Wochenarbeitszeit: Bei Porsche ist weniger mehr
Wer weniger arbeitet, ist produktiver. Deshalb arbeiten die Angestellten bei Porsche weniger, obwohl die Bücher voll sind. Für die Gewerkschaften ein Signal.
BERLIN taz | „Samstags gehört Vati mir“ – unter diesem Motto startete 1956 der Deutsche Gewerkschaftsbund eine Kampagne, um die Fünftagearbeitswoche in der Bundesrepublik durchzusetzen. Das dauerte noch einige Jahre, aber in den 1970er Jahren waren alle wichtigen Branchen dabei; und schon in den 1980er Jahren begann die starke IG Metall ihren Kampf für die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich.
Nachdem es viele Jahre ruhig war an der Arbeitszeitfront, könnten die Metaller nun wieder einen Anstoß hin zu kürzeren Wochenarbeitszeiten geben: Ab Dezember sollen zumindest die Porsche-Beschäftigten im Stammwerk Stuttgart-Zuffenhausen nur noch 34 Stunden pro Woche arbeiten.
Für die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ist das ein ermutigendes Signal. „Das wird die Debatte um weitere Arbeitszeitverkürzungen beleben“, sagte Tarifexperte Jörg Wiedemuth. Prinzipiell gebe es zwei Möglichkeiten, mit Produktivitätsfortschritten umzugehen: mehr Geld für die Beschäftigten oder kürzere Arbeitszeiten. Kürzere Arbeitszeiten nützten auch den Arbeitgebern. „Wer weniger arbeitet, ist produktiver.“ Die Beschäftigten hätten mehr Kraft und könnten sich besser konzentrieren.
Etwas zurückhaltender gibt sich die IG Metall. Die Arbeitszeitregelung bei Porsche sei zunächst eine rein betriebliche Angelegenheit, sagte Gewerkschaftssprecherin Heike Neumeister. Allerdings gebe es auch in anderen Unternehmen bereits ähnliche Regelungselemente. So könnten zum Beispiel ältere Arbeitnehmer, die stark belastet sind, verkürzt arbeiten. „Wir brauchen mehr altersgerechte Arbeitsplätze.“ Deshalb seien Arbeitszeitverkürzungen auch immer wieder Thema der gewerkschaftlichen Debatte.
Anti-Stress-Verordnung gefordert
In diese Kerbe schlägt auch DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. „Es gibt viele Faktoren, die zu psychischen Belastungen und Stress am Arbeitsplatz führen, und die Arbeitszeit ist nur ein Faktor davon.“ Die Arbeitsbedingungen müssten insgesamt auf den Prüfstand, aber viele Unternehmen würden da zu wenig tun. „Deshalb fordern wir mehr Mitspracherechte für Betriebsräte und eine Anti-Stress-Verordnung, um die Beschäftigten besser zu schützen.“
Arbeitszeitverkürzungen bei VW – Porsche gehört zum Wolfsburger Autokonzern – sind nichts Ungewöhnliches. Legendär ist die 28,8-Stunden-Woche mit entsprechenden Lohneinbußen, durch die der Konzern während der Krise in den 1990er Jahren die Arbeit umverteilte, um Entlassungen zu vermeiden. Diesmal aber geht es nicht um die Reaktion auf eine Krise, ganz im Gegenteil brummt die Porsche-Produktion.
Porsche plant, bis 2018 jährlich rund 200.000 seiner hochpreisigen Fahrzeuge abzusetzen. Im vergangenen Jahr waren es bereits rund 143.000, nach knapp 117.000 im Jahr 2011. Porsche ist hochprofitabel: Bei einem Umsatz von knapp 13,9 Milliarden Euro erzielte das Unternehmen 2012 ein Ergebnis von rund 2,4 Milliarden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge