Die Schlinge zieht sich zu
Auf die Immobilienkrise reagieren Wohnungskonzerne mit Mieterhöhungen. Dagegen könnte Vergesellschaftung helfen, Finanzsenator Evers (CDU) schließt das allerdings aus
![](/private/picture/5955018/516/1246345.jpg)
Spielball der Spekulanten: Viele Wohnungen im Falkenhagener Feld in Spandau gehören Vonovia und der Deutsche Wohnen Foto: Foto: S. Gudath/imago
Von Gareth Joswig
, Erik Peter
und Jonas Wahmkow
Als Mieter:in, die nach dem jüngsten Mietspiegel wieder tiefer in die Tasche greifen müssen, ist es schwer zu begreifen: Auch die großen privaten Vermieter sind in der Krise. Nicht etwa weil ihnen die Mieteinnahmen wegbrechen würden – im Gegenteil. Zu schaffen machen den Konzernen vor allem die Kreditzinsen, die sich innerhalb eines Jahres etwa vervierfacht haben. Neuinvestitionen haben sich erheblich verteuert. Dagegen stehen vielerorts sinkende Immobilienpreise, erstmals seit einem Jahrzehnt. Egal ob Vonovia, TAG Immobilien oder Grand City Property – nahezu alle Konzerne versuchen derzeit Wohnungen loszuwerden, um den Schuldenstand zu drücken und solvent zu bleiben. Das große Angebot aber drückt auf die Preise.
Der Stadtsoziologe Andrej Holm sagte der taz, dass die Geschäftsmodelle von börsennotierten Immobilienkonzerne der letzten 10 Jahre nun an Grenzen stoßen: „Die Strategie von Konzernen wie Vonovia und Adler war, ihre Immobilien neu zu bewerten. Sie haben ihre Buchwerte maximal ausgereizt bis übertrieben.“ Wenn es wie jetzt zu einem Einbruch oder Rückgang der Werte komme, stehen die Bilanzen nicht mehr so günstig da. „Die Spekulation mit Buchwerten fällt in sich zusammen, was sich auch auf die Börsenwerte der Unternehmen auswirkt. Weil die Zinsen gestiegen sind und Kredite erneuert werden müssen, sind die Unternehmen in einer Liquiditätsklemme“, sagt Holm.
Holm rechnet jedoch nicht damit, dass zum Beispiel Branchenprimus Vonovia zusammen bricht. Aber das Unternehmen werde seine Strategie ändern: „Jetzt stellt sich die Frage, wer die Rechnung für die überhöhten Immobilienbewertungen der Konzerne zahlen muss“, sagt Holm. Zum einen würden Dividenden und Aktenwerte weiter sinken, zum anderen künftig das Geld aus der Bewirtschaftung gezogen: also vor allem über die zentralen Hebel Mieterhöhungen und Reduzierung der Instandhaltung. Denn auch der Verkauf sei risikobehaftet: „Wenn man zu realistischen Preisen verkauft, lassen sich die hohen Buchwerte nicht mehr rechtfertigen. Hinzu kommt, dass es derzeit kein großes Interesse gibt, weil die Übernahme bei hohen Zinsen auch ein Risikogeschäft ist“, so der Wissenschaftler. Verhältnismäßig kleinere Unternehmen wie Adler und Heimstaden kämen jetzt in die Klemme, möglicherweise drohe auch die Insolvenz. Wenn man sich die Gesamtlage anschaut, treffe letztlich genau das zu, was die Mietenbewegung seit 20 Jahren in die Diskussion gebracht hat: Wohnungen gehörten nicht in die Hände von Börsenunternehmen, so Holm. Der realistischste Weg dieses Problem zu lösen, sei ein Umsetzungsgesetz für den Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co. enteignen. Das hätten zuletzt der Abschlussbericht der Expertenkommission der erfolgreichen Volksentscheids und der Bauausschuss erneut gezeigt. Kritiker dieses Weges seien ansonsten in der Pflicht, tragfähige Alternativen aufzuzeigen, findet Holm: „Das gescheiterte Bündnis mit der Wohnungswirtschaft und das nicht funktionierende Ankurbeln vom Neubau von Privaten sind jedenfalls keine zielführenden Vorschläge für das Problem.“
Ulrike Hamann vom Berliner Mieterverein befürchtet, dass im Zuge der Krise der Immobilienbranche insbesondere der Druck auf Mieter*innen steigt. „In solchen Zeiten verzichten private Wohnungsunternehmen nicht auf die höchstmöglichen Mieterhöhungen“, so Hamann zur taz.
Das habe sich auch beim Austritt der Adler Group aus dem Wohnungsbündnis gezeigt. Darin sollten sich private Konzerne freiwillig auf maximale Mieterhöhungen verzichten – geklappt hat das allerdings nicht. „Selbstverpflichtungen entfalten unter hohem Marktdruck offensichtlich keine Verbindlichkeit“, sagt Hamann.
Auch sie hält es für ein Problem, dass anders als bei den Landeseigenen die Immobilien der Privaten am Finanzmarkt zu hoch bewertet seien. So konnten Wohnungskonzerne größere Kredite für ihre Wachstumsstrategie aufnehmen. „Aber auch wenn eine Blase platzt, und man sieht, dass die Bewertungen nur sehr hoch spekuliert waren, es sich nur um Papierwerte gehandelt hat, ist das für Mieter:innen Anlass zur Besorgnis. Man sieht mal wieder, dass Wohnungen nicht an die Börse gehören“, so Hamann. Wie Mieter*innen-Initiativen fordert auch sie, schnell ein konkretes Vergesellschaftungsgesetz zu schaffen.
Das Geschäftsmodell der Börsen-Konzerne stößt an seine Grenzen
Doch Finanzsenator Stefan Evers (CDU) hat die Vergesellschaftung von Wohnraum jüngst wieder ausgeschlossen: Obwohl die Koalition an einem Rahmengesetz zur Vergesellschaftung arbeite, hält Evers die konkrete Anwendung „aus fiskalischen Gründen für ausgeschlossen“, wie ihn der Tagesspiegel von einem Branchentreffen mit Lobbyverbänden letzten Mittwoch zitiert. Dass die schwarz-rote Koalition nach dem erfolgreichen Volksentscheid überhaupt an einem Gesetz arbeitet, nannte er einen „typischen Formelkompromiss“ mit der SPD. Dabei hält die vom Senat eingesetzte Expert:innenkommission ein konkretes Vergesellschaftungsgesetz für umsetzbar und zielführend.
Man sieht mal wieder, dass Wohnungen nicht an die Börse gehören“