Wiener Flüchtlingsgipfel: Flüchtlingsabwehr lautet die Devise
Beim Flüchtlingsgipfel sind alle zufrieden mit der Schließung der Balkan-Route. Griechenland soll geholfen werden.
Die konkreten Ergebnisse mögen bescheiden sein: Griechenland soll von der Grenzschutzagentur Frontex mehr Unterstützung zur Kontrolle seiner Nordgrenze bekommen. „Der Türkei-Deal muss garantiert werden“, sagte Kern, notfalls durch Visa-Liberalisierung. Und drittens habe man sich geeinigt, die Fluchtursachen zu bekämpfen.
Die Rede ist von Abkommen nach dem Vorbild des Türkei-Deals mit Ägypten, Jordanien und Libyen, möglichst auch Niger und Mali. Alles Absichtserklärungen, unterfüttert mit ein paar finanziellen Zusagen. Doch im imperialen Ambiente im Zentrum der ehemaligen Donaumonarchie dürfte atmosphärisch Einiges gelungen sein. Besonders gelobt wurde das offene Gesprächsklima.
Man habe Klartext geredet, zeigte sich Ungarns Premier Viktor Orbán freudig überrascht. Anders als der von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) im vergangenen Februar zusammengetrommelte Westbalkangipfel, der Griechenland, Deutschland und die EU ausgeschlossen hatte, versammelte das Treffen vom Samstag alle Beteiligten. Kurz hatte damals mit den Balkanstaaten zu Lasten Griechenlands die Abriegelung der Landgrenze vereinbart. Der Effekt stellte sich fast unmittelbar ein.
Viktor Orbán sieht sich bestätigt
Seit April sind über die Balkan-Route nur mehr knapp 18.000 Flüchtlinge nach Österreich gekommen, 50.000 nach Deutschland. Größere soziale Verwerfungen in diesen beiden Ländern konnten damit verhindert werden. Allerdings hat der Rückstau in Griechenland die Krise dort noch verschärft. 70.000 Menschen sind in überfüllten Lagern zusammengepfercht, 14.000 von ihnen auf einer Handvoll ägäischer Inseln.
Dass insgeheim auch die Kritiker des undiplomatischen Alleingangs heute froh über den Riegel am Balkan sind, hat Donald Tusk am deutlichsten ausgesprochen: „Wir müssen praktisch und politisch sicherstellen, dass die Westbalkanroute für illegale Migranten für immer geschlossen ist.“
Bestätigt in seiner Haltung sah sich auch Viktor Orbán. Sein viel gescholtener Zaun, der die Grenze zu Serbien abdichtet, habe Österreich und Deutschland viel erspart. Die halbe Milliarde Euro, die die Grenzsicherung das Land koste, sei dessen solidarischer Beitrag zur Bewältigung der Flüchtlingskrise. Da könne man nicht auch noch verlangen, dass Ungarn massenhaft Fremde aufnehme, die die ethnische Einheit des Volkes bedrohen würden. Man hätte es sich leicht machen können und weiter Zehntausende durchwinken. „Die wollen alle nach Deutschland und Österreich.“
Orbán sprach von zwei Denkschulen in der Europäischen Union: die eine gehe davon aus, „dass völkerwanderungsartige Migrationsbewegungen nicht aufzuhalten seien“. Die andere – und dazu gehöre Ungarn – beweise, dass man die Grenzen dicht machen könne. Er verlangte eine „Verteidigungslinie“, möglichst schon an der griechisch-mazedonischen und der griechisch-bulgarischen Grenze.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag