Widerstand gegen Lieferkettengesetz: Betriebswirtschaftlich blind
Die Wirtschaft sträubt sich, Verantwortung für die Lieferketten zu übernehmen. Das ist nicht nur moralisch, sondern auch wirtschaftlich falsch.
V iele einheimische Unternehmen weigern sich, Qualität zu liefern. Anders lässt sich das Ergebnis der am Dienstag veröffentlichten Regierungsumfrage unter hiesigen Firmen kaum interpretieren. Menschenrechte, angemessene Bezahlung der Beschäftigten, Arbeits- und Umweltschutz in ihren ausländischen Zulieferfabriken scheinen den Vorständen weitgehend egal zu sein. So betrachtet verkaufen die Unternehmen keine guten Produkte.
Gleichzeitig agiert die Wirtschaft damit auch unwirtschaftlich. Denn für qualitativ hochwertige Waren kann man höhere Preise verlangen. Wenn in der globalen Produktion Umwelt und Menschenrechte respektiert werden, vermeiden die Firmen außerdem Imageschäden und Gerichtsprozesse. Nicht selten fallen die Kosten der Vorsorge geringer aus als die Aufwendungen für Schadensbeseitigung. Es kann für Unternehmen nützlich sein, sozial und ökologisch schädliche Billigfertigung zurückzudrängen und einen zunehmenden Teil ihres Sortiments auf Produkte umzustellen, die sich neben dem Nutzwert auch durch gesellschaftlichen Wert auszeichnen.
Ignorieren Firmen und Verbände solche Erwägungen, agieren sie nicht nur betriebswirtschaftlich blind, sondern auch menschenrechtlich verantwortungslos. Abgebrannte oder eingestürzte Textilfabriken, verseuchte Landschaften, Hungerlöhne: Deutsche Unternehmen versprechen Besserung, tun aber zu wenig. Vor allem deshalb ist nun ein Gesetz nötig, das verpflichtet, Verantwortung für die Zustände in ihren Lieferketten zu übernehmen.
Die Voraussetzungen dafür sind einerseits gut. Das Vorhaben steht im Koalitionsvertrag, Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) klemmen sich dahinter. Trotzdem könnte es lange dauern. Wirtschaftsverbände wie BDI und BDA mauern, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sperrt sich. Ob auf europäischer Ebene eine schnellere Lösung zu finden ist, steht in den Sternen. Produkte mit mieser Qualität bleiben in hiesigen Geschäften weiterhin im Angebot.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin