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Wie verhindere ich meinen IWF-Chef?

In dreizehn Schritten: Des Bundeskanzlers todsichere Methode, den deutschen Kandidaten für den IWF-Chefsessel international unmöglich zu machen

Säbelrasselnd stehen sie sich jetzt gegenüber: die Amerikaner und die Europäer. Die Europäer beharren auf ihrem Recht, einen Kandidaten für den Chefsessel des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu benennen. Die Amerikaner finden den europäischen Kandidaten, den Deutschen Caio Koch-Weser, nicht akzeptabel. Der IWF-Exekutivrat hat vorvergangene Nacht probeweise abgestimmt. Zwar konnte Koch-Weser mit 42 Prozent mehr Stimmen auf sich vereinen als seine beiden Gegenkandidaten, der Amerikaner Stanley Fischer und der Japaner Eisuke Sakakibara. Aus der Verteilung der Stimmen lässt sich aber schließen, dass Koch-Weser vergeblich um Stimmen bei den Entwicklungsländern geworben hatte. Offenbar stimmten nur die EU-Staaten, die osteuropäischen Partnerländer sowie die Schweiz und China für ihn. Doch die USA, das mit Abstand einflussreichste IWF-Mitglied, enthielten sich – und verwandelten damit das Ergebnis in eine Niederlage für Bundeskanzler Gerhard Schröder und die Europäische Union.

Nun scheint es zweifelhaft, ob er das Rennen doch noch machen kann. EU-Kommissionspräsident Romana Prodi sagte, Koch-Weser sei gegen die USA ohne Chance. CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz forderte den Kanzler auf, seinen Kandidaten sofort zurückzuziehen.

Dabei hatte alles dafür gesprochen, dass ein Deutscher das Amt des Generaldirektors beim Internationalen Währungsfonds (IWF) übernehmen würde: Traditionell obliegt es den Euopäern, diesen Posten zu besetzen. Die USA dürfen im Gegenzug den Generaldirektor der Weltbank benennen. Wie hat Kanzler Schröder es bloß geschafft, diese Gelegenheit geradlinig in den Sand zu setzen?

1. Ich stelle einen Kandidaten auf, der zuvor viele Jahre bei der Weltbank war und dort auch nur die Nummer zwei. Ich ignoriere berherzt die Forderung der US-Amerikaner, der IWF solle wieder auf seine ursprüngliche Funktion des weltweit „letzten Gläubigers“ beschränkt werden und sich nicht zu sehr an die Weltbank annähern. Geschickt und ausdauernd weiche ich der Frage aus, warum Koch-Weser sich in 25 Jahren eigentlich nicht zur Nummer eins der Weltbank hochgearbeitet hat, wenn er wirklich so herausragend ist, wie ich von ihm behaupte.

2. Ich gehe gelassen über die Tatsache hinweg, dass mein Kandidat als Experte in Strategien der Armutsbekämpfung gilt, nicht aber in der Lösung von Finanzkrisen. Schließlich war er bei der Weltbank, deren Aufgabe die Bekämpfung der Armut ist. Ich tue so, als würde ich den Unterschied von Weltbank und IWF nicht kennen.

3. Ich setze dem Manko, dass mein Kandidat dem amerikanischen Elitedünkel nicht entspricht, weil er „nur“ an einer stinknormalen deutschen Universität studiert hat, das Motto „Nase hoch und durch“ entgegen. Schließlich habe ich noch nie verstanden, was die Amerikaner mit ihrem Harvard-Getue haben.

4. Ich verlasse mich darauf, dass die sechs Fremdsprachen, die mein Kandidat spricht, schon ausreichen werden, um ihn als Kosmopoliten zu qualifizieren. Außerdem ist er in Brasilien geboren – damit dürfte doch wohl die Gunst der Südamerikaner zu gewinnen sein.

5. Ich breche mit der Tradition, dass ein Kandidat weder Finanzminister noch Notenbankchef zu sein hat. Ich bin schließlich deutscher Bundeskanzler.

6. Ich finde nichts dabei, dass mein Kandidat in US-Diplomatenkreisen als Jasager gilt, dem man von vorneherein nicht zutraut, trotz des schwierigen Verhältnisses des US-Kongresses zum Währungsfonds dessen Interessen zu wahren.

7. Frei nach dem Motto „Hauptsache ein Deutscher“ schere ich mich wenig um Inhalte. Ich habe kein schlüssiges Konzept für eine Reform des IWF und ignoriere, dass sich die halbe Welt seit Jahren damit beschäftigt. Der Zweifel, ein Brite würde sich eher auf die Linie der Amerikaner einschießen, wird im Keim erstickt.

8. Ich boxe diesen Kandidaten durch. Schließlich bin ich Bundeskanzler der Deutschen und in erster Linie für den Erfolg meines Landes zuständig. Außerdem macht sich so ein außenpolitischer Erfolg nicht schlecht. Man muss immer den nächsten Wahlkampf im Auge behalten.

9. Keinesfalls ziehe ich zuerst meine französischen Nachbarn ins Vertrauen, bevor ich meinen Kandidaten öffentlich präsentiere. Ist mir doch egal, wenn die dann wieder zicken.

10. Ich höre schnell weg, wenn der amerikanische Präsident Bill Clinton seine Missbilligung ausdrückt. Zwar läuft im IWF gegen den Willen der USA gar nichts. Aber das heißt ja nicht, dass ich das gut finden muss. Immerhin sind wir die drittstärkste Wirtschaftsmacht der Welt, und politisch legen wir jetzt ja auch zu. Einwände, dem Kandidaten mangele es an „Erfahrung und politischem Gewicht“ fasse ich als Beleidigung auf – persönlich und auch national.

11. Ich gebe vor, nicht gemerkt zu haben, dass sich die anderen EU-Staaten nur durch meine hartnäckige Werbekampagne genötigt fühlen, meinen Kandidaten zu akzeptieren. Dass ich damit einen Zweifrontenkrieg führe oder zumindest davon ausgehen muss, dass meine Verbündeten sich innerlich mit meinem Feind solidarisieren, trage ich mit Größe und Tapferkeit.

12. Auf die diplomatisch vorgebrachte Andeutung von Bill Clinton, er könne nicht sehen, dass mein Kandidat tatsächlich eine breite Unterstützung genieße, gehe ich selbstverständlich nicht ein. Alle finden Koch-Weser gut, dafür mache ich mich persönlich stark. Sicherheitshalber erzähle ich den zweifelnden Franzosen, Bill Clinton habe grünes Licht für meinen Kandidaten gegeben. Das macht Eindruck.

13. Zu allerletzt interpretiere ich die Niederlage bei einer Probeabstimmung im IWF-Exekutivrat kurzerhand als Sieg. Immerhin hat mein Kandidat 42 Prozent bekommen. Dass das nicht reicht und im IWF gewöhnlich nach dem Konsensprinzip entschieden wird, kann mich nicht schocken. Ich mache nichts besser, aber alles anders.

KATHARINA KOUFEN

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