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ElbtowerHamburg kauft Olafs Stummel

Der Hamburger Senat erwägt, einen Teil des halbfertigen Hochhauses an den Elbbrücken zu kaufen, um dort ein Naturkundemuseum unterzubringen.

Prominente Lage direkt am Stadteingang: Hamburgs Elbtower Foto: Marcus Brandt/dpa

Entgegen früherer Versprechungen will der Hamburger Senat nun doch bei dem stillstehenden Hochhaus-Projekt Elbtower einsteigen. Wie Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und seine Kollegen am Dienstag vor der Presse darlegten, erwägt die Stadt, zwölf Etagen des Hochhauses zu einem Festpreis von 595 Millionen Euro zu kaufen, um darin ein Naturkundemuseum unterzubringen. Zugleich soll der Wolkenkratzer von 245 auf 199 Meter schrumpfen. Eine Kaufzusage würde es einem Investorenkonsortium ermöglichen, das Hochhaus fertig zu bauen.

Der Elbtower soll den Abschluss des neuen Stadtteils Hafencity an den Elbbrücken bilden. Selbst in der reduzierten Version wäre er etwa doppelt so hoch wie die übrigen Hochhäuser der Stadt. Hundert Meter Höhe hat der Rohbau bisher erreicht. Doch seit Oktober 2023 tut sich auf der Baustelle nichts mehr.

Nachdem die Bauherrin Signa Prime Selection längere Zeit Rechnungen nicht bezahlt hatte, stellte die Baufirma Rupp die Arbeit ein. Signa Prime Selction gehörte zum Imperium des Immobilien-Wunderkindes René Benko, dem das Ende der Niedrigzinsphase, in Kombination mit seinem schneeballartigen Geschäftsmodell, das Genick brach: Er musste Insolvenz anmelden. Benko steht seit Freitag in Innsbruck vor Gericht, weil er Vermögenswerte im privaten Insolvenzverfahren beiseitegeschafft haben soll.

Bei dem Geschäft mit Benko hatte sich die Stadt auf vielfache Weise abzusichern versucht. Das Projektrisiko sollte allein bei dem Investor liegen. Noch im vergangenen Jahr versprach Tschentscher: „Der Senat beabsichtigt definitiv nicht, die Federführung oder Regie für den Weiterbau zu übernehmen oder sich mit eigenem Kapital an der Fertigstellung zu beteiligen“, worauf die Opposition genüsslich hinweist und dem Bürgermeister Wortbruch vorwirft.

Öffentliche Gelder zum Wohl von In­ves­to­r*in­nen

Die Co-Fraktionsvorsitzende der Linken, Heike Sudmann, sagte, der Senat mache „einmal mehr deutlich, dass sie jederzeit bereit sind, öffentliche Gelder zum Wohl von In­ves­to­r*in­nen aus dem Fenster zu schmeißen“. CDU-Fraktionschef Dennis Thering sprach von einer „Schock-summe von 595 Millionen Euro, für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler“, für die der Senat eine Gegenfinanzierung schuldig bleibe.

Allerdings ist es nicht so leicht auszuhalten, jeden Tag eine Bauruine vor der Nase zu haben. Der Plan, den der Senat gerade erarbeitet, sieht daher vor, sich nicht mit Kapital an dem Investorenkonsortium zu beteiligen, sondern den Teil für das Museum in mehreren Raten zu kaufen.

Dabei würde die Stadt aber auf bestimmten Baufortschritten bestehen. „Die erste Rate würde erst fälllig, wenn der Elbtower äußerlich fertig ist“, sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD). Falls dann wieder etwas schiefginge, könnte die Stadt zum Preis des Grundstückrückkaufs einen fortgeschrittenen Bau erwerben, sagte Tschentscher.

Dem Senat zufolge haben Prüfungen verschiedener Behörden und städtischer Gesellschaften ergeben, dass sich das Museum technisch und funktional in die unteren Etagen des Elbtowers einpassen ließe. Im Vergleich zu einem Neubau wäre diese Lösung um 230 Millionen Euro billiger. Sie hätte zudem den Vorteil, das Museum schätzungsweise zehn Jahre früher, also womöglich schon 2029 eröffnen zu können.

Angesichts dieser Differenz könne der Senat eigentlich gar nicht anders, als die Option Elbtower zu ziehen, sagte Dressel. Bauen müsse Hamburg das „Evolutioneum“ so oder so. Denn in einem Staatsvertrag mit dem Land Nordrhein-Westfalen hat sich Hamburg verpflichtet, ein Gebäude für das gemeinsame Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB) zu errichten.

