Wie Varoufakis den Euro retten will: Nehmen und Geben
Griechenlands Exfinanzminister Yanis Varoufakis hat einen Vorschlag für die Neukonstruktion der gemeinsamen Währung.
Auf einem Flug von Frankfurt nach New York saß Yanis Varoufakis neben „Franz“. Dieser ehemals einflussreiche Manager einer großen deutschen Bank berichtete, wie er den Griechen nach deren Euro-Beitritt Milliarden Euro an Krediten aufgeschwatzt habe. Wirtschaftliche Tragfähigkeit habe dabei kaum eine Rolle gespielt.
Varoufakis, damals Ökonomieprofessor, 2015 dann fünf Monate lang umstrittener griechischer Finanzminister, dient diese kleine Geschichte als einer von vielen Belegen dafür, dass nicht in erster Linie sein Heimatland die Verantwortung für die noch immer virulente Griechenlandkrise trage.
In seinem neuen Buch „Das Euro-Paradox“ entwickelt Varoufakis diese These und argumentiert: Die Währung Euro ist falsch konstruiert. Deshalb treibe sie die Europäer eher auseinander, als sie einander anzunähern. Der wesentliche Fehler bestehe darin, dass die Wirtschafts- und Währungsunion keinen Mechanismus des „Überschussrecyclings“ enthalte.
Dem Autor zufolge können deshalb wirtschaftliche Ungleichgewichte zwischen Euro-Mitgliedern mit Außenhandelsüberschüssen und jenen mit Handelsdefiziten nicht ausgeglichen werden. Das sei der wesentliche Grund für die aktuellen wirtschafts- und finanzpolitischen Probleme der Euro-Staaten. Die These enthält viel Wahres.
Ein Beispiel: Deutschland exportiert mehr, als es importiert. Autos, Maschinen, Medikamente, Lebensmittel werden unter anderem nach Griechenland verkauft und von den dortigen Erwerbern mit Euro bezahlt, die nach Deutschland fließen. Wegen des hohen Außenhandelsüberschusses (mehr Exporte als Importe) entsteht dadurch in Deutschland ein riesiges Guthaben, während Defizitländer (mehr Einfuhren als Ausfuhren) ein Minus auf ihrem Währungskonto verbuchen. Permanent rote Zahlen aber führen irgendwann zur Überschuldung.
An diesem Umstand lässt sich wenig ändern, solange die Länder, die miteinander Handel betreiben, wirtschaftlich unterschiedlich stark und überdies mit festen Wechselkursen oder einer gemeinsamen Währung aneinander gekoppelt sind. Denn das Defizitland kann seine Währung nicht abwerten, um seine eigenen Exporte zu erhöhen und damit eine ausgeglichene Handelsbilanz herzustellen. Was sich machen lässt, ist beispielsweise, die griechischen Löhne zu senken, damit die Produkte konkurrenzfähiger werden. Aber die Wirkung dieses Mechanismus ist begrenzt.
Also, folgert Varoufakis richtig, brauche es in einem Währungssystem wie dem Euro einen Mechanismus für „Überschussrecycling“. Dadurch würde ein Teil des deutschen Guthabens permanent auf sozialverträgliche und sichere Weise beispielsweise nach Griechenland transferiert. In Gestalt von EU-Infrastruktur- und Sozialfonds existieren solche Verfahren heute zwar schon. Sie sind allerdings zu schwach. Deshalb schwelt die Griechenlandkrise weiter. Trotz aller Rettungspakete bleibt das wirtschaftliche Nord-Süd-Gefälle bestehen.
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Um dagegen etwas zu unternehmen, hat Varoufakis zusammen mit dem US-Ökonomen James K. Galbraith einen „bescheidenen Vorschlag zur Lösung der Euro-Krise“ veröffentlicht. Entgegen des Titels ist dieser überhaupt nicht bescheiden, sondern läuft darauf hinaus, dass sich die Euro-Staaten gemeinsam verschulden.
Dadurch würden die Finanzierungsbedingungen für Griechenland besser, für Deutschland schlechter. Im ersten Fall sänken die Zinsen, im zweiten stiegen sie. Deutschland bezahlte dann also die griechischen Schulden mit – ein Teil des „Überschussrecyclings“, das Varoufakis fordert.
Insgesamt macht es der Autor seinen Lesern nicht leicht. Er hat 380 Seiten verfasst, die er mit nichtssagenden Überschriften in acht Kapitel unterteilt. Seine Darstellung mäandert zwischen der Weltfinanzgeschichte seit 1929, seinen eigenen Erlebnissen als Finanzminister, der griechischen Mythologie und allen möglichen Storys. Das kann zu einer gewissen Orientierungslosigkeit beim Leser führen, dem es schwerfallen mag, den roten Faden nicht zu verlieren.
Yanis Varoufakis: „Das Euro-Paradox“. Antje Kunstmann, München 2016. 380 Seiten, 24 Euro
Man muss Varoufakis freilich nicht sympathisch, sein Auftreten diplomatisch, sein Agieren als Finanzminister plausibel oder seine Weltanschauung richtig finden, um einzuräumen: An seinem Plan ist was dran. Wenn der Euro – und damit auch Europa – funktionieren sollen, werden reiche Nordländer wie Deutschland, Österreich, die Niederlande, Dänemark, Finnland mehr Mittel in den Süden schicken müssen.
Dieser Transfer kann verschiedene Formen annehmen. Gemeinsame Verschuldung mit europäischen Staatsanleihen ist nur eine Variante. Eine weitere bestünde in koordinierter Finanzpolitik, durch die beispielsweise deutsches Steuergeld in griechische Infrastruktur investiert würde. Ebenfalls überlegenswert: eine gemeinsame europäische Arbeitslosenversicherung. Nehmen jedenfalls geht nicht ohne geben.
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