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Wiederwahl von Félix TshisekediKongo am Scheideweg

Präsident Tshisekedi ist triumphal wiedergewählt, nun will er die DR Kongo endlich gut regieren. Aber er steuert sein Land eher Richtung Abgrund.

Kinshasa, Kongo, 20.12.2023: Felix Tshiskedi (Mitte) nach der Stimmabgabe Foto: Zohra Bensemra/reuters

D ie Zeremonie zur Verkündung des Wahlsiegs von Félix Tshisekedi war kaum zu Ende, da feierten Anhänger des wiedergewählten Präsidenten der Demokratischen Republik Kongo bereits auf ihre Weise. In Mbuji-Mayi, größte Stadt von Tshisekedis Heimatregion Kasai, ging das Gebäude des wichtigsten Oppositionsbündnisses „Ensemble“ in Flammen auf. In der Hauptstadt Kinshasa wurde die Zentrale einer Oppositionspartei angegriffen.

Opposition und Pluralismus werden in der DR Kongo einen schweren Stand haben in Tshisekedis zweiter Amtszeit. Es bahnt sich ein neuer Autoritarismus an, der mangels staatlicher Kapazität mit den Gewaltinstrumenten des Populismus agiert. Im vergangenen Jahr sind überall im Land regierungstreue „patriotische“ Milizen entstanden, die im ostkongolesischen Kriegsgebiet mit der Armee Rebellen bekämpfen und im Rest des Landes mit der Polizei Regimegegner einschüchtern. Wenn Tshisekedi nun wirklich mit 73 Prozent gewonnen hat, war die regimetreue Gewalt erfolgreich. Wenn das Ergebnis gefälscht ist und die unterlegenen Gegner sich von den Institutionen abwenden, öffnet sich die Tür zum Bürgerkrieg.

Das geht die ganze Welt etwas an. Die DR Kongo besitzt mehr strategisch wichtige Rohstoffe für die globale Energiewende als jedes andere Land der Erde und zugleich neben Brasilien und Indonesien einen der drei großen tropischen Regenwälder, von deren Bestand das Überleben der Menschheit abhängt. Aus den 100 Millionen meist bitterarmen Einwohnern der DR Kongo dürften bis 2050 200 Millionen werden; ohne gute Führung steuert das Land in eine Katastrophe.

Tshisekedis Partei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt) sieht sich als genau diese gute Führung, die Kongo nie hatte. Sie entstand im Widerstand gegen Militärdiktator Mobutu Sese Seko, der von 1965 bis zu seinem Sturz 1997 das von ihm in „Zaire“ umbenannte Land terrorisierte und ausplünderte, bis am Ende nur Ruinen übrig waren.

Aber der siegreiche Rebellenführer Laurent-Désiré Kabila und später sein Sohn Joseph Kabila grenzten die UDPS aus. Ihr Führer Etienne Tshisekedi blieb der ewig verhinderte Volksheld. Dass nach seinem Tod sein Sohn Félix Tshisekedi bei den Wahlen 2018 antrat und zum Sieger gekürt wurde, obwohl er gar nicht gewonnen hatte, war zwar Wahlbetrug, aber auch historische Wiedergutmachung.

Aus eigener Kraft gewinnen

Diesmal aber wollte Tshisekedi aus eigener Kraft gewinnen. Seine Anhänger verweisen auf progressive Sozialpolitik. Seine Gegner monieren eine undurchsichtige Machtstruktur und einen Hang zu Intoleranz und Populismus. Viele UDPS-Wortführer sehen sich als einzig wahre Vertreter des Volkes und Kritiker als Volksverräter.

Ihre Wurzeln hat die UDPS in der zentralkongolesischen Region Kasai, eine der ärmsten des Landes und zugleich mit gigantischem Diamantenreichtum gesegnet. Historisch sind viele Kasaier emigriert, entweder in die Hauptstadt Kinshasa mit ihren endlosen Slums oder in die südkongolesische Bergbauregion Katanga mit ihren endlosen Minen, wo der industrielle Bergbau beheimatet ist. Seit Jahrzehnten gibt es Konflikte zwischen Kasai-Migranten und Katanga-Einheimischen. Kasai ist politisch und ethnisch homogen, aber ausgeblutet und abgehängt. Katanga ist vielfältig und reich, aber sozial und ökonomisch extrem polarisiert.

Der Kampf um die Macht in der DR Kongo ist immer auch einer zwischen Katanga und Kasai. Katanga stellt das Rückgrat des kongolesischen Sicherheitsapparates, auch Kabila stammte aus Katanga. Kasai hat höchstens die Kirche – mit Tshisekedi nun aber die alleinige politische Macht in Kinshasa. Das ging in seiner ersten Amtszeit gut. Jetzt nicht mehr.

Die beiden historischen Erzfeinde innerhalb Katangas – Expräsident Joseph Kabila und Exgouverneur Moïse Katumbi – haben sich früher bitter bekämpft: Der erfolgreiche Unternehmer Katumbi wollte den Militärangehörigen Kabila als Kongos Präsident beerben, aber Kabila trieb ihn ins Exil. Tshisekedi koalierte in seiner ersten Amtszeit erst mit Kabia, dann mit Katumbi. Jetzt will er es alleine wissen und treibt damit beide zusammen.

Einen Verlust der Gewalt über das reiche Katanga würde der Zentralstaat nicht überleben. Wer Katanga hält, hält Kongo

Das Kabila-Lager boykottierte die Wahlen von Anfang an. Kabilas einstiger Wahlkommissionsleiter Corneille Nangaa bläst nun aus dem Exil zum bewaffneten Kampf im Schulterschluss mit Ostkongos M23-Rebellen. Katumbi trat an, wurde mit unglaubwürdigen 18 Prozent abgespeist und erkennt das jetzt nicht an. Sein Kurs ist noch nicht klar, aber eine Kabila-Katumbi-Koalition, gefolgt von einem Bürgerkrieg zwischen Katangern und Kasaiern, wäre für Tshisekedi fatal.

Wer Katanga hält, hält Kongo

Einen Verlust der Gewalt über Katanga könnte der Zentralstaat in Kinshasa kaum überleben. Wer Katanga hält, hält Kongo. Alle wichtigen Unternehmen des Landes sind dort, drei Viertel aller auf Provinzebene erhobenen Steuern im Land kommen aus Katanga. Der industrielle Kupfer- und Kobaltbergbau, der fast alle Exporteinnahmen des Landes erwirtschaftet, findet komplett in Katanga statt; er ist Kongos Wachstumsmotor und davon hängt sowohl Tshisekedis Erfolg als auch das globale Engagement im Land ab.

Die DR Kongo braucht eine neue Politik. Für eine straffe Entwicklungsdiktatur ist das Land zu groß und der Staat zu klein. Alle Kräfte müssen gehört werden. „Geopolitik“ nennen die Kongolesen die Kunst des politischen Ausgleichs zwischen den Akteuren dieses Vielvölkerstaates von der Größe Westeuropas. Sie ist nicht weniger schwierig als globale Geopolitik, und nicht weniger explosiv.

Tshisekedi muss jetzt beweisen, dass er Geopolitik kann. Der Rest der Welt sollte derweil den kolonialen Blick auf Kongo ablegen, sich nicht nur für seine Mineralien und Regenwälder interessieren, sondern auch für die Menschen Kongos. Nur wenn sie eine Zukunft haben, hat die Welt eine Zukunft.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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