Widerstand gegen Putsch in Myanmar: Junta nutzt Artillerie und Geiseln

Myanmars Militärjunta hat im Kampf gegen eine Bürgermiliz Gefangene als menschliche Schutzschilde eingesetzt. Das sagt die Gegenregierung.

Soldat im Tarnfleck mit Handy in der Hand.

Myanmarischer Soldat schaut während seines Wachdienstes auf sein Smartphone Foto: Stringer/Reuters

BERLIN taz | Nach tagelangen Kämpfen gegen Myanmars Putschmilitär hat sich die im westlichen Chin-Staat gebildete Bürgermiliz Chinland Verteidigungskräfte (CDF) am Sonntag aus der Stadt Mindat zurückgezogen. Die aus mehreren Hundert Bewohnern Mindats und acht anderer Kleinstädte in der Region Anfang April gebildete CDF ist nur mit Jagdgewehren und selbst gebauten Waffen ausgerüstet, während das Militär jetzt Artillerie und Hubschrauber einsetzte.

Der Sprecher der gegen das Putschregime im Untergrund agierenden sogenannten Einheitsregierung, Dr. Sasa, warf dem Militär am Samstag vor, Bewohner Mindats als Geiseln genommen und als menschliche Schutzschilde gegen die Miliz eingesetzt zu haben.

Mindestens 18 Männer hätten Soldaten beim Einmarsch in die Stadt vor sich her getrieben, sagte ein CDF-Sprecher dem Onlineportal Irrawaddy: „Wir können doch nicht unsere Leute verletzten. Deshalb haben wir uns langsam zurückgezogen und fast alle gesunden Männer haben die Stadt verlassen.“ Ein weiterer Grund sei gewesen, dass man bei einer Verteidigung der Stadt deren Zerstörung hätte befürchten müssen.

Im April hatte die CDF erstmals einem Militärkonvoi aufgelauert, der Truppen zur Niederschlagung der dortigen Proteste bringen sollte. Dutzende Soldaten wurden getötet, Militärfahrzeuge wurden in Brand gesteckt. Am letzten Donnerstag stellte die Militärjunta die Stadt mit mindestens 20.000 Einwohnern unter Kriegsrecht, beschoss sie seitdem mit Artillerie und Granatwerfern und rückte mit Truppen von zwei Seiten aus vor.

Militär fliegt Verstärkung ein

Während die CDF noch die östliche Zufahrtsstraße aus kontrollierte und nach eigenen Angaben weitere Militärfahrzeuge zerstören konnte, flog das Militär mit Hubschraubern laut Dr. Sasa eintausend Soldaten ein. Inzwischen soll das Militär im Stadtzentrum patrouillieren.

Über die genauen Verluste beider Seiten herrscht Unklarheit. Ohnehin sind Angaben aus der Unzugänglichen Region kaum zu überprüfen, zumal derzeit Internet und Mobiltelefone oft blockiert sind.

Am Samstag kritisierten die Botschaften der USA und Großbritanniens den Einsatz von Artillerie gegen die Stadt. Anders als zwei Dutzend seit Jahrzehnten bestehende ethnische Guerillagruppen ist die CDF erst als Folge des Militärputsches vom 1. Februar gegen die gewählte Regierung und der bald einsetzenden Tötungen friedlicher Demonstranten entstanden.

Laut der Juntazeitung Global New Light of Myanmar würden in Mindat die Verantwortlichen für „Terroranschläge“ bald vor ein Militärgericht gestellt.

Abschuss eines Hubschraubers

Insbesondere ethnische Guerillaorganisationen der Karen, der Kachin und der Shan haben sich mit dem breiten Volkswiderstand gegen die Junta solidarisiert und Angriffe auf das Militär verstärkt. Am 3. Mai war es der Kachin Independent Army (KIA) erstmals gelungen, bei Momauk im Kachin-Staat einen Armeehubschrauber abzuschießen.

Der per Video dokumentierte Abschuss des Kampfhubschraubers aus russischer Produktion soll innerhalb des Militärs für einige Verunsicherung gesorgt und sogar zu 80 Fällen von Desertion geführt haben.

Nach Angaben der inzwischen verbotenen und deshalb im Untergrund operierenden myanmarischen Menschenrechtsorganisation AAPP (Assistance Association for Political Prisoners) vom Sonntag wurden seit dem Putsch von der Polizei und dem Militär bisher 796 Personen getötet. 3998 Personen sind noch inhaftiert, weitere 1.679 werden per Haftbefehl gesucht. Bisher wurden 20 Personen zum Tode verurteilt.

Auch am Sonntag wurden aus mehreren Orten wieder Demonstrationen gemeldet.

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