piwik no script img

Wohnungsnot in BerlinWettstreit der Gesetzentwürfe

Nun präsentiert auch die Grünen-Fraktion ihre Vorstellungen zur Regulierung des Wohnungsmarkts. Vorgelegt hatte vor zwei Wochen die Linksfraktion.

Sozialwohnungen gibt es derzeit viel zu wenige in Berlin Foto: Olaf Schuelke/imago

Berlin taz | Nach der Links-Fraktion hat am Dienstag auch die Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus einen Gesetzentwurf zu bezahlbarem Wohnen vorgestellt. Die Debatte über mehr staatliche Regulierung auf dem Wohnungsmarkt ist damit in vollem Gang, und das nicht nur bei der Opposition. Am Samstag hatte bereits Regierungschef Kai Wegner beim CDU-Landesparteitag mehr Mieterschutz angekündigt, ohne allerdings konkret zu werden. Und am Montagabend räumte der designierte SPD-Spitzenkandidat für die Berlin-Wahl 2026, Steffen Krach, mögliche Versäumnisse seiner Partei in der Wohnungspolitik ein: „Wir haben es nicht ausreichend in den Griff bekommen.“

„Bezahlbare-Mieten-Gesetz“ ist der Entwurf überschrieben, den Grünen-Fraktionschef Werner Graf, wie Krach noch unbestätigter Spitzenkandidat, im Parlament Journalisten präsentierte.„Sicher-Wohnen-Gesetz“ lautet der Titel des Papiers der Links-Fraktion, das die vor zwei Wochen öffentlich machte. Beiden gemeinsam ist, dass Eigentümer einen Teil ihrer Wohnungen an Menschen vermieten sollen, die Anrecht auf einen Wohnberechtigungsschein (WBS) haben. Das betrifft über eine Millionen Haushalte.

Beide Entwürfe zielen auf Eigentümer mit mehr als 50 Wohnungen. Für sie gälte: je größer ihr Bestand, umso höher die Quote. Der Neubau ist dabei ausgenommen. Von dort an aber gehen die Vorstellungen auseinander. Die Linke sieht höhere Quoten vor, die sich aber auf die frei werdenden Wohnungen beschränken. Die Grünen hingegen beziehen ihre Quoten auf sämtliche Wohnungen eines Eigentümers. Das hieße, dass, bis die Quote erreicht ist, jede frei werdende Wohnung nur an WBS-Berechtigte ginge. Was laut Graf auch verhindern soll, Geringverdiener ghettohaft in weniger attraktiven Immobilien und Ortsteilen zu sammeln.

Der Grünen-Entwurf sieht folgende Quoten vor: zehn Prozent für Eigentümer mit 51 bis 1.000 Wohnungen, 20 Prozent bei bis zu 2.000 und 30 Prozent bei noch mehr Wohnungen. Bei der Linksfraktion gilt: 30 Prozent bei 50 bis 500 Wohnungen, 40 Prozent bei bis zu 1.000 und 50 Prozent darüber hinaus.

Ausschluss vom Vermietermarkt

Ein anderer Unterschied zwischen den Entwürfen sind die Konsequenzen, die Fehlverhalten für Vermieter haben soll: Die Linken setzen auf Geldbußen von bis zu 500.000 Euro, die Grünen wollen jene, die sich nicht an die gesetzlichen Regeln halten, vom Vermietermarkt ausschließen.

„Ich halte das nicht für besonders klug“, hatte der Linken-Abgeordnete Schenker vor zwei Wochen auf eine taz-Frage hin zu dem Grünen-Ansatz gesagt. Denn wer nicht mehr vermieten dürfte, müsse seine Wohnungen verkaufen – und die könnten so in die Hände eines Hedgefonds kommen, was nicht weiterhelfe.

Schenkers Sichtweise stützte damals Sebastian Bartes als Geschäftsführer des Berliner Mietervereins. Doch dieser war am Dienstag auch bei den Grünen als Unterstützer vertreten – nun durch seinen Vorsitzenden Rainer Tietzsch. Spricht der Verein also mit zwei Stimmen? „Es gibt weit mehr als zwei Stimmen im Berliner Mieterverein“, sagte Tietzsch dazu.

Aus seiner Sicht kann es den Mietern nur helfen, wenn möglichst viel an Ideen auf dem Tisch liegt. Was dann daraus wird, werde Inhalt der gesellschaftlichen Diskussion sein. Beide Fraktionen wollen ihre Entwürfe breit debattieren lassen und danach ins Parlament einbringen. Die Grünen peilen dafür 2026 an.

Kein Vertrauen in Wegners Ankündigungen

Laut Graf geht es ohnehin nicht um einen Wettstreit der Oppositionsfraktionen: „Unser Gegner ist die Rückschrittskoalition (gemeint ist Schwarz-Rot; Anm. d. Red.), die nichts für die Mieter tut.“ Regierungschef Wegner sah das am Samstag beim CDU-Parteitag zwar anders, räumte hier aber gewaltige Probleme ein und will beim Mieterschutz nachschärfen – „Die Mieten sind in den letzten Jahren, und nicht erst seit wir regieren, explodiert.“

Schon vor zwei Jahren hatte Wegner, früher im Bundestag treibende Kraft gegen den Mietendeckel, so sehr mehr Mieterschutz angekündigt, dass die Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger damals jemanden schier „vom Saulus zum Paulus“ mutieren sah. Im Koalitionsvertrag von CDU und SPD ist zwar ein „Wohnraum-Sicherungsgesetz“ vorgesehen, dass laut SPD „in den nächsten Monaten“ auf den Weg kommen soll. Von Quoten steht dort jedoch nichts. Werner Grafs Blick darauf lautete am Dienstag: „Auf Kai Wegners warme Worte kamen nur Kai Wegners kalte Taten.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare