Wirtschaft nach Trump-Zöllen: Wettbüros und Aktienmärkte
In ETFs anzulegen war bisher so rentabel, wie auf den FC Bayern München zu wetten. Dann kam der Crash. Ein Glück, wenn man wenig zu verlieren hat.
W ir gehen durch schwierige Zeiten. Aber für die einen sind die Zeiten meistens schwieriger als für die anderen. Diejenigen, die gewöhnlich durch schwierige Zeiten gehen, können sich dieses Mal zurücklehnen und den Frühling genießen, zumindest solange das Monatsende noch fern ist. Schwierig sind die Zeiten gerade für jene, die ansonsten nicht von Geldsorgen geplagt sind.
Woher weiß jemand wie ich um diese Not, dessen sozialer Aufstieg ihm zwar die Angst vor dem Monatsende genommen hat, dem Anlagepläne aber weiterhin fremd bleiben? Ich weiß das von den geschätztem Kolleg:innen, die seit den Zollankündigungen von US-Präsident Donald Trump die Zeitungen der Republik vollschreiben mit Artikeln über ETFs. Immerhin war im vergangenen Jahr jeder sechste Deutsche im Aktienmarkt unterwegs.
ETFs, das sind sogenannte passive Investmentfonds, die einen ganzen Aktienindex abbilden, und das Risiko des Anlegers breit streuen. Sie haben sich in den vergangenen Jahren als rentable wie sichere Anlage erwiesen. Aber was bedeutet das schon? Der Index MSCI World, der FC Bayern München unter den ETFs, verlor seit Trumps Zoll-Ankündigungen über 10 Prozent seines Werts.
„Kursstürze an den Finanzmärkten: Soll ich jetzt meinen ETF verkaufen?“, denkt der Spiegel deshalb für seine besorgte Leser:in laut nach.
„Was machen die Verluste an der Börse mit Ihnen?“, fragt Zeit Online sein Publikum einfühlsamer.
„ETF verkaufen und später wieder kaufen? Wir haben nachgerechnet“, versucht es das Handelsblatt etwas nüchterner, mit dem Verweis darauf, dass hier tatsächlich jemand etwas ausgerechnet hat und nicht nur wild herumspekuliert.
Zum Glück gibt es aber auch Publikationen, die nicht ganz so hoffnungslos in die Zukunft blicken:
„Jetzt den MSCI World kaufen – oder droht eine Finanzkrise?“, schafft es die FAZ, auch die Ambivalenz der Situation einzufangen.
„Man sollte seine Lebensfreude nicht auf den täglichen Blick ins Depot stützen, sondern langfristig investieren“, rät ein Experte in der SZ, und das klingt für mich plausibel.
„Ist jetzt der beste Zeitpunkt, um in den MSCI World zu investieren?“, wittert Zeit Online dann sogar eine dornige Chance im gegenwärtigen Übel.
Vielleicht ist jetzt auch für mich die Zeit gekommen, um einzusteigen! Ich überschlage mein Erspartes im Kopf. Lange brauche ich dafür nicht. Ich überlege, bei wem ich mir noch etwas leihen könnte, damit es sich auch richtig lohnt, wenn sich die Weltwirtschaft von ihrer Frühjahrserkältung wieder erholt.
Dann muss ich an eine Episode aus meiner Jugendzeit denken, in der ich viel Zeit mit einem Freund in einem Wettbüro verbracht habe. Ich schloss mit kleinen Einsätzen riskante bis absurde Kombi-Wetten ab, um möglichst viel aus möglichst wenig zu machen. Er dagegen setzte mit großen Beträgen auf den FC Bayern München. Seine Gewinne waren überschaubar, aber er gewann konstant. Als der FC Bayern ihn dann doch einmal enttäuschte, wurde er übermütig. Er mobilisierte sein ganzes Erspartes, sein Mut aber wurde nicht belohnt. Zum Glück hatten wir nicht viel zu verlieren.
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