Wirtschaftsprognose zu Coronakrise: Kein zweites 2009
Die Coronakrise wird die deutsche Wirtschaft nicht so hart treffen, nehmen die Wirtschaftsweisen an. EU-Ländern helfen will Deutschland aber nicht.
Die Ökonomen spielen drei Szenarien durch. Alle drei Projektionen gehen davon aus, dass es im ersten Halbjahr 2020 durch die strengen Kontaktsperren zu einer Rezession kommt. Dieser Abschwung sei „nicht zu vermeiden“. Bleibt die Frage, wie es anschließend weitergeht.
Die Wirtschaftsweisen glauben derzeit, dass ein „Basisszenario“ am wahrscheinlichsten ist und sich eine Entwicklung wie in China abzeichnet. Dort währten die Kontaktsperren nur wenige Wochen. Inzwischen produziert die chinesische Wirtschaft wieder weitgehend ungestört.
In Deutschland könnte sich das Leben also bis Sommer normalisieren. Übers Jahr gerechnet würde die deutsche Wirtschaftsleistung dann um etwa 2,8 Prozent einbrechen. Zum Vergleich: Durch die Finanzkrise ist die deutsche Wirtschaft 2009 um 5,7 Prozent geschrumpft. Zudem würde der jetzige Einbruch schon im nächsten Jahr wieder kompensiert: Für 2021 rechnen die Wirtschaftsweisen mit einem Wachstum von 3,7 Prozent. Denn viele Menschen dürften Anschaffungen nachholen, sobald die Fast-Quarantäne vorbei ist.
Eine Lösung wären Corona-Bonds
Die Ökonomen haben allerdings auch zwei „Risikoszenarien“ berechnet. Zum einen könnte die wirtschaftliche Entwicklung einem V gleichen, sodass auf einen tiefen Einschnitt eine ebenso schnelle Erholung folgen würde. Zum anderen könnte die Coronakrise aber auch wie ein U aussehen, weil sich Absturz wie Aufschwung länger hinziehen. Im schlimmsten Fall könnte die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um 4,5 Prozent schrumpfen und sich auch 2021 kaum erholen.
Allerdings hängen alle Prognosen davon ab, wie sich die Eurozone entwickelt. Vor allem Italien und Spanien sind schwer getroffen – und müssen zugleich höhere Zinsen für ihre Staatskredite zahlen. Eine Lösung könnten „Corona-Bonds“ sein. Dies wären Staatsanleihen, die die Eurozone gemeinsam ausgibt. Auf den Finanzmärkten wären sie heiß begehrt, weil die Anleger dringend nach sicheren Papieren suchen. Die Zinsen für diese Bonds würden also sehr niedrig liegen.
Italien und Frankreich sind empört
In der vergangenen Woche hatten sich neun EU-Staaten – darunter Italien und Frankreich, aber auch Belgien und Luxemburg – für solche Bonds ausgesprochen. Doch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (EVP) ließ am Wochenende wissen, dass Corona-Bonds nur ein „Slogan“ seien, und fügte hinzu: „Daran arbeiten wir nicht.“ Daraufhin hagelte es scharfe Proteste aus Italien und Frankreich.
Der italienische Regierungschef Giuseppe Conte warnte: „Die Europäische Union hat eine Verabredung mit der Geschichte, und die Geschichte wartet nicht.“ Der parteilose Politiker hatte sich schon beim EU-Gipfel am vergangenen Donnerstag für Corona-Bonds eingesetzt, war jedoch bei Kanzlerin Angela Merkel abgeblitzt.
„Anfangen, europäisch zu denken“
Viele Eurostaaten fürchten, dass von der Leyen zu sehr auf Merkel hören könnte. Die EU-Kommissionspräsidentin müsse alle Ländern vertreten, fordern ihre Kritiker. „Sie muss unabhängig von allen Regierungen handeln und für das gemeinsame Interesse einstehen“, twitterte EU-Experte Alberto Alemanno. „Frau von der Leyen sollte anfangen, europäisch zu denken, statt sich zum Sprachrohr der deutschen Bundesregierung zu machen“, erklärte der grüne Europaabgeordnete Rasmus Andresen.
Von der Leyen lässt diese Kritik an sich abprallen. „Wir wissen, dass es eine Debatte gibt“, sagte ihr Sprecher Eric Mamer am Montag in Brüssel. Die EU-Kommission müsse sich jedoch an das EU-Recht halten. Darin sind gemeinsame Anleihen bisher nicht vorgesehen.
Die Gesetze ließen sich jedoch ändern, wenn es einen gemeinsamen politischen Willen gäbe. Der frühere EU-Kommissionschef Jacques Delors sagte am Wochenende: „Die fehlende europäische Solidarität stellt eine tödliche Gefahr für die EU dar.“ Es klang wie eine Warnung an seine Amtsnachfolgerin.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Nichtwähler*innen
Ohne Stimme