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Wirtschaftsforscher über Investitionen„Die Zinsen müssen künftige Generationen nicht überfordern“

Die kommende Regierung hat ein Investitionsprogramm von einer Billion Euro beschlossen. Damit haben sie die Forderungen des Ökonomen Jens Südekum übertroffen.

Baustelle einer Brück ebei Lüdenscheid Foto: Markus Klümper/imago
Hannes Koch
Interview von Hannes Koch

taz: Von null auf eine Billion Euro. Bedeuten die Beschlüsse von Union und SPD das Ende der Schuldenbremse?

Jens Südekum: Die Regel im Grundgesetz soll nicht abgeschafft, sondern massiv reformiert werden.

Bild: HHU
Im Interview: Jens Südekum

lehrt und forscht als Professor für internationale Wirtschaft an der Universität Düsseldorf. Zudem ist er Mitglied im wissen­schaftlichen Beirat des Wirtschafts­ministeriums

taz: Wenn die Bundeswehr unbegrenzte Mittel erhält, die 500 Milliarden Euro überschreiten können – wird die Ukraine dann alle nötigen Waffen bekommen?

Südekum: Dazu sagt der Beschluss vom Dienstagabend nichts. Die finanziellen Mittel wären jedoch vorhanden.

taz: Weitere 500 Milliarden Euro aus neuen Krediten sollen in Sanierung und Neubau von Bahnstrecken, Brücken, Krankenhäusern, Schulen und weiterer öffentlicher Infrastruktur fließen. Doch von Investitionen in Klimaneutralität ist wenig die Rede.

Südekum: Ein Schwerpunkt des Investitionsprogramms wird die Bahn sein. In der Folge dürfte der Ausstoß von Kohlendioxid sinken. Öffentliche Gebäude werden hoffentlich gedämmt und mit ökologischen Heizungen ausgestattet. Und wenn auf besseren Autobahnen mehr Elektroautos fahren, ist auch das eine gute Sache.

taz: Müssen die hohen zu­sätzlichen Schulden später von den jetzt jungen Leuten beglichen werden?

Südekum: Nein. Staatliche Schulden werden in der Regel nicht zurückgezahlt, sondern immer in die Zukunft weitergereicht. Wenn die Bundesfinanzagentur eine Anleihe abträgt, tut sie das, indem sie eine neue ausgibt. Der entscheidende Punkt ist ein anderer: Wie hoch sind die Zinsen, die der Staat aus seinen laufenden Einnahmen finanzieren muss, und wie schnell wachsen die Wirtschaft und damit die Steuereinnahmen? Mit dem jetzigen Paket dürfte das Wachstum spürbar anziehen, das zeigen bereits erste Studien. Deshalb müssen die Zinsen künftige Generationen keineswegs überfordern.

taz: Im Vergleich zu anderen großen Wirtschaftsnationen hat Deutschland noch eine relativ geringe Staatsschuldenquote von 64 Prozent. So gesehen existiert jetzt ein Spielraum. Aber irgendwann müssen wir doch wieder auf die Bremse treten?

Südekum: Man darf es natürlich nicht übertreiben. Ein Investitionsprogramm in der Größenordnung von 1.000 Milliarden Euro bringt die deutsche Staatsverschuldung nicht in einen gefährlichen Bereich. Erst mal wird die Schuldenquote im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung zwar steigen, vielleicht in die Größenordnung von 70 Prozent. Aber in einigen Jahren geht sie auch wieder zurück, weil das Bruttoinlandsprodukt durch den Impuls deutlich wächst.

taz: Kann die staatliche Verwaltung so viel Geld überhaupt sinnvoll ausgeben?

Südekum: Damit das gelingt, müssen die Planungs- und Genehmigungsverfahren schneller werden. In Düsseldorf ist zum Beispiel eine Rheinbrücke für den Autoverkehr gesperrt. Die Sanierung soll bis 2040 dauern. Das liegt an der komplizierten Verwaltung, ihren strengen Kriterien und zahlreichen Beteiligten. Da müssen wir aufräumen. Drei oder fünf Jahre für einen Brückenbau sollten reichen. Dass das möglich ist, zeigt die Beschleunigung beim Bau von Windrädern und Energienetzen.

taz: Durch die großen öffentlichen Summen wird die Nachfrage stark zunehmen. Treibt das die Preise und erhöht die Lebenshaltungskosten für die Privathaushalte?

Südekum: Nicht unbedingt. Weil das Investitionsprogramm auf zehn Jahre angelegt ist, haben die Unternehmen eine gewisse Planungssicherheit. Das heißt, sie können ihre Produktionskapazitäten ausbauen. Also wächst nicht nur die Nachfrage, sondern auch das Angebot. Das dämpft die Inflation.

taz: Zusammen mit drei Ökonomenkollegen hatten Sie vorgeschlagen, 900 Milliarden Euro zusätzlich für Verteidigung und Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Waren Sie erstaunt, dass die Koalitions­verhandlerInnen noch darüber hinaus gingen?

Südekum: Damit hatten wir nicht gerechnet. Wir nahmen an, dass es auf einen Kompromiss mit geringeren Summen hinausläuft. Jetzt ist das Ergebnis jedoch viel besser: Die unbeschränkten Verteidigungsausgaben senden das richtige Signal an Wladimir Putin.

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