piwik no script img

Wie entsteht unser Essen?Ernten bis zum Umdenken

Fotograf Kadir van Lo­hui­ze­n ist an viele Orte gereist, um zu erfahren, wie Lebensmittel produziert werden. Einblicke in eine hochtechnisierte Welt.

Das riesige Gewächshaus in Monster in den Niederlanden züchtet Kresse, essbare Blätter und Blüten mithilfe von LED-Beleuchtung Foto: Kadir van Lohuizen
Interview von Johanna Weinz

taz: Herr van Lohuizen, wie sind Sie darauf gekommen, die Lebensmittelindustrie zu fotografieren?

Kadir van Lo­hui­ze­n: Ich habe mich schon in früheren Projekten damit beschäftigt, wie Großstädte ihre Abfälle managen beziehungsweise missmanagen. Es ist bekannt, dass wir weltweit ein Drittel unseres Essens wegschmeißen. Als mir die Ausmaße in New York so richtig bewusst wurden, dachte ich, dass ich ein Projekt über die Ernährungsindustrie machen sollte.

Eine Ranch in Texas. Die winzigen Flecken sind Kälber für die Milch- und Rindfleischproduktion Foto: Kadir van Lohuizen

taz: Kommen Sie von dort?

van Lohuizen: Nein, ich komme aus den Niederlanden und bin wie viele andere mit der Sicherheit aufgewachsen, dass alle Lebensmittel jederzeit zur Verfügung stehen. Aber mit der Zeit ist mir klargeworden, dass die Lebensmittelproduktion auch in diesem Teil der Welt nicht so sicher ist, wie wir immer denken.

taz: Was meinen Sie genau?

Eine MIlchfarm in Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Kamele sind im Gegensatz zu Kühen perfekt an Hitze angepasst Foto: Kadir van Lohuizen
Ein Gewächshaus in China. Der Salat ist reif und kann in die Transportboxen gefüllt werden Foto: Kadir van Lohuizen

van Lohuizen: Die Niederlande liegen in einem Delta. An den Küsten haben die Bauern mit versalzenen Feldern zu kämpfen. Auch in anderen Ländern Europas gibt es durch Starkregen oder langanhaltende Dürren Schwierigkeiten bei der Ernte. Corona und der Krieg in der Ukraine haben zudem gezeigt, wie fragil das Ernährungssystem ist. Unsere Abhängigkeit von Importen hat zu Lieferschwierigkeiten geführt. Plötzlich waren bestimmte Lebensmittel im Supermarkt nicht verfügbar.

Kadir van Lohuizen

*1963, ist ein mehrfach aus gezeichneter Fotograf aus den Niederlanden. In seinen Fotoarbeiten beschäftigt er sich mit bewaffneten Konflikten, sozialen Themen und der Klimakrise. Sein Bildband „Food for Thought“ ist im Juni 2024 bei Lannoo Publishers erschienen.

taz: Für das Projekt sind Sie in mehrere Länder gereist. Wie kam es zu der Auswahl?

van Lo­hui­ze­n: In allen Ländern gab es Aspekte, die mich besonders interessiert haben. Die Niederlande sind ein kleines Land und trotzdem der zweitgrößte Lebensmittelexporteur, direkt nach den USA. Aus Kenia gelangen ebenfalls extrem viele Früchte und Gemüse nach Europa. Saudi-Arabien wiederum hat vor der Pandemie 90 Prozent seiner Lebensmittel importiert und möchte das nun ändern. Die Emirate und Saudi-Arabien versuchen durch Geothermie, also durch künstlichen Regen, zu landwirtschaften. Und China hat das Ernährungssystem verändert: Dort werden die Lebensmittel in der Nähe der Großstädte produziert.

Eine der größten Landwirtschaftsmessen in Minnesota. Hier können Besuchende die Geburt und Aufzucht von Nutztieren live miterleben Foto: Kadir van Lohuizen

taz: Gab es etwas, das Sie überrascht hat?

van Lo­hui­zen: ­Dass die Lebensmittelindustrie in China besser als in den meisten anderen Ländern funktioniert. Das Land importiert und exportiert sehr wenig. Für mich war es außerdem am einfachsten, dort zu arbeiten, das hätte ich nie gedacht.

taz: Wieso war es in den anderen Ländern so schwierig?

Eine vertikale Farm in Compton in Los Angeles. Hier wachsen Salate und Blattgemüse. Vor allem Roboter erledigen die Arbeit Foto: Kadir van Lohuizen

van Lo­hui­ze­n: Dort herrschte großes Misstrauen, was passieren würde, wenn ich in die Betriebe komme und fotografiere. Da war es einfacher, in die Diamanten­in­dus­trie zu kommen.

Erntezeit auf einer Farm in Kenia. Hier werden neben Pak Choi und anderem Gemüse auch Blumen angebaut Foto: Kadir van Lohuizen

taz: In Ihrem 2024 erschienenen Bildband „Food for Thought“ schreiben Sie, dass wir keine Vorstellung davon haben, woher unser Essen kommt.

van Lohuizen: Wir sehen die großen Farmen und Distributionszentren, aber wir haben keine Idee davon, wie viel wir wirklich produzieren. Wir haben die Verbindung zum Ursprung der Lebensmittel verloren. Wir sind komplett entkoppelt.

taz: Wie sieht die Landwirtschaft der Zukunft aus?

van Lo­hui­zen: Die liegt meiner Ansicht nach im saisonalen und regionalen Anbau. Außerdem sollten wir dringend weniger Fleisch konsumieren. Die Lösungen sind da, aber wir müssen unsere Komfortzone verlassen. Den Klimawandel können wir nicht mehr aufhalten, dafür sind wir zu spät, aber wie wir unsere Ernährungsweise und die Lebensmittelproduktion gestalten, das können wir verändern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Die Zukunft der Landwirtschaft wird in Unterirdischer Produktion liegen, da die Temperaturen durch die Klimakatastrophe nichts anderes mehr erlauben.

  • Ich stimme dem Interviewpartner prinzipiell zu bei seinen Vorschlägen am Ende: weniger Fleisch, Lebensmittel möglichst saisonal und aus der Region (allein schon wegen dem Ressourcenaufwand).

    Aber wie stellt er sich die "Verbindung zu den Lebensmitteln" vor? Wie sollen die Menschen in Industrie-/Dienstleistungsgesellschaften da wieder "gekoppelt" werden?



    Soll ich regelmäßig zum Tag der offenen Tür gehen bei irgendeinem Betrieb der Lebensmittelbranche? Selber auf Teilzeit in einem Agrarbetrieb oder Schlachterei arbeiten?



    In hoch arbeitsteiligen Gesellschaften so wie in Europa weiß ich doch auch nur vage oder garnicht, wie bspw. meine Möbel, mein Telefon oder Rechner hergestellt wurde.

    • @vøid:

      Nicht persönlich gemeint!



      Man kann alles in Erfahrung bringen. Manche interessiert es einfach nicht, manche wollen es mit Absicht gar nicht wissen, manche wissen es und es ist ihnen egal, manche wissen es und denken "Jetzt erst recht, erst mal die Inder und Chinesen...", manche richten sich nach dem, was sie wissen.



      Letztere sind die, die man allgemein mit dem größten Misstrauen betrachtet.