Wie Lehrer*innen darüber denken:
„Ein Petzportal“
„Ich persönlich habe keine Angst. Für mich ist das schlicht ein Petzportal. Die AfD gibt vor, die offene politische Debatte schützen zu wollen? Sie will das Gegenteil, sie will Angst schüren. Ich weiß, dass ich mich im Rahmen des Beutelsbacher Konsens bewege: Natürlich darf ich meine Meinung sagen, solange ich die SchülerInnen nicht indoktriniere und solange ich sie dazu befähige, sich im demokratischen Diskurs ihre eigene Meinung zu bilden. Ich habe das Portal in meiner 13. Klasse im Unterricht angesprochen – meine SchülerInnen sind dann sogar in der Pause noch sitzen geblieben und haben weiter diskutiert. Das Thema treibt sie um, das Portal sehen alle kritisch. Unter den KollegInnen sind sich viele unsicher: Was passiert mit den Daten, die da eingetragen werden? Und inwieweit schützt mich der Arbeitgeber? Vielleicht gibt da jemand meine dienstliche Mailadresse an. Den Gedanken, dass mich dann jemand von der AfD kontaktieren könnte, finde ich sehr belastend. Das ist ein Stressfaktor.“
Anne Albers, Lehrerin für Deutsch und Geschichte an einer Gemeinschaftsschule in Neukölln.
„Nicht einschüchtern lassen“
„Ich vertrete eher linke Positionen, auch als Lehrerin. Wenn ich mit meinen SchülerInnen über Kapitalismus oder über die Bundeswehr spreche – ich denke, dann wird ihnen schon deutlich, wo ich stehe. Auch die Schülerschaft an meiner Schule tickt eher links. Deshalb muss ich aber auch gerade auf diejenigen achten, die mit konservativeren Meinungen in der Minderheit sind – damit ich als Lehrerin nicht zum Lautsprecher für die Mehrheit werde. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir jetzt zeigen: Wir lassen uns nicht einschüchtern.“
Lehrerin für Geschichte, Politik und Ethik an einer Sekundarschule in Pankow. Ihr Name ist der Redaktion bekannt.
Anonyme Drohmails
„Ich passe auch in Zukunft nicht mehr als sonst auf, was ich im Unterricht sage. Natürlich mache ich bei politischen Themen auch meine eigene Meinung deutlich – und natürlich lasse ich die Schüler trotzdem selbst zu ihrer eigenen, persönlichen Meinung finden. Das ist ja mein Auftrag als Lehrer. Erst vor ein paar Tagen hat ein Kollege von mir eine anonyme Drohmail bekommen: „Du gehörst auch auf die AfD-Liste.“ Er hatte sich öffentlich kritisch über die AfD-Pläne geäußert. Da scheint gerade insgesamt die Hemmschwelle zu sinken, Menschen zu beleidigen und zu denunzieren. Einige Kollegen und ich waren kürzlich mit einem Stand der Gewerkschaft bei einem Demokratiefest in Marzahn-Hellersdorf vertreten, „Schöner leben ohne Nazis“. Da waren viele unterwegs, die unseren Stand demonstrativ mit ihren Handykameras fotografiert haben – und das landete dann alles auf der Facebookseite AfD Marzahn-Hellersdorf. Das war sehr unangenehm. Ich persönlich finde ja die Strategie der Hamburger sehr interessant, die die AfD-Seite mit Nonsens wie Pizzabestellungen lahmgelegt haben. Ich hoffe, dass das in Berlin auch eine Möglichkeit ist, wie sich zur Wehr gesetzt wird.“
Thomas Bauer, Lehrer für Sport, Geografie, Politik und Wirtschaft an einem Gymnasium in Marzahn-Hellersdorf.
„Eine Fundgrube an Themen“
„Als Lehrer habe ich die Pflicht, strittige Sachverhalt kontrovers darzustellen. Das heißt auch: Offensichtlichen Quatsch kann ich auch klar so benennen. Zum Beispiel, wenn Alexander Gauland die Nazi-Zeit mit einem „Vogelschiss“ in der Geschichte vergleicht. Ansonsten ist die AfD für mich als Lehrer eine Fundgrube an Themen. Ich werde jetzt mit meinen Schülern als Nächstes den Beutelsbacher Konsens besprechen.“
Christian Casals, Lehrer für Geschichte und Politik an einer Sekundarschule in Steglitz-Zehlendorf. (Protokolle: akl)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen