Wilde StreikerInnen scheitern mit Klage: Der Kampf geht vielleicht weiter
Das Landesarbeitsgericht Bremen hat die Berufung der wilden StreikerInnen von Daimler zurückgewiesen. Aus ihrer Sicht hat der Richter sich ums Urteil gedrückt.
Wie schon zuvor das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven traf auch das Landesarbeitsgericht damit keine Entscheidung zum grundsätzlichen Streikrecht ohne gewerkschaftliche Organisation. „Feige“ nannten die Kläger die Entscheidung des vorsitzenden Richters. Daimler freute sich über das Urteil. Die Arbeitsniederlegungen seien „illegale Streiks, die der Daimler AG materiellen Schaden zufügten“.
Ausgangspunkt des Rechtsstreits war ein „wilder Streik“ gegen Fremdvergabe und Leiharbeit im bremischen Mercedes-Werk. Im Dezember 2014 hatten nach Angabe der Streikenden über 1.000 ArbeiterInnen die Nachtschicht ohne Unterstützung einer Gewerkschaft bestreikt und in der Arbeitszeit eine Kundgebung abgehalten. Daimler mahnte großzügig ab. 30 Betroffene klagten mit der Hoffnung, das restriktive deutsche Streikrecht an moderne und prekäre Arbeitsverhältnisse anzupassen.
Das Arbeitsgericht hatte jedoch in erster Instanz die Rechtmäßigkeit der Abmahnungen bestätigt. Daimler hatte die Disziplinierungsmaßnahmen dennoch nach öffentlichem Druck freiwillig zurückgezogen. Das hat nun positive Folgen für den Konzern: Die Berufung vor dem Landesarbeitsgericht ist ohne Abmahnungen in den Personalakten aus Sicht des Richters gegenstandslos. Somit könne in der zweiten Instanz nicht mehr über deren Rechtmäßigkeit geurteilt werden. „Ein geschicktes juristisches Manöver von Daimler“, nannte das einer der Rechtsanwälte der KlägerInnen, Helmut Platow.
„Die Gerichte haben sich zu Komplizen von Daimler gemacht“
Aus ihrer Sicht hätte das Gericht durchaus Spielraum gehabt, um die Rechtslage für eine vergleichbare Situation in der Zukunft zu beurteilen. Zumal selbst die zurückgenommenen Abmahnungen weiterhin einen bestehenden Einschüchterungscharakter hätten, so ihre Argumentation in der mündlichen Verhandlung.
Fremdvergabe von Arbeit werde es weiterhin geben, ArbeitnehmerInnen seien demgegenüber jedoch machtlos, weil weder Betriebsrat noch Gewerkschaften die Konzerne in diesem Punkt angreifen könnten. Laut der Wildstreikenden müssten an die Rechtsordnung und das grundsätzliche bestehende Streikrecht moderne Maßstäbe angelegt werden. Daher habe man vom Gericht wissen wollen, ob künftige Abmahnungen in einer vergleichbaren Situation zulässig seien. Das Gericht lehnte alle Feststellungsanträge der KlägerInnen jedoch mit Hinweis auf fehlende Abmahnungen ab, es gäbe in diesem Verfahren daher keine Anknüpfungspunkte zur Klärung dieser „hochspannenden Frage“.
Thomas Langenbach, WildstreikeR
In diesem Punkt waren die KlägerInnen mit dem Gericht besonders unzufrieden. Aus ihrer Sicht hat der Richter sich um eine möglicherweise politisch ungewollte Entscheidung gedrückt. Der Richter müsse bemüht sein, dem Kläger Hinweise auf richtige Beantragung zu geben, wenn ihm Feststellungsanträge fehlerhaft oder gegenstandslos erschienen. Normalerweise helfe das Gericht, auf Kriterien und Hindernisse aufmerksam zu machen. Platow sagt: „Das hat er nicht getan. Er hat sich weggeduckt und wollte nicht gegen geltende Rechtsprechung urteilen.“
„Die Gerichte haben sich zu Komplizen von Daimler gemacht“, sagt Benedikt Hoppmann, der ebenfalls die KlägerInnen vertritt. Die Strategie Daimlers sei es, gezielt einzuschüchtern und gleichzeitig die Möglichkeit zu nehmen, sich zu wehren.
Für Thomas Langenbach, Mitglied der IG Metall und einer der Kläger, hat sich wenig geändert. Er sagte: „Uns bleibt nichts übrig, als weiter zu kämpfen. Ich rechne mit der nächsten Abmahnung und dagegen klagen wir wieder.“
Die Wildstreiker können jedoch eine Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesarbeitsgericht stellen. Im Verlauf der Klage hatten die KlägerInnen angekündigt, bis vor den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen: Die EU-Sozialcharta garantiere ein wildes Streikrecht wie etwa in Frankreich und Italien.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen