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Wolfsjagd in SchwedenFrei zum Abschuss

In diesem Jahr dürfen in Schweden so viele Wölfe erlegt werden wie noch nie. Bereits in den ersten Tagen von 2023 starben 33 Raubtiere.

In Schweden gerade nicht gerne gesehen: der Wolf Foto: alimdi/imago

Stockholm taz | „6. Januar 11.18 Uhr, Abschuss eines weiteren Wolfs im Jagdrevier Juvberget-Ulvåa“, meldet die Zeitschrift des schwedischen Jägerverbands „Svensk Jakt“ am Freitagmittag bei der laufenden Bilanzierung der diesjährigen Wolfsjagd auf ihrer Website. Beinahe Halbzeit. Am 2. Januar hatte die Jagd begonnen. Bis zum 15. Februar dürfen in 12 Jagdrevieren insgesamt 75 Wölfe getötet werden. Zum Beginn des fünften Jagdtags war bereits das 33. Tier erlegt worden.

Mit einer Jagdquote von 75 Tieren ist die Wolfsjagd 2023 die umfassendste, seit Stockholm diese größte Jagd im Jahre 2010 wieder genehmigt hat. In den vergangenen 13 Jahren waren bei den Lizenzjagden insgesamt 203 Wölfe gejagt worden. Der auf aktuell 460 Wölfe geschätzte Bestand sei zu hoch, lautet die Begründung der Regierung für die massive Erhöhung der diesjährigen Jagdquote. In Deutschland wird die Anzahl der Wölfe auf rund 1.700 Tiere geschätzt.

„Die Zunahme der Wolfspopulation hat negative Auswirkungen auf viele Menschen, die auf dem Land leben, auf deren Tierhaltung und damit unsere Lebensmittelversorgung“, sagte Peter Kullgren, der Landwirtschaftsminister, in einem Interview zum Jahreswechsel. Außerdem kündigte er an, selbst an der Jagd teilnehmen zu wollen. Die neue Regierung plane, den Bestand in den kommenden Jahren weiter zu verkleinern. Dafür gebe es im Parlament eine breite Mehrheit.

Die schwedische Naturschutzbehörde bekam den Regierungsauftrag, bis Oktober kommenden Jahres zu untersuchen, ob eine Halbierung der Wolfspopulation auf ein Niveau von nicht mehr als 170 Tiere möglich ist – ohne mit Brüssel und der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) in Konflikt zu geraten. Den rechtspopulistischen Schwedendemokraten geht auch das noch zu langsam. „Gar keine Wölfe mehr in Schweden“, ist das Ziel ihres jagdpolitischen Sprechers Magnus Persson.

Die Lizenzjagd auf Wölfe ist umstritten

Umgekehrt kritisieren die Grünen und mehrere Naturschutzorganisationen bereits die diesjährige Jagdquote als unwissenschaftlich und als eine Gefahr für die Überlebensfähigkeit eines zunehmend von Inzucht bedrohten Wolfsbestands. Guillaume Chapron, Biologe an der schwedischen Landwirtschaftsuniversität SLU, wirft der Regierung vor, gegen die in der FFH aufgestellte Pflicht zur Sicherung eines „günstigen Erhaltungszustands“ für die Wolfspopulation zu verstoßen.

„Das ist so, als ob ein Arzt einen Patienten mit dem einzigen Ziel untersucht, ihn für gesund zu erklären, und deshalb wichtige Symptome ganz einfach ignoriert“, sagt Chapron. Die EU-Kommission prüft seit 2010, ob Schweden mit seiner Lizenzjagd auf Wölfe gegen die FFH-Richtlinie verstößt, ohne aber bislang zu einem Beschluss gekommen zu sein.

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5 Kommentare

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  • Die Diskussion über den günstigen Erhaltungszustand des Wolfes ist in Deutschland erst nach "Mord" an Dolly durch den Ponykiller offener geworden. Dolly ist zufällig ein Pony der bekannten Familie Albrecht/von der Leyen gewesen.



    Danach hat sich die Presse das Thema nicht mehr indexiert (Precht und Welzer in "die vierte Gewalt " S.109), sondern neu bewertet.



    Ein anderes Pony wäre völlig egal gewesen.Jetzt ist das Pony der Familie von der Leyen tot. Damit kann der Umgang mit dem Wolf in Deutschland ergebnisoffener diskutiert. Das Problem Wolf hat die machtlos Peripherie verlassen und ein Zentrum der Machtausübung erreicht. Machtausübung ist gerichtet und Macht über den Umgang mit dem wolf hat in Deutschland nur die EU in Brüssel. Was Betroffene Büger:innen wollen ist bis zum Tod von Dolly nicht anzuerkennen gewesen. Selbst die taz hat den Begriff Ponykiller benutzt und sich der Macht an die Brust geworfen.

  • "Die EU-Kommission prüft seit 2010" ?!

    Unmögliches wird sofort erledigt, Wunder dauern etwas länger

  • Super das es in Europa noch Länder gibt die Rücksicht auf die Landbevölkerung und Tierhalter hat. HIER MUSS sich Deutschland ein Beispiel nehmen.

    • @Günter Witte:

      Das hat mit Rücksicht auf die Landbevölkerung nur in so weit zu tun, als man schiesswütigen Jägern widerrechtlich die Jagd auf den Wolf erlaubt. Für die Tierhalter bringt das überhaupt nichts, denn für die Sicherheit der Weidetiere entscheidet alleinig die ordentliche Ausführung von Herdenschutzmaßnahmen. Ein widerrechtliches Handeln einer Regierung als Beispiel für Deutschland hinzustellen, das muss man wohl nicht kommentieren. Schade, dass sich bei dem Thema jeder "Hans und Franz" meint äußern zu müssen, auch wenn jegliche fachliche Qualifikation so offensichtlich fehlt!

  • ??????

    Die wissen schon, dass es zu einer Generosion kommen kann und die Wolfspopulation aussterben wird, wenn man weiterhin versucht die Population auf unter 400 zu halten?

    Man nehme den intensiv bejagten Pardelluchs als Beispiel, der trotz erfolgreichen Wiederansiedlungsversuchen aus Zoos und neu errichteten Schutzzonen mehr und mehr von der Bildfläche verschwindet. Die in der Wissenschaft genannte "kleinste überlebensfähige Population" ist mit einer derartigen Anzahl an Luchsen oder hier bei Wölfen zu gering. Bei kontrollierter Bejagung wird in mittelfristiger Zeit der Wolf aussterben. Gut für den "zivilisierten" Papa, der nicht will, dass das Kind aufgefressen wird. Schlecht für die Biodiversität.