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Wie viel Luxus dürfen Politiker zeigen?Das Verachten der Aufsteiger

Wo macht der Urlaub, was fährt die für ein Auto? Die richtige Karte der Klassenzugehörigkeit zu spielen, ist für Politiker ein komplizierter Prozess.

Wahlplakat mit dem österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz Foto: Franz Perc/chromorange/picture alliance

E s ist ein Thema, das in Österreich immer aus dem Hinterhalt auftaucht. Aus der Schlüssellochperspektive, heimlich dokumentiert, anonym angezeigt: das Luxusleben von Politikern. Es löst nicht nur heftige Emotionen aus, sondern auch die Frage: Wie können, dürfen, sollen Politiker leben? Wie viel Luxus ist ihnen erlaubt? Ist es egal, welches Auto ein Spitzenpolitiker fährt, wo er urlaubt, welche Uhr er trägt? Eigentlich ja. Aber.

An diesen „Enthüllungsgeschichten“, an diesen Bildern, die der Denunzierung dienen, wird ein Problem sichtbar – jenes Problem, das das Denunzieren überhaupt erst möglich macht: Wie soll man aufsteigen und zugleich dem bürgerlichen Leben fernbleiben? Denn für das, was man auch heute noch als bürgerliche Lebensform, als bürgerliche Kultur bezeichnen kann, gilt nach wie vor: Die herrschende Kultur einer Zeit ist stets die Kultur der Herrschenden – wie man in Abwandlung von Marx sagen kann. Diese Kultur ist dominant.

Deshalb ist die eigene Lebensführung weder ein Problem für Politiker, die selbst aus dem Bürgertum kommen, noch für konservative Politiker, für die diese Kultur quasi ihr „natürliches“ Umfeld ist. Aber etwa für Sozial­demokraten mit proletarischer, bäuerlicher oder kleinbürgerlicher Herkunft (migrantische ist ja immer noch die Ausnahme) – für solche Leute, die einen harten Weg nach oben gegangen sind, für Leute, die man Aufsteiger nennen könnte – würde dieses Wort nicht so einen verächtlichen Beigeschmack haben. Für solche Leute ist dies ein Problem.

Kapitalismus mit hedonistischem Antlitz.

Wie geht ein Politiker heute mit Hedonismus um? Denn der Neoliberalismus hat dessen Charakter völlig verändert. Hedonismus ist nicht mehr das Glücks- und Freiheitsversprechen, das die Poplinke propagierte. Für diese war Genießen eine emanzipatorische Rebellion, ein Ausweg aus dem Spießertum, eine Befreiung.

Im Neoliberalismus ist ausgelebter Genuss aber nicht mehr subversiv, sondern gesellschaftlicher Konsens. Hier herrscht Einvernehmen, was gutes Leben bedeutet: Durchfluten aller Lebensbereiche mit Hedonismus. Triebbefriedigung als Prinzip. Kapitalismus mit hedonistischem Antlitz.

Erinnert sich noch jemand an das Wort von der „Toskana-Fraktion“? Das war das Schimpfwort für jene Sozialdemokraten, die einen einschneidenden Kurswechsel vollzogen haben: die Akzeptanz des – vorgegebenen – Genießens als Lebensform. Eines Hedonismus, der sich von der einstigen sozialdemokratischen Vergnügungskultur unterschied. Weil er sich nun über den Konsum von Qualitätsgütern definierte: ein Connaisseur-Hedonismus mit reichem Wissen um feine Unterschiede.

Das war der Moment, wo Genießen und neoliberale Verführung zusammenfielen. Denn es gibt nicht nur eine pekuniäre – es gibt auch eine moralische, ästhetische, kulturelle, eine lebensweltliche Korruption. Ein heikles Terrain.

Am Tisch mit den Mächtigen

Der ehemalige österreichische Bundeskanzler Franz Vranitzky saß oft, wie ein Insider erzählte, mit den bürgerlichen Mächtigen am Tisch. Aber dabei war immer klar – den anderen und ihm –, dass er der Chef der Sozialdemokraten sei. Manch späterer Parteigrande saß dann auch am Tisch – aber wusste ebendies nicht mehr. Denn er wollte nicht nur mit am Tisch sitzen. Er wollte dazugehören.

Nein, Politiker müssen nicht in Sack und Asche gehen. Aber es ist ein schmaler Grat zwischen Anerkennung und Unterwerfung, zwischen Klassenkompromiss und kulturellem Überlaufen, zwischen Hedonismus und lebensweltlicher Korruption. Die Elitenforschung zeigt, dass immer weniger Politiker aus der breiten Bevölkerung stammen. Selbst unter Sozialdemokraten gebe es in den Spitzenpositionen kaum noch Arbeiterkinder.

Das sei ein Defizit. Da ist etwas dran. Und zugleich unterliegt diese Vorstellung einem identitären Aberglauben. Denn sie geht davon aus, dass Herkunft authentische Repräsentation garantiere – und übersieht dabei den komplizierten Prozess von Klassenflucht, Klassenscham bis hin zum vermeintlichen oder echten Klassenverrat, und sei es nur in den Lebensformen – kurzum die heikle Versuchung der kulturellen Korrumpierbarkeit.

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7 Kommentare

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  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Also ich finde, Sawsan Chebli kann die Rolex gut tragen. Steht ihr.

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @88181 (Profil gelöscht):

      .



      Das kann schon sein. Ich bin jedenfalls gar nicht unfroh, wenn mir jemand mit Symbolen offen und unverstellt die Schlichtheit oder auch Kompliziertheit des Gemütes signalisiert und geradezu zur Abschätzung aufgrund Äußerlichkeit schreit. Man weiß in erster Näherung, woran man ist und das ist nichts Schlechtes

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @61321 (Profil gelöscht):

        Wir wissen doch gar nicht, wie lange sie auf das Teil gespart hat. Das ist ja nicht mal eine Luxus-Variante. Die kostet wohl an die 7.000 Euro.

        Dafür bekommt man einen Gebrauchtwagen, denn ja auch viele fahren.

        Andere Politiker haben da weniger Hemmungen. Putin etwa trägt eine hässliche Sonderanfertigung von Richard Mille für 360.000,- Euro.

        Merkel hingegen hat seit Jahren - uckermärkisch bescheiden - eine Boccia Titanum für 89,- Euro.

        Joschka Fischer Rolex, Lindner Rolex. Das war klar. Auch der Dalai-Lama ist in diesem Club. Was einen vielleicht wundert. Der Papst hingegen trägt Swatch. Die gibt es also auch noch.

        Gysi trägt diese Miniatur-Bahnhofsuhr. Wahrscheinlich, weil man am Bahnhof auf die Revolution wartet.

        Che Guevara trug zwei Rolex gleichzeitig. Einmal Kuba-Zeit, einmal Moskau-Zeit.

        Eigentlich sollte man es halten wie die Kämpferinnen und Kämpfer der Pariser Commune: Sie schossen auf die Turmuhren. Zeit sollte in einer revolutionären Gesellschaft keine Rolle mehr spielen.

        • 6G
          61321 (Profil gelöscht)
          @88181 (Profil gelöscht):

          .



          Danke für den umfassenden Überblick. Richtig beeindrucken kann mich keiner von denen, außer vielleicht die weitsichtigen Pariser und Guevara, falls er eine ironische Pointe landen wollte.



          Symbole sind faszinierend, wenn sie einem überraschend ins Auge fallen und es festhalten weil ihr Anblick so ungewohnt oder so ästhetisch oder noch besser: beides ist.



          Auf meinem täglichen Weg an der Dreisam entlang radelte eines Sommertags eine Frau vor mir her. Sie war etwas langsamer als ich und als ich zum Überholen ansetzte sah ich es: Ein wahres Kunstwerk auf ihrem Rücken zwischen den Schulterblättern. Eine recht große, mit vielen Innen-Linien kompliziert gestaltete, aber völlig symmetrische und ebenmäßige Sonnenfigur aus Narben. Wer immer das gemacht hatte, so ein kompliziertes Ding muss man wohl allein aus medizinischen Gründen in mehreren Teilsessions schneiden und sorgsam überwacht abheilen lassen, wer also immer das gemacht hatte, verstand sein Handwerk. Aber es war ja mehr als Handwerk, es war Kunst aus Schmerz, Mühe und Geduld geboren.



          Die Frau war schön. Sie hatte ihre natürliche Schönheit aber tatsächlich mit diesem elaborierten Narbenbild ins etherische gelupft. Kein noch so teurer angehängter Gegenstand hätte das vermocht.



          Bouche bée überholte ich sie. Ich hatte es eilig. Leider.

          • 8G
            88181 (Profil gelöscht)
            @61321 (Profil gelöscht):

            Was Sie da an der Schönen gesehen haben, war wohl Cutting.

            Bei dieser Technik werden Muster mit einem Skalpell ins Fleisch geschnitten.



            Keine schöne Vorstellung. Genau wie das Branding.

            Hier werden die Narben mit heißem Metall erzeugt. Das dürfte stinken.

            Dann doch lieber Uhren. Ich habe eine Officine Panerai und eine Rolex. Die eine von AliBaba aus China, die andere vom Polenmarkt.

            Die sind so ungenau, auf die bräuchte man gar nicht schießen.

            • 6G
              61321 (Profil gelöscht)
              @88181 (Profil gelöscht):

              .



              Anything goes.



              Hauptsache, Sie tragen nie beide gleichzeitig

      • @61321 (Profil gelöscht):

        Stimmt auch wieder, gerade am Beispiel von Sozialdemokraten mit viel Pomp bemerkt man so leicht, welche Einstellung zum Kapital sie tatsächlich haben. Hätte, neben seinen offenen Kungeleien in der Wirtschaft ein Maßstab für Schröder, Müntefering und die ganze Bagage sein können.