Auf den Vorwurf des Wortbruchs erwiderte Tschentscher: „Ich kann nicht wegen der öffentlichen Diskussion sagen, ich kann die günstigste Option nicht wählen.“ Über das Teileigentum hinaus werde die Stadt keine wirtschaftlichen Risiken tragen. „Der Maßstab bleibt, dass die Fertigstellung in der Verantwortung der Investoren liegt“, betonte der Bürgermeister.

Finanzsenator Dressel versicherte, die 595 Millionen Euro wären „Global-Pauschal-Festpreis, der nicht überschritten werden darf“ für ein schlüsselfertiges Museum. Nun hat die Stadt so ihre Erfahrungen mit Festpreisen gemacht – namentlich bei der Elbphilharmonie. Dressel versichert, der Senat habe daraus gelernt und alle möglichen Sicherungen eingebaut: Rechtsanwälte, die die Transaktion prüfen, eine umfassende Risikobewertung, sowie einen detaillierten Leistungskatalog.

Bei der im Preis explodierten Elbphilharmonie war eines der Probleme, dass das Projekt nicht durchgeplant war und spätere Wünsche teure Umplanungen und Umbauten notwendig machten. Und auch das geplante Forschungsmuseum in Hamburg mit seinen Labors, Sammlungen und einer möglichst attraktiven Ausstellung ist keine triviale Bauaufgabe, wenn Exponate wie ein vier Meter langer, in Alkohol schwimmender Hai darin unterzubringen sind.

CDU-Fraktionschef Dennis Thering sprach von einer Schock-summe von 595 Millionen Euro, für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, für die der Senat eine Gegenfinanzierung schuldig bleibe.

Bernhard Misof vom Leibniz-Institut versicherte am Dienstag, an dem Naturkundemuseum in Hamburg werde schon sehr lange mit internationalen Fachplanern und Experten gearbeitet. „Deswegen können wir sehr genau und belastbar schätzen, welche Kosten auf uns zukommen.“

Der Leiter des Bonner Forschungsmuseums Koenig hatte während der gesamten Presskonferenz ein freudiges Lächeln im Gesicht. „Wir als LIB sind absolut begeistert“, sagte Misof. Im LIB werden das Centrum für Naturkunde der Uni Hamburg (Cenak) und das Zoologische Forschungsmuseum Alexander-Koenig-Leibniz-Institut für die Biodiversität der Tiere zusammengeschlossen.

Weltweit bedeutendes Zentrum für Klimaforschung

Wenn das Naturkundemuseum fertig sei, werde Hamburg nicht nur ein weltweit bedeutendes Zentrum für Klimaforschung haben, sondern auch ein weltweit bedeutendes Zentrum für Biodiversitätsforschung, sagte Misof – und dann auch noch eines, mit dem sich das Thema kommunizieren lasse.

Die vorgestellten Eckpunkte will der Senat in der kommenden Woche beschließen, so dass die städtische Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement federführend mit dem Investorenkonsortium um die Firma Becken Development verhandeln kann. Das Konsortium verhandelt wiederum exklusiv mit dem Insolvenzverwalter.

Die Kürzung des Wolkenkratzers von 64 auf 52 Stockwerke wurde dem Senat zufolge zusammen mit dem Architekten David Chipperfield entwickelt. Sie sei „städtebaulich verträglich“.

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1 Kommentar

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  • Wie aus dem Artikel hervorgeht, scheint sich die Investition doch, im Gegensatz zu anderen Planungen für das Naturkundemuseum, zu rentieren.



    Generell halte ich den Kauf für zukunftsweisender, als jährliche Mieten in Millionenhöhe, die auch schon im Gespräch waren.



    Trotz viel Gemecker ist die Elbphilharmonie ein Publikumsmagnet geworden, mit dem Hamburg gut dasteht.



    Vielleicht schaut sich der eine oder andere Kritiker mal in der Welt um, was andernorts so gebaut wird. Wenn Deutschland weiterhin etwas gelten will, müssen auch mal ein paar Prestige Projekte finanziert werden.



    Ein Bungalow ist da nicht mehr ganz zeitgemäß.



    Die Umplanung auf eine geringere Höhe des gesamten Gebäudes erscheint als gutes Einsparpotential und als höchstes Gebäude Hamburgs besteht auch weiterhin keine Gefahr einer Bungalow Optik.



    Hamburg ist durch sein Unternehmertum groß geworden. Ein bisschen Mut gehört schon dazu!