Wohnungskrise in Irland: Fette Profite mit Uni-Unterkünften
Studierende in Dublin blockieren das ehrwürdige Trinity College, um gegen die Erhöhung der Miete für Uni-Unterkünfte zu protestieren.
L etzte Woche erlebten Touristen in Dublin einen Schock, als sie trotz gültiger Eintrittskarten für das Book of Kells, das sich auf dem Campus des Trinity College befindet, nicht eingelassen wurden. Es hieß, dass sie ihr Geld zurückerstattet bekommen würden. Den eigentlichen Grund für die Schließung der prächtigen, 400 Jahre alten Bibliothek nannten die Behörden nicht.
Studenten der Universität protestierten gegen die Erhöhung der Miete für die Uni-Unterkünfte um 2 Prozent. Dublin ist die teuerste Stadt Europas, die Durchschnittsmieten sind mit denen in London vergleichbar und in einigen Fällen sogar noch höher: Ein Haus mit drei Schlafzimmern und einem Bad wird selbst in nicht zentralen Gegenden für mindestens 2.500 Euro vermietet.
Die Wahrscheinlichkeit, obdachlos zu werden, ist etwas, das fast jeder in Dublin erlebt, unabhängig vom Kontostand. Jeden Tag hört man von Menschen, die mit Räumungsbescheiden von Vermietern konfrontiert sind; die Wohnungssuche ist ein Vollzeitjob. Als mir letztes Jahr die Zwangsräumung drohte, verbrachte ich einen ganzen Monat lang die Abende damit, zu telefonieren und E-Mails zu schreiben.
Insgesamt hatte ich 50 Nummern angerufen und 70 E-Mails verschickt. Angst vor der Zwangsräumung hält mich und meine Mitbewohner davon ab, uns beim Vermieter über die kaputte Wasserleitung und andere Dinge zu beschweren, die in diesem alten Haus nicht funktionieren. Wenigstens haben wir ein Dach über dem Kopf.
Der Skandal „Sex gegen Miete“ – ein Undercoverjournalist fand heraus, dass Vermieter in Dublin von Frauen Sex als Gegenleistung für die Vermietung verlangten – scheint die irische Gesellschaft leider nicht zu erschüttern. Zu Beginn des neuen Studienjahrs gibt es Geschichten von irischen Studenten, die täglich zwei, drei Stunden quer durchs Land fahren, um zur Uni zu gelangen, oder die Einschreibung verschieben, weil sie keine Wohnung finden.
Im Lotteriesystem die Wohnung verloren
Die Studenten des Trinity College haben also den richtigen Ort für ihren Protest gewählt: Das Book of Kells bringt jedes Jahr 10 Millionen Euro ein. Die durchschnittliche Monatsmiete für eine Unterkunft am Trinity College beträgt 875 Euro. Der Vorsitzende der Studentengewerkschaft erklärte, der Protest richte sich gegen das „gewinnorientierte neoliberale Modell der Bereitstellung von Unterkünften“, das die Universität praktiziere.
Ich kenne das nur zu gut von der Hochschule, an der ich promoviere: Die Dublin City University hat im vergangenen Jahr mit ihren Unterkünften einen Gewinn von 5 Millionen Euro erzielt. Viele meiner Kollegen wurden vor einigen Monaten obdachlos, als sie ihre Unterkunft durch ein Lotteriesystem verloren, das Kurzzeitstudenden gegenüber Doktoranden bevorzugt.
Viele von ihnen gehörten zu denen, die die Blockade vor dem Book of Kells durchführten. Doktoranden in Irland – wo das Stipendium weit unter dem Mindestlohn liegt – haben sich zusammengeschlossen, um die irischen Standortbedingungen für Hochschulbildung und Forschung zu kritisieren. Offiziell werden wir als Studenten betrachtet, obwohl ein Großteil der Lehrtätigkeit von uns übernommen wird. Erst seit Kurzem werden einige von uns dafür überhaupt bezahlt. Es gibt keinen Krankheits- oder Erziehungsurlaub, keine Mittel für den Kauf von Büchern oder für die Teilnahme an Konferenzen.
Irland will ein globaler kultureller und wirtschaftlicher Schmelztiegel sein, aber: Werden meine Kollegen, die hier promoviert haben, andere dazu ermutigen, ihre Forschungskarriere hier fortzusetzen? Unwahrscheinlich.
Aus dem Englischen übersetzt mit Unterstützung von DeepL
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen