piwik no script img

Wohnungs- und ObdachlosigkeitMehr Menschen ohne Unterkunft

Laut einer Schätzung wächst die Zahl der Wohnungslosen. Eine andere Baupolitik und mehr Sozialarbeiter*innen könnten Abhilfe schaffen.

Folge einer gescheiterten Wohnungspolitik? Etwa 40.000 Menschen mussten 2018 auf der Straße schlafen Foto: dpa

Berlin taz | Im Lauf des Jahres 2018 waren rund 678.000 Menschen in Deutschland kurzzeitig oder dauerhaft ohne Wohnung – deutlich mehr als noch 2017. Das geht aus einer Schätzung hervor, die von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe BAG am Montag vorgestellt wurde. Demnach stieg die Zahl der Menschen ohne feste Bleibe im Vergleich zum Vorjahr um 4,2 Prozent.

Nach wie vor machen dabei Flüchtlinge etwa zwei Drittel der Betroffenen aus. Auf sie geht auch der starke Anstieg der Jahresgesamtzahlen zurück, ihre Zahl wuchs um knapp sechs Prozent. Die Anzahl der Wohnungslosen ohne Fluchthintergrund stieg von 2017 auf 2018 ebenfalls, allerdings um etwas weniger dramatische 1,2 Prozent. Die Unterscheidung ist bedeutsam, weil die Geflüchteten zwar wohnungslos, deshalb aber in staatlichen Heimen untergebracht sind. Ins „klassische“ Bild von Menschen, die keine Wohnung besitzen, passen sie deshalb nicht.

Aber auch die Straßenobdachlosigkeit, wie man sie in den Großstädten oft beobachten kann, ist nicht beispielhaft für die Erfahrung der meisten Wohnungslosen. „Nur“ 41.000 Menschen schliefen 2018 tatsächlich auf der Straße. Die restlichen rund 200.000 Betroffenen – ohne anerkannte Flüchtlinge – hatten zwar zeitweise oder auch dauerhaft keine Wohnung, übernachteten aber nicht unter freiem Himmel, sondern kamen in kommunalen Einrichtungen unter.

Laut Sabine Bösing, stellvertretende Geschäftsführerin der BAG, sind insbesondere junge Erwachsene und Alleinerziehende davon bedroht, ihre Wohnung zu verlieren. Besonders hart: „Acht Prozent der Wohnungslosen sind minderjährig“, so Bösing. Dass die Zahl der Wohnungslosen in Deutschland weiter steigt, nennt sie eine „Misere“ und fordert, dass die Politik handelt: „Der soziale Wohnungsbau muss wieder angekurbelt werden.“ Außerdem sei Präventionsarbeit wichtig. „Es müssen mehr Fachstellen zur Verhinderung von Wohnungsverlusten geschaffen werden.“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • taz: *„Nur“ 41.000 Menschen schliefen 2018 tatsächlich auf der Straße. Die restlichen rund 200.000 Betroffenen – ohne anerkannte Flüchtlinge – hatten zwar zeitweise oder auch dauerhaft keine Wohnung, übernachteten aber nicht unter freiem Himmel, sondern kamen in kommunalen Einrichtungen unter.*

    Ist das nicht toll, das in diesem Land teure Eigentumswohnungen seit Jahren gebaut werden, die armen Menschen, die sich aber keine Luxuswohnung zwischen 400.000 und 1,2 Millionen Euro leisten können, aber auf der Straße oder in einer kommunalen Einrichtung übernachten müssen?

    Es gibt immer mehr obdachlose Menschen (von jung bis alt) in Deutschland, die den steigenden Mietpreisen und der Willkür der Sozialbehörde zum Opfer gefallen sind, aber die Politiker interessieren sich anscheinend nicht mehr für die kleinen Bürger. In Deutschlands Großstädten fehlen fast zwei Millionen bezahlbare Wohnungen. Allein in Berlin fehlen 310.000 bezahlbare Wohnungen und in Hamburg 150.000 Sozialwohnungen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Stadtsoziologen der Humboldt-Universität Berlin und der Goethe-Universität Frankfurt im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Momentan werden auch immer mehr Hatz IV Bezieher aus ihren Wohnungen gedrängt, weil die Wohnung für das Amt zu "teuer" ist (Mietkostensenkung). Der Staat "hilft" also sogar kräftig mit, damit die Obdachlosigkeit in Deutschland noch mehr ansteigt.

    „Die großartig Gleichheit vor dem Gesetz verbietet den Reichen wie den Armen, unter Brücken zu schlafen, auf den Straßen zu betteln oder Brot zu stehlen.“ [Anatole France (1844-1924), französischer Literaturnobelpreisträger]

    Ein Staat der auf der einen Seite immer noch den Art. 20 Abs. 1 GG (Sozialstaatgedanke) im Grundgesetz stehen hat - und auch den Art. 1 GG (Menschenwürde) - auf der anderen Seite aber nicht erkennen will, dass die Armut in diesem Land immer größer wird, in so einem Staat stimmt schon lange etwas nicht mehr.

    • 0G
      08088 (Profil gelöscht)
      @Ricky-13:

      Wenn eine Wohnungen teuer ist, können sich nie alle eine solche teure Wohnung leisten.

      Wenn eine Wohnungen billig ist, wollen nicht alle in einer solchen billigen Wohnung leben UND es können sich auch nicht alle eine billige Wohnung leisten.

      • @08088 (Profil gelöscht):

        Tut mir leid, aber Ihrer "Logik" kann ich nicht ganz folgen. Sollen jetzt keine Sozialwohnungen gebaut werden, weil es Leute gibt, die nicht in so einer Wohnung leben wollen?

        Ich bin ja schon gespannt, wann Politiker fordern, dass man die sichtbare Armut in den Städten (Obdachlose, etc.) endlich wegsperren sollte. Wegsperren ist ja auch einfacher, als etwas gegen die Armut zu unternehmen.

        Wenn wir nicht endlich etwas gegen die Obdachlosigkeit in Deutschland machen, dann sieht es hier bald so aus wie in Skid Row, Downtown Los Angeles - **Homeless Problem in America** www.youtube.com/watch?v=KbTSDuQET94

  • Ergänzend betr. ( Zit.) : "... hatten zwar zeitweise oder auch dauerhaft keine Wohnung, übernachteten aber in kommunalen Einrichtungen"...

    ... WIE DIESEN : www.kathrin-vogler...chlosenunterkunft/ , www.focus.de/polit...ge_id_6275461.html

    WELCHES , WIE BAGATELLISIERUNGEN DER PROBLEMATIK , AN DEM ABSOLUT UNTRAGBAREN FAKT DASS FÜR RUND EINE MILLION MENSCHEN IN DER BRD KEIN ERSCHWINGLICHER WOHNRAUM - UND FÜR THERAPIEBEDÜRFTIGE NICHT ANSATZWEISE AUSREICHEND THERAPIEANGEBOT - EXISTIERT , ÜBERHAUPT GAR NICHTS ÄNDERT !

    Zudem wäre eine Quellenangabe der Zahlen in der Sache hilfreich gewesen , da diese sich nicht mit Aktuellen Offiziellen Angaben decken ...

    www.zeit.de/gesell...se-obdachlosigkeit ; www.zeit.de/wirtsc...ot-deutschland-faq ; www.zeit.de/gesell...fluechtlinge-armut , www.zeit.de/gesell...chicht-bagw-studie , www.zeit.de/wissen...die-unterstuetzung

    Gute Besserung BRD !..

  • 0G
    08088 (Profil gelöscht)

    Die RRG-Verwaltung in Belrin könnte sich verdient machen und die hohen Einnahmen zum Bau von Wohnungen verwenden. Ach da fällt uns auf, dass die Neubauzahlen ja ständig von Frau Lompscher nach unten korrigiert werden müssen.

    Aber wie sagte der Senat bei der Vorstellung des "Mietendeckels" neulich: "auf einem Bein steht man nicht gut."

    Gutes Gelingen!

  • Solange es Jobcenter gibt und keine wirkliche Grundsicherung besteht, wird sich auch durch Wohnungsbau und Sozialarbeiter nichts ändern.