Kondenswasser. Dennoch: die Stimmung im Rewe ist gedrückt, die Schwarz-rot-gold-Artikel liegen in den Aktionskisten wie Schoko-Nikoläuse Mitte Januar. Die Niedergeschlagenheit zieht sich bis zu meiner Wohnung. Der Nachbar auf dem Balkon gegenüber faltet andächtig seine strandtuchgroße Deutschlandflagge zusammen.

Vor wenigen Tagen hatte das „Schland o Schland“ aus seinen Boxen noch den 2010er-Vibe kurz zurückgeholt, den wir alle hatten fühlen wollen. Ich rufe zu ihm rüber, ob wir denn zusammen das Halbfinale schauen möchten. „Was für ein Halbfinale?“, grummelt er nur. „Die EM ist vorbei.“ Kein Schland, keine EM. Ob ich sein Check24-Trikot haben möchte, er schmeiße es sonst nachher zu den Altkleidern. Ich schüttle den Kopf, nippe an meiner Nagelsmann-Cola.

Kein Schland, keine EM, wiederhole ich in Gedanken. Seitdem mir die Existenz einer deutschen Nationalmannschaft bewusst ist – etwa seit Beginn der Nullerjahre – kommt immer wieder dieses unangenehme Wort auf: Schland. Schland kann man einfach schreien.

Und Schland erinnert an verlaufene Schwarz-rot-gold-Schminke im Gesicht, an Endlich-wieder-stolz-sein-können-auf-sein-Land, an Bierdusche und Schweiß beim Public Viewing und Grillschürze mit Fußballmotiv. Aber auch an Merkel-Ära und Schlandkette. Warum, frage ich mich nun nach fast zwei Jahrzehnten des Fremdschämens. Warum eigentlich „Schland“?

Neologismus der Nullerjahre?

„Leider ergab Ihre Suchanfrage keine Treffer. Meinten Sie Hochland, Schlange oder Schlankl?“ In den Duden hat der Begriff es wohl noch nicht geschafft, bemerke ich. Wikipedia weiß mehr: „Schland [ ’∫lant] ist ein humoresk konnotiertes Kunstwort und eine Abkürzung von,Deutschland'.“

Und das Neologismenwörterbuch ordnet ein: Neologismus der Nullerjahre. Neutrum. Umgangssprachlich. Bedeutungsangabe: „Deutschland als Land, dessen Bewohner ihre Fußballnationalmannschaft in einer Welt- oder Europameisterschaft feiern.“ Typische Verwendungen: „Schland“ rufen, „Schland“ brüllen, „Schland“ grölen, ein fröhliches „Schland“. Also: keine EM, kein Schland?

Ich suche weiter und stoße auf: Stefan Raab! Er hat den „Schlaaand“-Ruf groß gemacht, lese ich, damals bei „TV total“. Und ihm beziehungsweise seiner Produktionsfirma gehört mittlerweile sogar die Wortmarke. Schland ist Eigentum von Stefan Raab.

Dabei, erfahre ich weiter, war der Begriff nicht mal seine Idee. Sondern die des Künstlers Knut Kargel. Das allererste Mal tauchte „Schland“ tatsächlich schon 1988 auf. In zwei Schwarz-Weiß-Fotocollagen, die das von Helmut Kohl regierte Deutschland kritisieren sollten: „Kohl and the Gang“ und „Schland-Suche“. Ausgerechnet 1988. Als Rudi Völler noch Spieler war und im entscheidenden Vorrundenspiel zwei Tore schoss. Gegen Spanien!

Vielleicht ganz gut, dass es Fußball-Schland damals noch nicht gab.

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Geboren 1995 in Kaiserslautern, bis Januar 2023 taz Panter Volontärin. Sie studierte Mathematik in Madrid und Heidelberg. Schrieb dort für Studierenden- und Regionalzeitung. Seit 2022 schreibt sie im Wechsel mit Aron Boks die taz.FUTURZWEI-Kolumne "Stimme meiner Generation".

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