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Wilders beendet RechtsregierungNeuwahlen in den Niederlanden

Weil ihm die Asylpolitik zu lax war, hat Rechtspopulist Wilders die rechte Koalition in den Niederlanden aufgekündigt. Die Empörung ist groß.

Jetzt wittert der Rechtspopulist seine Chance: Geert Wilders Foto: Robin Utrecht/imago

Amsterdam taz | Nachdem der Rechtspopulist Geert Wilders am Dienstagmorgen die niederländische Rechts-Regierung gesprengt hat, kündigt Dick Schoof nachmittags Neuwahlen an. Der parteilose Ministerpräsident teilte mit, er werde dem König den Rücktritt seines Kabinetts anbieten. Wilders, Chef der Partij voor de Vrij­heid, unterstrich derweil, dass er der nächste Ministerpräsident werden will.

Die Krise ausgelöst hat Wilders, der beschlossen hatte, mit seiner Partei die Regierung zu verlassen. Auf X hatte sich Wilders, der selbst kein Teil des Kabinetts war, beklagt, dass es „keine Unterstützung für unsere Asyl-Pläne“ und „keine Änderung des Koalitionsvertrags“ gebe.

Fazit: „Die PVV verlässt die Koalition.“ Grund dafür war Streit über Asylpolitik, der vor einer Woche die ohnehin instabile Koalition zusätzlich unter Druck gesetzt hatte. Die PVV, die Ende 2023 mit großem Vorsprung die Parlamentswahlen gewonnen hatte, forderte in einem spontan präsentierten Zehnpunkteplan eine drastische Verschärfung und wollte zu diesem Zweck den Koalitionsvertrag ändern.

Die Koalition war erst ein Jahr alt

Dieser war erst vor einem Jahr nach mühsamen Verhandlungen mit der liberal-rechten Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD), dem konservativen Nieuw Sociaal Contract (NSC) sowie der BoerBurgerBeweging (BBB) zustande gekommen. Das Ziel: die niederländischen Asylkriterien zu den „strengsten Europas“ zu machen.

Wilders, dessen Partei seit dem Antritt der Koalition letzten Sommer mit der umstrittenen Marjolein Faber das Ministerium für Asyl und Migration besetzt, stellte den anderen drei Parteien quasi ein Ultimatum: entweder sie stimmen den Forderungen der PVV zu, oder die Rechts­po­pu­lis­t*in­nen „seien weg“.

Zu den Forderungen zählte, die Grenzen für Asyl­be­wer­be­r*in­nen zu schließen, Zehntausende Geflüchtete aus Syrien in die vermeintlich sicheren Gebiete des Landes zurückzuschicken. Personen mit Aufenthaltsstatus, die wegen mangelndem Wohnraum noch in Gemeinschaftsunterkünften wohnten, sollten diese verlassen, die Unterkünfte geschlossen, zudem der Familiennachzug vorübergehend ausgesetzt werden.

Dass die PVV damit allein stand, wurde schnell deutlich. Insbesondere seitens des im gemäßigt-konservativen Spektrum verankerten NSC, einer Abspaltung der Christdemokrat*innen, gab es erhebliche Bedenken dagegen, den Koalitionsvertrag zu ändern.

Krisengespräche

Nach Krisengesprächen am Montag hatten sich die Anzeichen bereits verdichtet, dass die seit ihrem Antritt zerstrittene und instabile Koalition diesen Konflikt nicht überstehen würde. Wilders kündigte am späten Montagabend an, über die Lage „noch eine Nacht zu schlafen“, doch es sehe „nicht gut aus“. Am Dienstagmorgen war dann nach einer kurzen Besprechung klar, dass die Regierung Geschichte ist.

Wie tief die Kluft zwischen den Parteien war, zeigte sich an den ersten Reaktionen. Wilders selbst betonte in niederländischen Medien, er habe „für die strengste Asylpolitik und nicht den Untergang der Niederlande“ unterzeichnet. Da ihm die „früheren Koalitionspartner*innen“ für diese Art der Verschärfung keine Garantien hätten geben können, sei der PVV keine ­andere Möglichkeit geblieben.

Dilan Yeşilgöz, Fraktionsvorsitzende der VVD, fand diesen Schritt „unglaublich verantwortungslos“ und warf Wilders eigennütziges Handeln vor. Der PVV-Chef wolle keine Verantwortung tragen, während „die Leute zu Hause wegen ihrer Rechnungen wach liegen und wir Kriege auf dem Kontinent haben“.

Auch Caroline van der Plas, Fraktionsvorsitzende der agrarisch orientierten BoerBurgerBeweging (BBB), die der PVV näher steht als VVD und NSC, räumte ein, Wilders habe den Koalitionspartnern „kein bisschen Spielraum für Verhandlungen“ gelassen. Der Beschluss der PVV sei „unverantwortlich“, zudem präsentiere Wilders den eigenen Wäh­le­r:in­nen „demnächst eine linke Regierung auf dem Tablett“, spielte van der Plas auf Neuwahlen an.

Wilders dürfte an Forderungen zu Asyl festhalten

Die Oppositionsparteien Volt und SP forderten bereits am frühen Dienstag Neuwahlen. Dem schloss sich später auch Frans Timmermans, Vorsitzender der größten Oppositions-Fraktion von PvdA/GroenLinks, an. Aus den Regierungsfraktionen sprach sich VVD-Chefin Ye­silgöz für Neuwahlen aus und forderte auf X: „Deutlichkeit und ein starkes Kabinett.“ Nicolien van Vroonhoven, Chefin des NSC, brachte indes die Option einer Minderheitsregierung ins Gespräch.

Klar ist, dass die PVV weiterhin auf die Themen Asyl, Migration und Identität setzen wird. Sie sind der Hauptgrund für den Wahlerfolg von 2023. Dabei sind sie sich einig mit anderen extrem Rechten in Europa – und bestens vernetzt: Erst am Wochenende war Wilders in Budapest auf der gleichen Konferenz wie AfD-Chefin Alice Weidel aufgetreten.

Unabhängig von der aktuellen Empörung über Wilders’ Vorgehen haben VVD, NSC und BBB durchaus inhaltliche Überschneidungen mit der PVV. Zudem war es VVD-Ministerpräsident Mark Rutte, der vor rund zwei Jahren seine Mitte-rechts-Koalition aufkündigte – für strengere Regeln beim Fami­liennachzug.

Zur Neuwahl wird es voraussichtlich im Herbst kommen.

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9 Kommentare

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  • Er kann es nicht



    Wilders hat eine große Klappe, doch ist als Leader einer Koalition unfähig. Er kennt nur seine Meinung, nur sein Wille zählt - so kann Koalition nicht gelingen.



    Ich finde alles und jeden gut, was ihm Steine in den Weg legt, selbst wenn er es selbst ist. Auf dass die Niederländer nun wieder zur Besinnung kommen und vernünftiger wählen.

  • Es ist schön zu sehen, dass man durchgeknallte Radikale wie Wilders auch mal politisch vor die Wand rasen lässt. Das sollte sich die CDU/CSU mal anschauen.

  • Das passiert, wenn man Rechtsextreme an Regierungen beteiligt. Kriegen sie ihren Willen nicht, verhalten sie sich wie ein Kind, dem man ein Spi8ekzeug verweigert. Wir erinnern uns an eine gewisse Frau Weidel, die mit dem Fuß aufstampfte und beleidigt den Bundestag verließ? Ja, genau. Dieses Niveau.

  • Wurde der Wilders jetzt entzaubert oder politisch bekämpft?

  • Die rechtspopulistische PVV (Wilders), die Ende 2023 mit großem Vorsprung die Parlamentswahlen gewonnen hatte, hat diesen nach den letzten Umfragen (Mai 2025) sicher verloren.







    siehe www.politico.eu/eu...polls/netherlands/

    Je nach Umfrageinstitut liegt die PVV zwischen 18 und 20 % fast gleichauf mit Timmermanns PyPa - GL (19%) und der konservativen Partei VVD (Yesilgöz) mit 18%.

    Vorgezogene Neuwahlen würden Wilders die Bühne bieten die er offensichtlich dringend benötigt um mit seiner rassistischen Propaganda die Wähler zu aktivieren die er gerade verloren hat.



    Man darf gespannt wie das politische System reagieren wird um die Populisten weiter erfolgreich einzudampfen.

  • Warum glauben so viele Menschen, dass es ihnen besser gehen würde, wenn ein paar andere Menschen abgeschoben werden?

    • @Gnutellabrot Merz:

      Weil sie das gesagt bekommen. Selber denken tut weh.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Der Mensch ist ein Tier und in Zeiten wo die Ressourcen gefühlt knapper werden ist ausschalten der gefühlten Konkurrenz etwas das Sicherheit verspricht.

  • Bin schon ein wenig stolz auf das, was gerade bei uns in Holland passiert.



    Natürlich ist es k@cke, das so viele die PVV gewählt haben, und natürlich ist es k@cke, dass die PVV in der Regierung war.

    Aber die anderen Parteien - allen voran die NSC - haben bei der Regierungsbildung klare Grenzen definiert.



    Wilders wollte die Grenzen mit Salami Taktik überschreiten, und ist gescheitert, weil die anderen Parteien nicht koste es was es wolle an der Macht bleiben wollten, schon gar nicht auf Kosten eines schleichenden Verfassungsbruch.

    Was kann man in Deutschland lernen:

    - keine Koalition mit Nazis (für manche hier: das wäre dann die AfD)



    - Man kann sich auch an seine Grundwerte halten, und diese nicht wegen schnöder Macht verraten.

    Ich hoffe, dass das NL Volk bei der nächsten Wahl besser wählt. Die Alternative für Holland heisst: GroenLinks. Oder meinetwegen auch die NSC, wenn man's lieber konservativ mag...