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Wird Tierhaltung wieder schlechter?Ein paar arme Schweine trauern um die Ampel

Was hat Agrarminister Özdemir erreicht? Vor allem Subventionen zum tierfreundlichen Stallumbau und eine verpflichtende Kennzeichnung der Haltungsform.

Wen würden diese Schweine wählen?

D er Grünen-Politiker Cem Özdemir hat als Bundesagrarminister der Ampelkoalition kaum Fortschritte erreicht. Der Baden-Württemberger, der vorher fast nichts mit Landwirtschaft zu tun hatte, brauchte nach seinem Amtsantritt Anfang Dezember 2021 erst mal Monate, um sich in das Thema einzuarbeiten. Dann begann Ende Februar 2022 die russische Vollinvasion der Ukraine, die Lebensmittelpreise explodierten. Damit konnte der Koalitionspartner FDP jegliche kostenintensiven Umwelt- und Tierschutzinitiativen blockieren. Doch es gibt Ausnahmen.

Zum Beispiel das Bundesprogramm „Förderung des Umbaus der Tierhaltung“: Der Bund subventioniert seit vergangenem Jahr Schweinebauern, die auf die Haltungsformen Frischluftstall, Auslauf/Freiland und Bio umbauen oder die Tiere bereits so halten. Wer bis zu 500.000 Euro investiert, bekommt 60 Prozent vom Bund. Für Beträge darüber und bis 2 Millionen gibt es 50 Prozent, bis 5 Millionen 30 Prozent. Der Staat bezuschusst bald auch die laufenden Kosten, die durch die Haltungsformen „Frischluftstall“, „Auslauf/Weide“ und „Bio“ im Vergleich zum gesetzlichen Mindeststandard zusätzlich entstehen.

Das Problem ist bloß: Bis 10. Februar haben laut Bundesagrarministerium nur rund 170 der etwa 15.000 Schweinehalter insgesamt knapp 111 Millionen Euro Investitionsförderung beantragt, das Volumen der Subventionen für die laufenden Mehrkosten lässt sich noch nicht abschätzen. Lediglich etwa 100 Anträge auf Investitionszuschuss sind bis zum Stichtag bewilligt worden. Der Bund gab die für das Programm im Haushaltsplan 2024 vorgesehenen 150 Millionen Euro nicht komplett aus. Von den Subventionen profitieren also nur sehr wenige Tiere und Höfe. Außerdem ist offen, ob die nächste Bundesregierung an dem Programm festhält. Aber Özdemir hat einen guten Ansatz etabliert, mit dem die Haltungsbedingungen verbessert werden können.

Auch ein Gesetz zur verpflichtenden Kennzeichnung der Haltungsbedingungen hat die Ampel beschlossen. Demnach muss ab August 2025 unverarbeitetes Schweinefleisch aus Deutschland im Handel ein neues amtliches Siegel tragen – falls die neue Regierung die Regelung nicht kippt. Es soll verraten, wie die Tiere gemästet wurden. Die fünf Kategorien dabei sind „Stall“, „Stall+Platz“, „Frischluftstall“, „Auslauf/Weide“ und „Bio“. Ziel ist, dass die Verbraucher leichter tierfreundlichere Produkte auswählen können, dieses Fleisch öfter gekauft wird und am Ende mehr Tiere artgerechter gehalten werden. Es gibt zwar schon ähnliche private Siegel. Aber sie sind freiwillig. Deshalb dürften gerade Bauern, die ihre Schweine nur nach dem gesetzlichen Mindeststandard halten, auf solche Siegel eher verzichten.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik und die Lebensmittelindustrie. Journalistenpreis "Faire Milch" 2024 des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter. 2018, 2017 und 2014 gewann er den Preis "Grüne Reportage" des Verbands Deutscher Agrarjournalisten. 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis (Essay "Mein Krieg mit der Waffe"), 2013 für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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4 Kommentare

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  • 0,8 % des erzeugten Schweinefleisch in Deutschland sind Bio, warum nicht mehr ? weil es nicht gekauft wird !



    Wenn man jetzt ein Stallbauprogramm einführt das im Grunde NUR für Bio gedacht ist braucht man sich nicht wundern wenn es nicht genutzt wird. Hier wurde wieder Grüne Ideologie gegen die absolute Mehrheit der Landwirte durchgesetzt.

  • Die Kennzeichnung der Haltungsbedingungen ist eine Absolute Nullnummer, diese wurde einem unfähigen Minister vom übermächtigen Handel übergestülpt.



    Unverarbeitetes Schweinefleisch macht im Handel nur einen sehr kleinen Bruchteil aus, das große Geschäft ist in den verarbeiteten Produkten wie Wurst und Fertiggerichte. Hier muss nichts gekennzeichnet werden, keiner kann nachverfolgen aus welchem Land die Ware kommt oder wie die Tiere gehalten wurden. Bei jeden vernünftigen Politiker hätten hier die Alarmglocken läuten müssen wenn der Handel so etwas vorschlägt, weil es dem Handel nur um seine Vorteile geht.

  • „ Özdemir hat einen guten Ansatz etabliert, …“



    Echt? Oder gibt es nur dem Drängen nach Subvention nach?



    Aldi, vielleicht einer der größten Abnehmer hierzulande, hat angekündigt, ab 2030 nur noch Fleisch der höchsten Stufen zu verkaufen. Da müssen die Anbieter wohl umrüsten. Und das, also den Wertzuwachs der Anlage und die Betriebsfähigkeit, zahlt dann der Steuerzahler zu 60% und mehr. Auch die Veganerin.

    Und wenn nur die wenigsten bisher einen Antrag gestellt haben, kann man sich ausmalen, wie teuer das noch wird.

    • @fly:

      Wenn nur die wenigsten einen Antrag gestellt haben, wird das wohl daran liegen, das sich das Ganze trotz der Subventionen nicht rechnet.



      Das hört sich immer so wahnsinnig toll an mit den Subventionen, aber unter dem Strich bleibt halt nicht genug übrig. Da müssten die Erlöse schon deutlich steigen. Aber das würden nur einige Verbraucher mitmachen.